Скачать книгу

wie lange warst du in Hamburg?“, fragte Jenny nach hinten.

      „Meinst du mich?“, kam es vom Rücksitz, dann tauchte Chris Kopf zwischen den Lehnen der Vordersitze auf.

      Jenny warf ihm einen kurzen Seitenblick zu und lächelte. „Ja, ich hab dich gefragt, wie lange du schon in Hamburg bist.“

      „Ich bin gestern Abend erst angekommen. Wir haben vorgestern in Holland auf einem Festival gespielt. Die anderen Jungs sind schon wieder zurück nach London geflogen.“

      Er blieb vorgerückt in der Mitte der Rückbank sitzen. „Und du hast im Krankenhaus noch ein paar Leben gerettet?“, fragte er dann und zog Jenny leicht an einer leicht gelockten Strähne.

      Das Ziehen ging ihr durch den ganzen Körper und ein albernes Lachen stieg in ihrer Kehle hoch. Sie hatte sich schon ewig nicht mehr so lebendig gefühlt. Sie konnte es kaum glauben. Sie saßen hier im Auto, fuhren in den Urlaub und führten normale Gespräche, als würde Chris immer noch zu ihrem Leben gehören. Was für ein Paralleluniversum.

      „Na ja, Gott sei Dank geht es auf unserer Kinderstation nicht oft um Leben und Tod. Blinddarm, Mandeln und diverse Infektionen – das ist das Tagesgeschäft.“

      „Wahnsinn, dass die kleine Jenny wirklich Ärztin geworden ist, was?“ wandte sich Chris an seine Stiefschwester.

      Anouk gab ein unverständliches Brummeln von sich, dann setzte sie ihre Sonnenbrille ab und drehte sich halb zu Chris um. „Ich hab dir noch gar nicht von Jennys großem Urlaubsplan erzählt“, begann sie, ohne seine Frage zu beantworten. „Du erinnerst dich doch noch an ihren Freund?“

      „Florian?“, fragte er.

      Wieder hüpfte Jennys Herz auf und ab, weil sich Chris den Namen ihres Freundes gemerkt hatte. Das würde er doch nicht wissen, wenn sie ihm total gleichgültig wäre, oder? Jetzt nicht ausflippen, ermahnte Jenny sich. Sie konzentrierte sich wieder auf Anouk. Warum fragte sie Chris, ob er sich an Florian erinnerte?

      „Genau“, bestätigte Anouk jetzt und ihr Grinsen verhieß nichts Gutes.

      „Ex-Freund“, mischte sich Jenny in das Gespräch ein. „Florian und ich haben uns vor einer Weile getrennt.“ Es war, als hinge ihr Leben davon ab, dass Chris diese Information wirklich verstand.

      „Vielleicht ja nicht mehr lange.“ Anouk drehte sich jetzt ganz nach hinten. „Jenny hat Florian abserviert, weil er ihr keinen Heiratsantrag gemacht hat. Seit Florian sich eine Neue gesucht hat, ist er auf einmal wieder hochinteressant.“

      „So ein Schwachsinn“, entfuhr es Jenny heftig. „Das habe ich nie gesagt.“

      „Das hörte sich aber vor einer Woche noch ganz anders an.“ Anouk schüttelte den Kopf. „Wir sind doch unter uns, Jenny. Chris ist Familie, der kann das doch ruhig wissen. Dann weiß er wenigstens, was Sache ist, wenn du mit ihm flirtest, um deinen Flori-Schatzi eifersüchtig zu machen.“

      Hitze schoss Jenny ins Gesicht. „Was soll das, Anni?“, fragte sie wütend. „Ich will Florian nicht zurück.“ Verdammt, warum musste Anouk nur immer so sein wie sie war. Jetzt konnte Jenny machen, was sie wollte: Chris würde denken, sie wollte nur ihren Ex-Freund zurückgewinnen.

      „Na gut, du musst es ja wissen.“ Anouk hob abwehrend die Hände, sah sie aber gleichzeitig an wie eine arme Irre. „Ich habe nichts gesagt.“

      „Warum habt ihr euch denn getrennt?“, fragte Chris und wieder war Jenny erstaunt, dass er mit ihr ein ganz normales Gespräch führte. Vielleicht hatte sie ihn in der Vergangenheit zu selten nüchtern gesehen, aber er wirkte so anders als früher. Bodenständig, geerdet. Erwachsen? Er war ja auch über dreißig.

      „Wir sind immer noch gute Freunde“, erklärte Jenny ihm. „Aber … wir haben uns auseinandergelebt.“

      „Mein Theorie dazu?“, fragte Anouk.

