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Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten. Николай Лесков
Читать онлайн.Название Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Николай Лесков
Жанр Русская классика
Издательство Public Domain
Die Festung wurde schließlich genommen: die Zigeunerinnen wurden ergriffen, umarmt und abgeküßt, und eine jede bekam einen Hundertrubelschein in das Mieder gesteckt. Damit war die Sache erledigt …
Ja, auf einmal war alles still … Alles war zu Ende. Es war keine Störung von außen, aber alle hatten genug. Wenn es vorher, wie mein Onkel gesagt hatte, »gar kein Leben« war, so fühlten wohl jetzt alle einen Überfluß an Leben.
Alle hatten genug und alle waren zufrieden. Vielleicht hatte auch die Bemerkung des Schulmeisters, daß es für ihn Zeit sei, in die Schule zu gehen, einige Bedeutung. Jedenfalls war die Walpurgisnacht zu Ende, und »das Leben« trat wieder in seine Rechte.
Die Gäste verdufteten ohne Abschied einer nach dem andern; das Orchester und die Zigeuner waren längst verschwunden. Das Restaurant bot das Bild vollständiger Verwüstung: keine einzige Draperie, kein einziger Spiegel war ganz; selbst der große Kronleuchter lag zertrümmert am Boden, und die Kristallprismen zerbrachen unter den Füßen der Kellner, die sich vor Müdigkeit kaum auf den Beinen hielten. Der Onkel saß ganz allein mitten auf dem Sofa und trank Kwas. Ab und zu schwebten ihm wohl irgendwelche Erinnerungen durch den Sinn, und er zuckte mit den Beinen. Vor ihm stand Rjabyka, der in seine Schule eilte.
Man reichte ihnen die Rechnung. Es war eine kurze »Pauschalrechnung«.
Rjabyka studierte die Rechnung sehr aufmerksam und verlangte einen Nachlaß von fünfzehnhundert Rubeln. Man widersprach ihm nicht viel und zog das Fazit: die Endsumme machte siebzehntausend, und Rjabyka erklärte, daß die Rechnung jetzt stimme. Der Onkel sagte einsilbig! »Zahl’s!«, setzte den Hut auf und bedeutete mir durch ein Zeichen, ihm zu folgen.
Zu meinem Entsetzen merkte ich, daß er mich nicht vergessen hatte und daß ich ihm nicht entrinnen konnte. Er flößte mir eine unheimliche Angst ein, und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie ich mit ihm nun allein unter vier Augen bleiben würde. Er hatte mich ja so ganz zufällig mitgenommen, hatte mir noch keine zwei vernünftigen Worte gesagt und schleppte mich überall mit sich herum. Was werde ich noch alles erleben? Vor Entsetzen wurde ich auf einmal ganz nüchtern. Ich fürchtete dieses schreckliche, wilde Tier mit der zügellosen Phantasie und den furchtbaren Einfällen. Im Vorzimmer umringte uns eine Menge Kellner. Der Onkel befahl: »Je fünf!«, und Rjabyka zahlte; die Hausmeister, Nachtwächter, Schutzleute und Gendarmen, die irgendwelche Dienste geleistet haben wollten, bekamen etwas weniger. Alle diese Leute wurden befriedigt. Das machte eine Riesensumme aus. Im Parke draußen drängten sich aber, so weit das Auge reichte, zahllose Droschken. Die Droschkenkutscher warteten auf ihr »Väterchen« Ilja Fedossejewitsch, »ob Seine Gnaden sie nicht irgendwie brauchen könnten.«
Man stellte ihre Zahl fest und gab einem jeden von ihnen drei Rubel. Der Onkel und ich stiegen in den Wagen, und Rjabyka reichte dem Onkel seine Brieftasche.
Ilja Fedossejewitsch nahm aus der Brieftasche einen Hunderter und gab ihn Rjabyka.
Dieser drehte die Banknote in den Fingern und sagte unwirsch:
»Zu wenig.«
Der Onkel gab ihm noch zwei Fünfundzwanziger.
»Auch das genügt noch nicht: es hat ja keinen einzigen Skandal gegeben.«
Der Onkel gab ihm noch einen dritten Fünfundzwanziger, der Schulmeister reichte ihm nun auch seinen Stock und verabschiedete sich.
V
Nun blieben wir beide unter vier Augen zurück und fuhren im Trab nach Moskau; hinter uns jagte aber mit Geschrei und Geklapper das ganze unübersehbare Heer der Droschken. Ich konnte gar nicht begreifen, was sie von uns wollten, der Onkel aber hatte es gleich erraten. Es war eigentlich empörend: um von ihm noch mehr Geld zu erpressen, gaben sie ihm unter dem Vorwande einer besonderen Ehrung das Geleite und lieferten ihn auf diese Weise dem allgemeinen Spott aus.
