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mit dem Strohwisch aufsetzte, Chrapon wie einen Freund umarmte und mit ihm so bis zum Graben ging.

      Sie waren ja auch wirkliche Freunde.

      VI

      Chrapon hatte mit Sganarell natürlich das größte Mitleid, konnte ihm aber gar nicht helfen. In dem Hause, wo sich dies abspielte, wurde, wie schon gesagt, kein einziges Vergehen verziehen, und Sganarell, der sich dermaßen kompromittiert hatte, mußte seine Streiche mit dem grausamen Tode büßen.

      Die Hetzjagd sollte als eine Nachmittagszerstreuung für die Gäste, die sich bei meinem Onkel zu Weihnachten versammelten, stattfinden. Die Anordnungen zu dieser Jagd wurden zur gleichen Zeit gegeben, als Chrapon den Befehl bekam, den schuldigen Sganarell in den Graben zu bringen.

      VII

      Man pflegte die Bären auf eine höchst einfache Weise in den Graben zu setzen. Man legte quer über die Öffnung einige leichte schwache Stangen, überdeckte diese mit Reisig und schüttete darüber Schnee. Das Loch wurde so geschickt maskiert, daß der Bär die Falle gar nicht merken konnte. Man brachte das folgsame Tier bis zu dieser Stelle und ließ es weiter gehen. Es machte einen oder zwei Schritte und stürzte plötzlich in den tiefen Graben, aus dem es nicht mehr herauskommen konnte. Der Bär saß hier bis zu der für die Hetzjagd angesetzten Stunde. Dann legte man schräg in den Graben einen etwa sieben Ellen langen Balken, und der Bär kletterte heraus, worauf sofort die Hetzjagd begann. Wenn aber das kluge Tier Unheil witterte und nicht herauskommen wollte, zwang man es, den Graben zu verlassen, indem man mit langen, mit eisernen Spitzen versehenen Stangen nach ihm stach, brennendes Stroh in den Graben warf, oder blinde Schüsse aus Gewehren und Pistolen abfeuerte.

      Nachdem Chrapon den Bären auf die beschriebene Weise in den Graben gebracht hatte, kehrte er tief betrübt nach Hause zurück. Unbedachterweise erzählte er seiner Schwester und unserer Wärterin, wie willig ihm das Tier gefolgt war, wie es, nachdem es durch den Reisig in den Graben gestürzt war, sich auf den Boden hingesetzt, die Vordertatzen wie Hände zusammengelegt und zu weinen angefangen hatte.

      Chrapon sagte seiner Schwester, daß er vom Graben so schnell er konnte weggelaufen sei, um das jämmerliche Stöhnen Sganarells nicht zu hören, das ihm ins Herz geschnitten habe.

      »Ich danke nur Gott,« fügte er hinzu, »daß es jemand anderem und nicht mir befohlen wird, auf ihn zu schießen, wenn er Reißaus nimmt. Wenn diese Pflicht mir zufiele, würde ich alle Strafen über mich ergehen lassen, aber um nichts in der Welt auf das Tier schießen.«

      VIII

      Annuschka teilte uns das alles mit, und wir gaben es unserem Hauslehrer Kolberg weiter. Kolberg aber erzählte es dem Onkel, um ihn zu amüsieren. Als der Onkel es hörte, sagte er: »Der Chraposchka ist gut!« und klatschte dreimal in die Hände.

      Das war das Signal für den alten französischen Kammerdiener Ustin Petrowitsch, einen ehemaligen Kriegsgefangenen vom Jahre 1812.

      Ustin Petrowitsch, oder eigentlich Justin, erschien in seinem saubergebürsteten lila Frack mit silbernen Knöpfen, und mein Onkel gab ihm den Befehl, daß man bei der bevorstehenden Bärenjagd als Reserveschützen einen gewissen Flegont, der niemals sein Ziel verfehlte, und Chrapon aufstellen solle.

      Der Onkel erwartete sich offenbar vom Kampfe der widerstrebenden Gefühle in der Seele des armen Burschen eine große Belustigung. Wenn es ihm einfiele, auf den Bären entweder überhaupt nicht zu schießen oder ihn absichtlich nicht zu treffen, so würde es ihm teuer zu stehen kommen; Flegont würde aber das Tier mit dem zweiten Schuß sicher erlegen.

      Ustin verbeugte sich und ging hinaus, um den Befehl weiterzugeben. Wir Kinder sahen aber erst jetzt ein, was wir angestellt hatten, und fühlten, daß etwas Schreckliches im Anzuge sei. Gott weiß, wie das enden sollte. Unter diesen Umständen hatten wir weder an dem schmackhaften Weihnachtsessen, das der Sitte gemäß spät abends eingenommen wurde, noch an den vielen Gästen, die zum Teil mit ihren Kindern gekommen waren, rechte Freude.

      Sganarell und Ferapont taten uns leid, und wir wußten nicht, mit wem von beiden wir mehr Mitleid hatten.

