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erledigen, doch ein dämlicher Streit zwischen ihnen machte das Ganze nicht einfacher – im Gegenteil. Außerdem hatte der andere Recht, sie mussten sicherstellen, was mit ihr war. Es nützte nichts. Er holte Luft, zog den Reißverschlug ihrer Steppjacke auf, schob die Hand unter ihren Pullover und zog das T-Shirt aus der Hose. Dann schob er die Hand auf ihrer Haut nach oben, bis er gegen den Bügel ihres BHs stieß. Er legte die Hand zwischen ihre Brüste und konzentrierte sich einen Moment lang auf seine Handfläche.

      »Nichts«, murmelte er schließlich. »Ich denke, das war's mit ihr.« Er seufzte und zog die Hand zurück. »Verfluchte Scheiße!«

      »Gott, bitte lass' es nicht zu«, wimmerte der Blonde.

      Der Lockenkopf erhob sich. Er kaute an seinen Fingern und dachte angestrengt nach.

      »Was haben wir bloß gemacht?« Der Blonde begann zu schluchzen. »Das hätte nie passieren dürfen, Nein, nie!«

      Der Lockenkopf sah ihn an. »Nein, das hätte es nicht. Aber es ist nun mal passiert und wir können es nicht mehr ändern. Wir müssen jetzt einen klaren Kopf behalten, verstehst du? Das Wichtigste ist, dass wir die Sache unter Kontrolle behalten. Wir müssen das hier in den Griff bekommen.«

      »In den Griff bekommen? Was redest du denn da?« Der Blonde wischte sich über die Augen. »Sie ist tot wegen … uns. Da gibt es nichts mehr in den Griff zu bekommen. Wir sind voll am Arsch, verdammt!«

      Der Lockenkopf blickte zum Himmel. Der fast volle Mond schimmerte durch die löcherige Wolkenwand, doch sein Licht reichte nicht aus. Um mehr zu erkennen, mussten sie die Tote in das direkte Licht ziehen.

      Der Lockenkopf war im Begriff, sie an den Unterschenkeln zu packen, als er abrupt innehielt. Vor seinem geistigen Auge hielt er in jeder Hand eines ihrer Beine, und vor ihm lag nur noch ein Oberkörper mit Armen und einem Kopf, aus dem ihn zwei blutende Augen ansahen und ihn zu fragen schienen, weshalb denn bloß er ihr die Beine wegnahm.

      Er atmete durch, packte die Tote und zog sie in das Licht. Ihr Hinterkopf hinterließ eine Blutspur. Es fehlte nicht viel und der Lockenkopf hätte sich erbrochen. Behutsam legte er ihre Beine ab. Er warf dem Blonden einen Blick zu, sah, dass dieser das Gesicht in den Händen vergraben hatte und nicht hinschauen mochte. Dann wandte er sich wieder der Toten zu. Einen Moment lang betrachtete er sie mit einem flauen Gefühl im Magen, dann schüttelte er den Kopf – denn was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht.

      Sie war vermutlich sechszehn oder siebzehn Jahre alt. Fast noch ein Kind. Die vollen Lippen waren leicht gespitzt, ganz so, als setzte sie zu einem sanften Kuss an. Die langen Haare waren zu einem Zopf gebunden. In beiden Ohrläppchen steckten kleine Goldringe.

      »Verflucht, Mädchen«, murmelte der Lockenkopf. »Was in aller Teufels Namen hattest du ausgerechnet hier verloren? Du hättest überall auf der Welt sein können, wieso musste es unbedingt hier sein?«

      Er tastete die Taschen ihrer engsitzenden Jeans ab, doch darin steckte nichts. Anschließend zog er die Reißverschlüsse der äußeren Taschen ihrer Jacke auf und griff hinein. Aus einer Tasche zog er ein angebrochenes Päckchen Kaugummi war, und schob es zurück. Aus der anderen Tasche fischte er einen Schlüsselbund heraus.

      »Drei Schlüssel«, sagte er vor sich hin. »Alle stabil, vermutlich für Eingangstüren. Als Anhänger ein kleines Hufeisen. Das sollte ihr wohl Glück bringen, hat es aber leider nicht.« Er seufzte leicht. »Tut mir echt leid, Mädchen.«

      Er ließ den Schlüsselbund in der Brusttasche seiner Lederjacke verschwinden. Dann tastete er ihre Jacke nach Innentaschen ab, doch es gab keine. Schließlich zog er den Reißverschluss der Jacke wieder zu und dachte im gleichen Moment bei sich, dass es völlig unnütz sei, da das Mädchen sich ohnehin keine Er-kältung mehr holen würde.

