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Mensch mir gegenüber, »hatten wir vor einiger Zeit einen Mann hier, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, ein Esel zu sein – was, wie Sie sagen werden, wohl seine Richtigkeit hatte. Er war ein beschwerlicher Kranker, und wir hatten viel zu tun, ihn zu überwachen. Lange Zeit wollte er nichts als Disteln essen; von diesem Gedanken brachten wir ihn aber dadurch ab, daß wir ihm auch keine andere Nahrung mehr gaben. Ferner schlug er immer mit den Füßen aus – so – so –«

      »Herr de Kock! Bitte, betragen Sie sich anständig!« unterbrach ihn hier eine alte Dame, die an seiner Seite saß. »Behalten Sie Ihre Füße, bitte, bei sich! Sie haben mir meinen Brokat beschmutzt. Ist es denn nötig, eine Bemerkung gleich auf solche Weise zu illustrieren? Unser Freund hier kann Sie sicher auch so begreifen. Mein Wort, Sie sind entschieden geradeso ein Esel, wie der arme Kranke zu sein wähnte. Sie benehmen sich durchaus angemessen.«

      » Mille pardons! Mamselle!« erwiderte Herr de Kock – »ich bitte tausendmal um Verzeihung! Ich wollte Sie nicht verletzen. Mamselle Laplace – Herr de Kock gibt sich die Ehre, mit Ihnen anzustoßen.«

      Herr de Kock verbeugte sich tief, küßte der Dame zeremoniös die Hand und stieß mit ihr an.

      »Erlauben Sie mir, mein Freund,« wandte sich jetzt Herr Maillard an mich – »erlauben Sie mir, Ihnen ein Stück Kalbsbraten à la St. Ménéhould anzubieten – Sie werden es sehr schmackhaft finden.«

      Gerade war es drei kräftigen Dienern gelungen, eine ungeheure Platte auf den Tisch niederzustellen, die nach meiner Ansicht ein » monstrum horrendum, informe, ingens, cui lumen ademptum« enthielt. Näheres Zusehen zeigte mir allerdings, daß es nur ein im ganzen gebratenes kleines Kalb war, das man auf die Knie gesetzt und dem man einen Apfel ins Maul gesteckt hatte, ähnlich wie man in England einen Hasen serviert.

      »Danke, nein,« erwiderte ich; »ich muß gestehen, ich bin eigentlich kein Liebhaber von Kalb à la Sainte – wie war's doch gleich? – Es ist nicht so recht nach meinem Geschmack. Ich möchte aber den Teller wechseln und ein Stück von dem Kaninchen dort versuchen.«

      Einige kleinere Platten, die auf dem Tische standen, schienen mir nämlich Kaninchenbraten zu enthalten – ein ganz prächtiges Fleisch, das ich nur empfehlen kann.

      »Pierre,« rief der Wirt, »gib dem Herrn einen anderen Teller und ein Mittelstück dieses Kaninchens au-chat

      »Dieses was?«

      »Dieses Kaninchens au-chat

      »Ach, nein, danke – ich habe mir's überlegt. Ich will mir doch lieber etwas Schinken nehmen.«

      Man weiß doch, nie, was man von diesen Provinzlern vorgesetzt bekommt, dachte ich bei mir selber. Ich mag nichts von ihrem Kaninchen au-chat und ebensowenig von ihrem Katzen-Kaninchen.

      »Und dann,« nahm am unteren Ende der Tafel ein leichenblasser Mensch den Faden der Unterhaltung wieder auf, – »und dann hatten wir neben andern Tollheiten auch einen Patienten, der eigensinnig dabei blieb, er sei ein Kordova-Käse, und der mit einem Messer in der Hand herumlief und die andern bat, eine schöne Scheibe aus der Mitte seines Beins zu versuchen.«

      »Er war unbedingt ein großer Narr,« fiel irgendeiner ein, »immerhin aber nicht zu vergleichen mit einem gewissen Jemand, den wir alle kennen – mit Ausnahme dieses fremden Herrn natürlich. Ich meine den Mann, der sich für eine Sektflasche hielt und immer knallte und sprudelte, nämlich so...«

      Hier steckte der Sprecher höchst unziemlich den Daumen in den Mund, klemmte ihn gegen die rechte Backe und machte damit ein knallendes Geräusch, ähnlich dem eines springenden Pfropfens, dann ließ er die Zunge zwischen den Zähnen vibrieren, was einen zischenden, sprudelnden Laut hervorbrachte, wie eine aufschäumende Sektflasche.

      Ich sah, daß dies Benehmen Herrn Maillard nicht sehr gefiel; er sagte aber nichts, und die Unterhaltung wurde durch ein kümmerliches Männchen mit einer großen Perücke weitergeführt.

