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Ein individuelles Abwehrrecht gegen Benachteiligungen Behinderter besteht nach ganz überwiegender Auffassung in dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, das im Jahr 1994131 ergänzt wurde. Es veranschaulicht die staatliche Aufgabe des besonderen Schutzes von behinderten Menschen.132 Im Rahmen dieses Förderungsauftrags kann der Gesetzgeber auch Normen schaffen, die eine Gleichbehandlung behinderter Menschen im Privatrechtsverkehr verlangen, um so die Möglichkeit gleicher Chancenwahrnehmung zu gewährleisten.133 Adressat des Gleichheits-grundsatzes bleibt dabei der Staat, der ihn aber im Rahmen seiner sozialen Gestaltungsaufgabe durchsetzen kann.134 So hat das Prinzip der sozialen Gleichheit behinderter Menschen auch im Zivilrecht mittelbare Drittwirkung.135 Zwar ist das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich von der Privatautonomie geprägt - greift der Gesetzgeber hier aber nicht korrigierend und gestaltend ein, so bleibt eine Vielzahl von Menschen vom Wirtschafts- und Arbeitsleben ausgeschlossen.136 Der Sozialstaat übernimmt diesbezüglich eine Verantwortung, damit Menschen aus gesundheitlichen Gründen gerade nicht an der Teilhabe ihrer Rechte gehindert sind.137 Da sich im Privatrechtsverkehr typischerweise zwei Grundrechtsträger gegenüberstehen, findet der Behindertenschutz in den gegenläufigen Grundrechten anderer Privatrechtssubjekte eine Schranke.138 Dabei ist es auch die Aufgabe des Gesetzgebers, möglichen Konflikten gerecht zu werden, die entstehen können, wenn die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers auf der einen Seite mit dem Beschäftigungsanspruch des behinderten Arbeitnehmers auf der anderen Seite konkurriert. Ziel muss es dabei sein, die Freiheitsrechte aller im Wege der praktischen Konkordanz möglichst weitreichend zu gewährleisten.139

      Der zweite Teil des SGB IX, der vornehmlich arbeitsrechtlich geprägt ist, überführt mit den dortigen Regelungen das in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verankerte Benachteiligungsverbot in das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.140 Es ist längst unumstritten, dass sozialrechtliche Regelungen, die eine gleiche Teilhabe aller am Arbeitsleben durch öffentlich-rechtliche Maßnahmen durchsetzen wollen, mit der Privatautonomie in Einklang stehen.141 Schließlich sind Eingriffe des Sozialstaats in privatrechtliche Rechtsverhältnisse bereits seit langem üblich, wie beispielsweise im Mietrecht. Seit dem Ersten Weltkrieg besteht dort für Mieter ein weitgehender Kündigungsschutz, um die tatsächlich ungleichen Machtverhältnisse der formal gleichen Rechtssubjekte im Privatrecht auszugleichen.142

       C.Öffentlich-rechtliches Arbeitsschutzrecht als Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts

      Insgesamt sichert die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts die Freiheit der Religionsgemeinschaften innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung.143 Teil dieser gesellschaftlichen Ordnung ist das staatliche Arbeitsrecht und das Arbeitsschutzrecht, das die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des staatlichen Gesetzgebers gesetzlich festlegt. Es ist nun zu prüfen, ob und wie die Kirche als Arbeitgeber an diesen Normen der gesellschaftlichen Ordnung teilhat.

      In der in Art. 137 Abs. 3 WRV verankerten Gewährleistung des Staates, die Kirche dürfe ihre eigenen Angelegenheiten selbständig regeln, steckt im Kern die Zusage des staatlichen Gesetzgebers, dass er die Regelungszuständigkeit der Gesetzgeber der Religionsgemeinschaften für diese Bereiche anerkennt. Diese Anerkennung der Eigenständigkeit bedeutet im Umkehrschluss die Einsicht, dass der staatliche Gesetzgeber selbst in diesem Zusammenhang auf die Regelung weltlicher Bereiche beschränkt ist.144 Wie bereits erwähnt gehört das kirchliche Dienst- und Arbeitsverhältnis zu den eigenen Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV, so dass sie dieses wegen ihres garantierten Selbstbestimmungsrechts innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnen und verwalten können.145 Gem. Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV ist den Religionsgesellschaften zudem der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts garantiert, der es ihnen ermöglicht, ihre Dienstverhältnisse nach öffentlichrechtlichen Grundsätzen zu ordnen, ohne dabei den Normen des staatlichen Arbeitsrechts zu unterliegen.146 Es steht ihnen jedoch auch frei, sich der jedermann offenstehenden Privatautonomie zu bedienen, um ihre Dienstverhältnisse zu begründen und zu regeln, was bei dem überwiegenden Teil der kirchlichen Mitarbeiter auch so erfolgt. Die Kirchen bedienen sich der Gestaltungsformen des staatlichen Arbeitsrechts. Ausgenommen sind davon grundsätzlich Geistliche, da diese nicht kraft eines Arbeitsvertrages, sondern entsprechend ihrem Amt bei der Kirche beschäftigt sind, nachdem sie durch die Priesterweihe ihre Funktion erlangt haben.147 Auf sie findet das staatliche Arbeitsrecht keine Anwendung. Ob in den anderen Fällen das staatliche Arbeitsrecht insgesamt und damit auch die Arbeitsschutzvorschriften als Teilbereich des Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich Geltung erlangen, wie weit eine mögliche Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts greift und was im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung gilt, wird im folgenden Abschnitt ausführlich erörtert.