      »Nichts«, sagte er dann. »Kein Ausweis, keine Monatskarte für den Verkehrsverbund oder etwas anderes mit ihrem Namen. Sie hat nicht mal ein Portemonnaie dabei.«

      »Also wissen wir nichts über sie?«

      »Nicht das Geringste.«

      Einen schweren Moment lang schwiegen beide, dann sagte der Blonde: »Wir müssen zur Polizei gehen und die Sache melden.«

      Der Lockenkopf erhob sich langsam. Er baute sich vor dem Blonden auf und sagte. »Nein, das werden wir nicht tun. Wir werden gar nichts melden. Weder jetzt, noch später.«

      Der Blonde sah ihn erstaunt an. »Wie meinst du das?«

      »Genauso, wie ich es gesagt habe. Wir werden nicht zu den Bullen gehen. Was hier geschehen ist, darf und wird niemand jemals erfahren.«

      »Was redest du denn da? Scheiße, da liegt ein totes Mädchen. Und sie ist verdammt noch mal tot wegen ... uns. Selbst-verständlich gehen wir zur Polizei.«

      Der Lockenkopf trat dicht an den Blonden heran und zischte: »Jetzt hör' mal genau zu: Für das, was geschehen ist, gibt es keine Entschuldigung. Keine! Nicht ein einziges Gericht in diesem Land wird Nachsicht mit uns haben. Für diese Sache wandern wir direkt in den Bau. Und glaub' bloß nicht, dass es nach den Jahren im Knast vorbei sein wird, von wegen zweite Chance und so. Meinst du ernsthaft, dass es anschließend niemanden mehr interessiert, was wir getan haben? Wie willst du später die Jahre im Knast erklären, Mann? Klar, du kannst sagen, dass du einige Jahre lang hinter Gittern verbracht hast, weil ein Mädchen starb, das zur falschen Zeit deinen Weg gekreuzt hat. Du kannst sagen: Was soll's, Dinge wie diese passieren ständig, weil es einfach zu viele Menschen auf der Erde gibt, für die der große Maestro dort oben im Himmel nun mal keine wirkliche Verwendung hat. Tja, er hatte das Mädchen wohl nicht auf dem Zettel.«

      Der Blonde schluckte. »Wir wollten sie nicht töten. Es war doch keine Absicht gewesen.«

      »Nein, das war es nicht, aber es ändert nichts daran, dass sie tot ist. Hör' zu Mann, wir dürfen uns wegen dieser Sache nicht alles verbauen – und genau das wird geschehen, wenn jemand von der Sache erfährt. Dann können wir einpacken, Mann – und zwar für ewig.«

      Der Blonde knetete seine Hände. Am liebsten wäre er fortgelaufen, so schnell und so weit weg wie er konnte. Das hier war schlimmer als alles, was er sich hatte vorstellen können. Es war das Grauen.

      »Diese Sache hier ist etwas anderes als wegen Betrugs oder Vandalismus einzusitzen«, sagte der Lockenkopf mit fester Stimme. »Weißt du, wo wir in der Knasthackordnung stehen werden, wir, die Mädchenmörder? Ganz unten, Mann. Ich schwöre dir, dass deine Fantasie nicht ausreicht, um dir vor-zustellen, was die anderen Knackis mit dir anstellen. Während sie dir Besenstiele in das Arschloch rammen und dich einen Schwanz nach dem nächsten lutschen lassen, werden die Wärter grinsend weggucken, weil viele von denen nämlich auch Töchter haben und dich allein schon deshalb hassen, weil es ihre Tochter hätte sein können. Und wenn du eines Tages aus dem Bau entlassen wirst, dann wirst du ein dauerarschgeficktes Wrack sein, das ungezählte Male hatte Dinge über sich ergehen lassen müssen, die man seinem ärgsten Feind nicht wünscht. Willst du das wirklich alles ertragen, Mann, wirst du das aushalten können?«

      Der Blonde schloss die Augen. Nie zuvor hatte er sich schlechter gefühlt als in diesem Moment. Alles war falsch. Egal wie es weiterging – es ging nur noch ums Verlieren.

      »Aber ich will nicht fortlaufen und mich ständig verstecken müssen«, wimmerte er.

      »Das will ich auch nicht, Mann. Scheiße, im Leben nicht! Und deshalb sage ich dir jetzt, was wir machen: Wir werden uns nicht verstecken, sondern ganz normal weiterleben. Alles bleibt wie es ist, nichts ändert sich.«

      Der Blonde sah verwundert auf. »Was sagst du da? Wie soll das denn funktionieren?«

      »Ganz einfach: Das hier ist nicht geschehen.«

      Der Blonde schluckte. »Wie meinst du das?«

      Der Lockenkopf sagte mit fester Stimme: »Wir streichen die vergangenen zehn Minuten. Es hat sie nie gegeben. Wir waren heute Nacht nicht hier, und das Mädchen ist heute Nacht nicht gestorben.«

      Der Blonde bekam kein Wort heraus. Er starrte den Lockenkopf einfach nur an.

      »Hör' zu,

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