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Nach dem Selbstverständnis der Kirche umfasst dieser Dienst die Verkündigung des Evangeliums, den Gottesdienst und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen.191 Zur Erfüllung dieses Auftrags ist jeder berufen, der im Dienst der Kirche steht, da es in der Dienstgemeinschaft keinen „auftragsfreien Raum“ gibt. Aus ihrem Leitbild ergibt sich, dass auch eine Konfliktaustragung im Rahmen des Dienstverhältnisses respektvoll und fair erfolgen muss.192 Die Kirche unterscheidet sich damit in diesem Punkt von allen anderen Einrichtungen und Betrieben, denn nirgends sonst wird das eigene Tätigsein jedes Einzelnen auch mit einem übergeordneten Werk verbunden, an dem alle mitarbeiten als Gemeinschaft. Sie hebt sich dadurch unter allen anderen Betrieben heraus.193 Die Kirche soll ihren Auftrag in der Nachfolge Christi so auslegen und leben dürfen, wie sie ihn versteht. Sie ist dabei lediglich an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden, die sich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie den Arbeitsschutzgesetzen gebunden.194 Denn die Ordnung des Wirkens der Kirche ist als Ordnung innerhalb – nicht jenseits – des gesamten Gemeinwesens zu verstehen.195

      Wie das Bundesverfassungsgericht eigens ausgeführt hat, darf die Einbeziehung kirchlicher Arbeitsverhältnisse in das staatliche Recht die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes, das kirchliche Proprium, nicht in Frage stellen.196 Damit beendete das BVerfG eine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die bei der Kündigung von Mitarbeitern im kirchlichen Dienst nur abgestufte Loyalitätspflichten anerkennen wollte – abhängig von der Nähe der Tätigkeit des Betroffenen zu den kirchlichen Aufgaben –, weil „auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine,Abstufung‘ der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit.“197 Es können sich also aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Religionsgemeinschaften bei Arbeitsverhältnissen mit Beteiligung von Kirchen bzw. kirchlichen Einrichtungen vom staatlichen Arbeitsrecht abweichende Regelungen ergeben, wenn ansonsten die spezifisch religiöse Eigenart im Bereich des arbeitsrechtlich organisierten Dienstes bedroht wäre.198 Es ist dem kirchlichen Arbeitgeber also gestattet, „die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes“ nach seinem Verständnis auszugestalten und „in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach [seinem] Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen“.199

      Das Eingehen von Arbeitsverhältnissen auf der Grundlage von Arbeitsverträgen ist für die Kirchen also kein Tatbestand, der nicht mehr vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht umfasst und damit außerhalb der Verfassungsgarantie angesiedelt ist.200 Deshalb zählt das religionsgemeinschaftliche Dienst- und Arbeitsrecht zu den eigenen Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft, auch wenn diese privatrechtliche Arbeitsverhältnisse eingeht.201

      Die Kirchen haben sich auf individualrechtlicher Ebene dazu entschieden, außerhalb des engeren, öffentlich-rechtlich geregelten Bereichs auf die privatrechtlichen Gestaltungsformen des staatlichen Rechts zur Begründung ihrer Dienstverhältnisse zurückzugreifen.202 Es findet deshalb grundsätzlich das individualrechtliche Arbeitsrecht vollumfänglich Anwendung, bei dessen Auslegung die kirchlichen Besonderheiten jedoch zu berücksichtigen und einzelne Bestimmungen gegebenenfalls einzuschränken sind. Es wird den Kirchen etwa die Möglichkeit eingeräumt, selbst zu regeln, welche Voraussetzungen ein Mitarbeiter zur Einstellung erfüllen muss. In diesem Zusammenhang führt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 04.06.1985 ausdrücklich aus: „Auch im Wege des Vertragsschlusses können daher einem kirchlichen Arbeitnehmer besondere Obliegenheiten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden. Werden solche Loyalitätspflichten in einem Arbeitsvertrag festgelegt, nimmt der kirchliche Arbeitgeber nicht nur die allgemeine Vertragsfreiheit für sich in Anspruch; er macht zugleich von seinem verfassungskräftigen Selbstbestimmungsrecht Gebrauch. Beides zusammen ermöglicht es den Kirchen erst, in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes den kirchlichen Dienst nach ihrem Selbstverständnis zu regeln und die spezifischen Obliegenheiten kirchlicher Arbeitnehmer zu umschreiben und verbindlich zu machen. Das schließt ein, daß die Kirchen der Gestaltung des kirchlichen Dienstes auch dann, wenn sie ihn auf der Grundlage von Arbeitsverträgen regeln, das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter zugrunde legen konnen (vgl. BVerfGE 53, 366 (403 f.)).“203