      »Da war auch ein Dummkopf,« sagte er, »der hielt sich für einen Frosch; dem er übrigens gar nicht so unähnlich war. Ich wollte, Sie hätten ihn sehen können, Herr,« – wandte sich der Sprecher an mich – »es hätte Sie wirklich erquickt, zu sehen, wie natürlich er sich benahm. Herr, wenn der Mensch kein Frosch war, so kann ich nur sagen, daß es zu bedauern ist, daß er keiner war. Sein Gequake – so: kroax ... kroax! – war das schönste von der Welt – B-Moll! Und wenn er ein oder zwei Glas Wein getrunken hatte und dann die Ellbogen auf den Tisch stützte – so – und den Mund aufriß – so – und mit den Augen rollte – so – und ganz schnell mit den Lidern zwinkerte – so – nun, mein Herr, ich stehe dafür ein, Sie wären ganz Bewunderung für diesen Mann gewesen.«

      »Ich zweifle nicht daran«, sagte ich.

      »Und dann,« sagte jemand anders, »dann war da Petit Gaillard, der sich für eine Prise Schnupftabak hielt und ganz verzweifelt war, weil er sich nicht selbst zwischen Daumen und Zeigefinger nehmen konnte.«

      »Und da war auch Jules Desoulières, wirklich ein eigenartiger Geist, der den verrückten Gedanken hatte, ein Kürbis zu sein. Er verfolgte den Koch mit dem Anliegen, einen Pudding aus ihm zu machen – was der Koch entrüstet ablehnte. Ich meinesteils zweifle keineswegs, daß ein Kürbispudding à la Desoulières ein vorzügliches Gericht gewesen wäre!«

      »Sie setzen mich in Erstaunen!« sagte ich; und ich blickte fragend auf Herrn Maillard.

      »Ha, ha, ha!« lachte dieser – »He, he, he! – Hi, hi, hi! – Ho, ho, ho! – Hu, hu, hu! – Sehr gut, sehr gut! Sie dürfen nicht erstaunt sein, mon ami! Unser Freund hier ist ein Witzbold – ein Spaßmacher – Sie dürfen ihn nicht wörtlich nehmen.«

      »Und dann«, sagte ein anderer aus dem Kreise, »hatten wir Bouffon le Grand – in seiner Weise auch ein sehr origineller Mensch. Er war aus unglücklicher Liebe verrückt geworden und bildete sich nun ein, zwei Köpfe zu haben. Einen davon hielt er für den Kopf des Cicero; der andere war zusammengesetzt: von der Stirn bis zum Mund Demosthenes und vom Mund bis zum Kinn Lord Brougham. Vielleicht irrte er sich, aber er hätte Sie davon überzeugt, daß er im Rechte sei; denn er war ein Mann von großer Rednergabe. Er hatte eine Leidenschaft für das Reden und stellte sich gern zur Schau. Er sprang zum Beispiel auf den Speisetisch – so – und...«

      Hier legte einer, der an seiner Seite saß, ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm etwas ins Ohr, worauf er ganz plötzlich schwieg und in seinen Stuhl zurücksank.

      »Ferner,« sagte der, der geflüstert hatte, »war da Boullard, der Kreisel. Ich sage Kreisel, weil er die seltsame, aber gar nicht so unvernünftige Grille hatte, in einen Kreisel verwandelt worden zu sein. Sie hätten gebrüllt vor Lachen, wenn Sie ihm zugesehen hätten. Er drehte sich wohl eine Stunde lang auf einem Bein, in dieser Weise – so –«

      Hier fiel ihm der, den er vorhin zurechtgewiesen hatte, im gleichen Flüsterton in die Rede.

      »Ach,« kreischte eine alte Dame, »Ihr Herr Boullard war eben verrückt – dumm und verrückt! Denn bitte, wer hätte jemals von einem menschlichen Kreisel gehört? Das ist absurd. Da war Frau Joyeuse, wie Sie wissen, eine vernünftigere Person. Sie hatte auch ihre Grille, aber es war eine sinnvolle Grille und unterhaltend für alle, die die Ehre hatten, mit ihr bekannt zu sein. Sie fand nach reiflicher Überlegung, daß sie durch irgendeinen Unfall in einen Hahn verwandelt worden war; und als solcher benahm sie sich mit Anstand. Es war bewunderungswürdig, wie sie mit den Flügeln schlug – so – so – so –, und ihr Krähen war einfach entzückend! Ki–ke–riki! – Ki–ke–ri–kiii! – Ki– ke–ri–ki–i–i–i–i!«

      »Frau Joyeuse,« fiel unser Wirt hier ärgerlich ein, »benehmen Sie sich anständig, wie es einer Dame zukommt, oder Sie müssen vom Tisch fernbleiben. – Wählen Sie!«

      Die Dame (wie erstaunte ich, daß sie anscheinend selber die so launig beschriebene Frau Joyeuse war) errötete bis zu den Haarwurzeln und schien von der Zurechtweisung empfindlich getroffen. Sie ließ den Kopf hängen und entgegnete kein Wort. Aber eine andere, jüngere Dame setzte die Unterhaltung fort. Es war mein schönes Mädchen

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