      „Nein“, antwortete Jenny scharf, aber ihr war klar, dass sich Anouk nicht aufhalten lassen würde.

      „Sie wollte Kinder, er noch nicht“, erklärte Anouk an Chris gewandt.

      Jetzt war Jenny wirklich sauer. Natürlich, die kleine, spießige Jennifer will heiraten. Das passte ja auch so gut ins Bild. „Und wenn es so wäre?“, fragte sie bissig. „Normale Menschen tun so etwas. Sich verlieben, heiraten, Kinder kriegen. Auch wenn ihr beide natürlich zu cool für so was seid.“

      Jetzt waren die Fronten wieder geklärt. Die coolen Kids auf der einen Seite, die Spießer auf der anderen. Jenny umklammerte das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß wurden.

      Die Stimmung im Auto hatte sich verändert. Anouk verschränkte die Beine zum Schneidersitz. „Siehst du? Du willst diesen ganzen bürgerlichen Quatsch, also hatte ich doch Recht“, sagte sie spitz. „Dann solltest du dir deinen Florian zurückholen. Einen besseren Kandidaten für dein Familienprojekt wirst du nicht auftreiben können.“

      Chris lachte leise und das zerriss Jenny das Herz. Wieder war er auf Anouks Seite. Schon immer. Bitteschön. Sollte er doch denken, dass sie hinter ihrem Ex-Freund her war. Immer noch besser, als wenn er herausfinden würde, dass er der verdammte Mann ihrer Träume war.

      „Vielleicht hast du Recht“, sagte Jenny und zwang sich zu einem Lächeln.

      „Und bei diesem Vorhaben könnte Chris dir doch ein bisschen helfen“, setzte Anouk hinzu, jetzt wieder ganz die fürsorgliche Freundin.

      „Im Gegensatz zu dem Ruf, der mir offenbar vorauseilt, bin ich kein wirklich guter Hochzeitsplaner“, scherzte Chris von hinten.

      „Ihr könnt so tun, als hättet ihr was miteinander“, erklärte Anouk ihren Plan. „Wie ich Florian kenne, hat er seine Candy in die Wüste geschickt, bevor du auch nur in die Nähe von Jennys Bett kommst.“ Sie grinste zufrieden.

      „Kessy. Sie heißt Kessy und nicht Candy“, war das Einzige, was Jenny spontan zu diesem bescheuerten Plan einfiel.

      „Tja, dafür bin ich dann natürlich bestens geeignet“, sagte Chris trocken. „Im Leute nerven bin ich ganz große Klasse.“

      „Dann ist es beschlossene Sache.“ Anouk kramte im Handschuhfach nach einer neuen CD. Offenbar war das Gespräch für sie beendet. „Operation Hochzeit kann beginnen“, setzte sie dann noch hinzu. Daraufhin brachen sie und Chris in Gelächter aus.

      Jenny musste schwer schlucken. Es war wie früher. Die beiden waren eine Front und sie war der Trottel, über den sie lachten. Doch zumindest heute gefiel ihr der Plan gar nicht mal schlecht. Oder zumindest die Aussicht mit Chris hemmungslos zu flirten.

      „Ihr spinnt doch“, sagte sie kopfschüttelnd und drehte die Musik ein bisschen lauter. „Was für eine bescheuerte Idee.“

      ***

      Für den Rest der Fahrt ließen sie das Thema Florian fallen, hörten Musik und redeten über die kommende Woche. Chris war vor Jahren zuletzt in dem Ferienhaus gewesen und schien sich wirklich auf ein paar ruhige Tage zu freuen. Jenny hätte ihm gerne tausend Fragen gestellt:

      Wie es dazu gekommen war, dass eine so bekannte Band wie die 'Sad Cowboys' ihn als Gitarristen engagiert hatte?

      Was aus seiner eigenen Band und seinen eigenen Songs geworden war?

      Wie er mit den anderen Jungs klarkam?

      Wie er in London so lebte und ob er eine Freundin hatte?

      Aber sie hatte Angst, schon wieder ausgelacht zu werden. Deshalb redete sie nur noch das Nötigste und schließlich lehnte sich Chris wieder auf seinem Sitz zurück und schloss die Augen.

      Als Jenny von der Landstraße in den kleinen Waldweg einbog, der zum Haus führte, hatte sich entspanntes Schweigen ausgebreitet. Trotz der vielen ungeklärten Fragen und der ungewohnten Gegenwart von Chris war Jenny glücklich, dass sie endlich wieder hier waren.

      Das alte Bauernhaus mit dem großen Grundstück lag malerisch zwischen einem Wäldchen und ein paar Wiesen und

Скачать книгу