Moskau lag vor unseren Blicken in herrlicher Morgenbeleuchtung, von leichten Rauchwölkchen aus den Kaminen und von friedlichem Glockengeläute umschwebt.
Rechts und links vom Schlagbaum zogen sich Warenspeicher hin. Der Onkel ließ vor dem ersten Speicher halten, zeigte auf ein Fäßchen, das an der Schwelle stand, und fragte:
»Ist’s Honig?«
»Honig.«
»Was kostet das Fäßchen?«
»Wir verkaufen nur pfundweise.«
»Rechne aus, was das kostet.«
Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wieviel man dafür verlangte. Ich glaube siebzig oder achtzig Rubel.
Der Onkel zählte das Geld ab.
Das Droschkenheer hatte uns inzwischen eingeholt.
»Habt ihr mich lieb, ihr städtischen Droschkenkutscher?«
»Gewiß! Wir sind immer bereit, Euer Gnaden zu dienen.«
»Seid ihr mir ergeben?«
»Mit Leib und Seele.«
»Nehmt die Räder ab!«
Die Kutscher stehen verständnislos da.
»Macht es schnell!« kommandiert der Onkel.
An die zwanzig Kutscher, die flinker als die anderen sind, holen unter den Sitzen ihre Schraubschlüssel hervor und beginnen die Räder abzunehmen.
»Gut so,« sagt der Onkel, »und jetzt schmiert die Räder mit Honig.«
»Väterchen!«
»Schmiert!«
»Das kostbare Gut … So was nimmt man doch lieber in den Mund!«
»Schmiert!«
Ohne auf seinem Wunsche noch weiter zu bestehen, setzte er sich wieder in den Wagen, und wir rasten davon. Die Droschkenkutscher blieben jedoch sämtlich mit den abgeschraubten Rädern beim Honig, mit dem sie aber ihre Räder gar nicht schmierten: sie verteilten ihn wohl unter sich oder verkauften ihn weiter an den nächsten Krämer. Jedenfalls waren wir sie los. Wir fuhren ins Bad. Hier erwartete ich das Jüngste Gericht: ich saß mehr tot als lebendig in der Marmorwanne, während der Onkel in einer seltsamen apokalyptischen Pose auf dem Boden lag. Die ganze Masse seines schweren Körpers ruhte nur auf den Spitzen der Finger und der Zehen. Der rote Körper bebte auf diesen Stützpunkten unter der kalten Dusche, und er brüllte dabei dumpf wie ein Bär, der sich einen Dorn aus der Tatze herausziehen will. Das dauerte eine halbe Stunde, und er zitterte ununterbrochen, wie ein Gelee auf schwankendem Tisch. Plötzlich sprang er auf, ließ sich Kwas geben, wir kleideten uns an und fuhren auf die Schmiedebrücke zum »Franzosen«.
Wir ließen uns hier die Haare stutzen, kräuseln und frisieren und begaben uns dann zu Fuß durch die innere Stadt ins Geschäft.
Der Onkel sprach mit mir noch immer nicht, ließ mich aber nicht los. Nur einmal wandte er sich an mich:
»Wart, nicht alles auf einmal: wenn du jetzt etwas nicht verstehst, so wirst du es mit den Jahren verstehen.«
Im Geschäft verrichtete er zunächst das Morgengebet, vergewisserte sich, ob alles in Ordnung sei und stellte sich vor das Schreibpult. Das Gefäß war von außen gereinigt, aber innen noch voller Greuel und lechzte nach Läuterung.
Ich sah es und hatte keine Angst mehr. Die Sache interessierte mich; ich wollte sehen, wie er nun mit sich selbst fertig würde, wie er das Läuterungswerk machte: ob durch Enthaltsamkeit oder durch irgendeine andere göttliche Gnade?
Gegen zehn Uhr morgens litt es ihn nicht mehr im Geschäft. Er wartete immer auf seinen Nachbarn, um mit ihm ins nächste Wirtshaus zum Teetrinken zu gehen: wenn man den Tee zu dritt trinkt, kommt er um ganze fünf Kopeken billiger. Der Nachbar kam aber nicht; er war eines plötzlichen Todes gestorben.
Der Onkel bekreuzigte sich und sagte:
»Wir alle werden sterben.«
Der plötzliche Tod des Nachbarn brachte ihn aber nicht aus der Fassung, obwohl er mit ihm seit vierzig Jahren täglich im gleichen Wirtshause