       I.Geltung des staatlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich

      Das Verhältnis von Staat und Kirche bzw. der staatlichen Vorschriften und dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht wurde vor allem durch die Rechtsprechung des BVerfG geprägt. Das Staatskirchenrecht insgesamt wurde seit der Geltung des Grundgesetzes nicht mehr nur von der Literatur und der Staatspraxis federführend ausgeformt und mit Leben gefüllt, sondern das BVerfG übernahm hierbei mehr und mehr eine Führungsrolle.148 Auch bei der Interpretation des Schrankenvorbehalts des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Bereich des Arbeitsrechts, wenn sich die Kirchen der Gestaltungsform des staatlichen Privatsrechts zur Begründung ihrer Dienstverhältnisse bedienen, spielt seine Rechtsprechung eine tragende Rolle. Im Folgenden werden die unterschiedlichen Auffassungen der Literatur sowie die geschichtliche Entwicklung in der Rechtsprechung zur Geltung des staatlichen Arbeitsrechts im kirchlichen Bereich veranschaulicht.

      Zum Thema Schrankenvorbehalt und staatliches Arbeitsrecht wurden in der Literatur zunächst zwei völlig verschiedene Auffassungen vertreten. Die eine Ansicht ging von einem Vorrang des kirchlichen Rechts im Bereich des Arbeitsrechts aus und damit von einem eigenen Kirchenrecht. Die andere Auffassung dagegen hielt alle arbeitsrechtlichen Vorschriften auch im kirchlichen Bereich für verbindlich und sah damit einen Vorrang des staatlichen Rechts.149 Das BVerfG hat mit grundlegenden Beschlüssen den Meinungsstand mehr und mehr fortentwickelt.

      Kalisch150, ein Vertreter der ersten Ansicht, hat bereits 1952 die Schaffung eines eigenständigen kirchlichen Dienstrechts gefordert. Gerechtfertigt hat er dieses Erfordernis mit dem Leitbild der Dienstgemeinschaft, die alle Beschäftigten im kirchlichen Bereich umfasst und vom Wesen und Auftrag der Kirche beherrscht wird.151 Mit dem Leitbild einer Dienstgemeinschaft soll ausgedrückt werden, dass der Auftrag Jesu, ihm im Dienst der Versöhnung zu folgen, sich nicht nur auf den Dienst jedes Einzelnen beschränkt, sondern auch ein Zusammenstehen vieler in der Gemeinschaft des Dienstes gefordert wird.152 Diese Gemeinschaft erfordere die Gestaltung eines eigenständigen Dienstrechts für einen Bereich, „der in der hier erfolgenden Weise weder vom öffentlichen Dienstrecht noch vom allgemeinen Arbeitsrecht geregelt werden kann, weil der Auftrag der Kirche seinem Ursprung und Inhalt nach einzigartigist. Das kirchliche Dienstrecht ist weder Arbeitsrecht noch öffentliches Recht, sondern Kirchenrecht’.153 Eine Prüfung, ob sich dieses kirchliche Arbeitsrecht innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV hält, erübrige sich deshalb. Mayer-Maly154 hat diesen Ansatz weitergeführt, indem er dem staatlichen Arbeitsrecht nur subsidiäre Geltung zuspricht. Für den Fall, dass eine Religionsgesellschaft von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht und eine eigene Regelung für ihre Beschäftigten im kirchlichen Dienst geschaffen hat, so seien grundsätzlich auch nur diese Normen anzuwenden. Nur wenn die Kirche von ihrem Selbstbestimmungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat und keine eigenen Normen geschaffen hat, kann auf die staatliche Ordnung zurückgegriffen werden, sofern sich die entsprechende Anwendung mit der Eigenart des kirchlichen Dienstes verträgt.155 Allein bei elementaren Grundsätzen

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