      Auch im kollektivarbeitsrechtlichen Bereich sind die kirchlichen Besonderheiten zu beachten und der Kirche eigene Wege offenzuhalten. Hier hat sie sich gegen die Übernahme des Tarifvertragsmodells entschieden und stattdessen den sog. „Dritten Weg“ eingeschlagen, bei dem das Leitbild der Dienstgemeinschaft bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen in den Verfahrensstrukturen einer Arbeitnehmerbeteiligung zum Ausdruck kommt.204 Zudem hat die katholische Kirche mit der Rahmen-MAVO eine eigene Mitbestimmungsordnung für den kirchlichen Bereich geschaffen.

       II.Kein Verfassungsrang des Arbeitsschutzrechts

      Spezifische Bedeutung des Arbeitsrechts ist es insgesamt, die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zwingend zu gestalten und damit einen Rahmen für die grundsätzliche Vertragsfreiheit zu geben, um soziale Gerechtigkeit in diesen Beziehungen zu verwirklichen. Zur Herstellung dieses sozialen Interessenausgleichs hat der staatliche Gesetzgeber nicht nur Arbeitsgesetze mit zwingender Wirkung geschaffen, sondern mithilfe des Arbeitsschutzrechts auch öffentlich-rechtliche Sanktionen und ein weitverzweigtes Gefahrenschutzrecht.205 Wie bereits erläutert206 entspricht der staatliche Gesetzgeber mit letzteren Regelungen dem Sozialstaatsprinzip. Dieses gibt für sich gesehen keine unmittelbaren Rechte, sondern wird stets durch staatliche Gesetze ausgefüllt.207 Das Sozialstaatsprinzip kann somit selbst den Grundrechten und damit auch dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht keine unmittelbaren Schranken ziehen.208 Im arbeitsrechtlichem Kontext hat das Sozialstaatsprinzip ebenso nur als generelle Staatszielbestimmung oder als Auslegungskriterium Bedeutung. Insbesondere erklärt es keine konkrete Arbeitsrechtsordnung, wie etwa einen bestimmten Arbeitsschutz, als verfassungsfest.209 Dem staatlichen Gesetzgeber wird also gerade nicht eine „so und nicht anders einzulösende verfassungsrechtliche Verpflichtung vorgegeben“.210 Die auf dem Sozialstaatsprinzip basierenden Vorschriften und damit auch öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzgesetze sind deshalb nicht selbst in den Verfassungsrang erhoben. Und der Gesetzgeber wird durch die Erfüllung seiner Verantwortung auch nicht zu einer beliebigen Begrenzung des Selbstbestimmungsrechts ermächtigt.211 Ein solches Gesetz setzt der Kirchenautonomie also ebenfalls nur Schranken, wenn und soweit es zu dem für alle geltenden Gesetz im Sinne des Schrankenvorbehalts des Art. 137 Abs. 3 WRV gehört.212

       III.Bindung an öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz-Vorschriften

      Der staatliche Gesetzgeber erfüllt mit den Vorschriften des Arbeitsschutzrechts die Sozialstaatsklausel des Art. 20 GG durch staatliches Gesetz und wirkt sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegen.213 Er setzt damit für das Arbeitsverhältnis insgesamt Grenzen, die unerlässlich sind, um die Voraussetzungen für eine rechtsgeschäftliche Ordnung herzustellen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen sichert die Freiheit dieser innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung.214 Denn auch gegenüber den Kirchen braucht der Staat, wie jeder anderen Rechtsordnung gegenüber, ein Schrankenziehungs- bzw. Vorbehaltsrecht.215 Wie bereits erwähnt sind die Kirchen also an die „Schranken der für alle geltenden Gesetze“ gebunden, die sich grundsätzlich in den Grundprinzipien der Rechtsordnung, dem Willkürverbot, den guten Sitten, dem „ordre public“ sowie den Arbeitsschutzgesetzen finden.216 Die Kirchen sind schließlich Teil des Staatsganzen.217 Insgesamt muss ihre kirchliche Besonderheit allerdings stets Berücksichtigung finden, so dass staatliche Gesetze zur Erfüllung des Sozialstaatsprinzips auch nur insoweit im kirchlichen Bereich Geltung erlangen,

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