      Wir beide, d. h. ich und mein kleiner Vetter, wälzten uns lange in unseren Bettchen. Wir schliefen spät ein, träumten von dem Bären und fuhren einigemal schreiend aus dem Schlafe. Und als die Kinderfrau sagte, daß wir vor dem Bären keine Angst zu haben brauchten, weil er im Graben sitze und morgen erschossen werden solle, wurde meine Unruhe noch größer.

      Ich erkundigte mich sogar bei der Alten, ob es erlaubt sei, für Sganarell zu beten. Diese Frage lag aber außerhalb ihrer religiösen Kompetenz, und sie antwortete, in einem fort gähnend und sich den Mund bekreuzigend, daß sie es nicht sicher wisse, weil sie sich danach noch niemals beim Geistlichen erkundigt habe; der Bär sei aber sicher ein Geschöpf Gottes und habe sich auch in der Arche Noahs befunden.

      Die Erwähnung der Arche Noahs brachte mich auf den Gedanken, daß die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes sich nicht nur auf die Menschen, sondern auch auf alle andern Geschöpfe erstrecke. Ich kniete in kindlicher Andacht in meinem Bettchen nieder, drückte mein Gesicht in das Kissen und flehte Gottes Majestät an, mir meine Bitte nicht als Sünde anzurechnen und Sganarell zu retten.

      IX

      Der erste Weihnachtstag brach an. Wir kamen in unseren Festtagskleidern in Begleitung unserer Hauslehrer und Erzieherinnen zum Frühstückstisch. Außer den zahlreichen Verwandten und Gästen befanden sich im Saal auch der Geistliche, der Diakon und zwei Küster.

      Als der Onkel in den Saal trat, stimmte die Geistlichkeit einen Weihnachtschoral an. Dann nahm man den Tee und gleich darauf ein leichtes Frühstück ein. Zu Mittag wurde früher als sonst, nämlich um zwei Uhr, gegessen. Gleich nach dem Essen sollte die Bärenjagd beginnen: man durfte sie nicht auf eine spätere Stunde hinausschieben, weil es um diese Jahreszeit früh Abend wurde und der Bär im Dunkeln leicht Reißaus nehmen konnte.

      Alles spielte sich genau nach dem festgesetzten Programm ab. Gleich nach dem Essen zog man uns Hasenfellpelze und zottige, aus Ziegenwolle gestrickte Stiefel an und setzte uns in die Schlitten, um zur Jagd zu fahren. Rechts und links vom Hause standen schon viele lange, mit je drei Pferden bespannte und mit Teppichen belegte Schlitten bereit. Zwei Reitknechte hielten die englische Fuchsstute »Modedame« an den Zügeln fest.

      Der Onkel trat in einem kurzen Fuchspelz und einer spitzen Fuchsfellmütze aus dem Hause, und sobald er in den mit einem schwarzen Bärenfell bedeckten und mit Türkisen und Schlangenköpfen geschmückten Sattel stieg, setzte sich unser ganzer langer Zug in Bewegung. In zehn oder fünfzehn Minuten waren wir schon am Ziel. Alle Schlitten stellten sich im Halbkreise auf dem glatten schneebedeckten Felde auf, das von einer Kette berittener Jäger umstellt und in einiger Entfernung vom Walde abgeschlossen war.

      Dicht am Walde war im Gesträuch das Versteck für die Schützen eingerichtet, unter denen sich auch Flegont und Chraposchka befinden mußten.

      Die Schützen selbst waren nicht zu sehen; einige zeigten auf die kaum sichtbaren Büchsenstützen, von denen auf Sganarell gezielt werden sollte.

      Der Graben, in dem der Bär saß, war unsichtbar, und wir lenkten daher unsere Aufmerksamkeit auf die schmucken Reiter, die mit den schönsten Waffen ausgerüstet waren; es waren die Erzeugnisse der berühmtesten Büchsenmacher: des Schweden Strabus, des Deutschen Morgenrath, des Engländers Mortimer und des Warschauers Kolett.

      Mein Onkel stellte sich mit seinem Pferde vor der Kette auf. Man gab ihm die Leine zweier zusammengekoppelter junger »Blutegel« in die Hand und legte auf den Sattel vor ihn ein weißes Tuch.

      Die vielen jungen Hunde, die ihre Künste an dem zu Tode verurteilten Sganarell üben sollten, benahmen sich höchst selbstbewußt und zeigten brennende Ungeduld und Mangel an Selbstbeherrschung. Sie winselten, bellten und sprangen um die Pferde herum; die uniformierten Piqueure knallten in einem fort mit ihren Peitschen, um die außer Rand und Band geratenen Hunde zur Vernunft zu bringen. Alles brannte vor Ungeduld, sich über das Tier zu stürzen, dessen Nähe die Hunde mit ihren feinen Nasen sofort witterten.

      Nun kam der Zeitpunkt, wo Sganarell aus dem Graben heraus gelassen und den Hunden preisgegeben werden sollte.

      Mein

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