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Die Tugend von Tokyo. Götz T. Heinrich
Читать онлайн.Название Die Tugend von Tokyo
Год выпуска 0
isbn 9783844227055
Автор произведения Götz T. Heinrich
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
"Meine Herren", sagte er mit ernster Stimme, "ich bin Polizeiinspektor Toritaka, und der Herr dort hinten ist Assistenzinspektor Kakiden. Wir kommen vom Dezernat Öffentliche Sicherheit, und die Damen und Herren, welche sich in der Bahn an sie gewandt haben, unterstehen ebenfalls unserer Abteilung. Ich darf ihnen mitteilen, dass sie wegen Verstößen gegen die sittliche Ordnung vorläufig festgenommen sind."
"Das soll wohl ein Scherz sein", erboste sich einer der Festgenommenen, ein hochgewachsener, graumelierter Herr in einem teuren Straßenanzug und mit einer großen, goldumrandeten Brille. "Ich bin mir keines Vergehens bewusst! Darf ich erfahren, wieso man mich verhaftet?"
Inspektor Toritaka klappte seinen Ausweis zu und verstaute ihn zackig in seiner Manteltasche. "Sie sind nicht verhaftet", sagte er ruhig, "sondern vorläufig festgenommen. Es liegt keine Anklage gegen sie vor, aber es besteht der hinreichende Verdacht, dass sie sich der Körperverletzung und Nötigung schuldig gemacht haben."
Der graumelierte Herr wuchs förmlich noch ein paar Zentimeter vor Zorn. "Körperverletzung und Nötigung?! Das ist... das ist ja Willkür! Mein Anwalt wird sie..."
"Beamtin Gorei", unterbrach ihn der Inspektor und nickte der Polizistin zu, die hinter dem Geschäftsmann stand, "wenn sie so freundlich wären, ihre Beobachtung mitzuteilen?"
"Sehr wohl, Inspektor", nickte die junge Frau. "Um etwa achtzehn Uhr neunundvierzig konnte ich als Zeugin beobachten, wie dieser Herr hier sich in der U-Bahn einer weiblichen Person näherte, Mitte Zwanzig, schwarzes Haar, etwa einsachtundsechzig groß. Die Person war gerade eingestiegen und wurde weiter in die Mitte der Bahn gedrängt. Von der rechten Seite schob sich der Herr hier auf sie zu, presste seinen Unterleib gegen ihre Hüfte und begann, seinen Genitalbereich an ihrem Rock zu reiben. Nach einigen Sekunden sah er sich um, öffnete seine Hose und zog sein Geschlechtsteil heraus, das er dann ebenfalls an der Hüfte der weiblichen Person rieb. Als ich hinzukam und ihn ansprach, bemühte er sich nicht einmal, sich wieder anzukleiden, und erst nachdem ich mich als Polizistin offenbart hatte, brachte er seine Hose wieder in Ordnung."
Der Kopf des graumelierten Mannes war bei diesem Bericht allmählich puterrot geworden. "Unerhört", presste er hervor. "Ich habe nichts dergleichen getan! Diese... diese Frau da lügt, und sie haben keinen Zeugen für die Tat."
Toritaka starrte ihn unbewegt an. "Diese Frau dort, Polizistin Gorei, ist die Zeugin", erklärte er kalt. "Die Anklage gegen sie wird von der Person erhoben werden, die sie belästigt haben."
"Und wer soll das sein?" verlangte der Mann zu wissen. "Ich verlange, dass sie mir die Personalien geben, damit mein Anwalt..."
"Die Personalien dürften in diesen Minuten festgestellt werden", unterbrach der Inspektor ihn wieder, "und zwar von den anderen Beamten im Zug. Diejenigen, die sich ihnen und den anderen Herren nicht vorgestellt haben. Wie ich sagte, sie sind vorläufig festgenommen, damit wir erst einmal ihre Personalien aufnehmen können. Ich hoffe, sie alle hier können sich ausweisen?"
"Ich werde mich nicht ausweisen", fuhr der ältere Herr Toritaka an. "Ich lasse mich nicht einfach so aus der U-Bahn heraus verhaften, ohne dass es auch nur eine Anzeige gegen mich gibt! Ich habe nichts getan, was unsittlich gewesen wäre. Die Frau, die ich angeblich belästigt haben soll... wenn ich der wirklich etwas angetan habe, wieso hat sie mich nicht gleich an Ort und Stelle..."
In diesem Moment erhob sich ruckartig der fast kahle Mann von seinem Hocker, den Toritaka als Assistenzinspektor Kakiden vorgestellt hatte und trat einen Schritt auf den Herrn zu, der erschrocken verstummte. "Sie sagen also", fragte Kakiden freundlich nach, "sie möchten ihre Personalien hier nicht feststellen lassen?"
Der graumelierte Mann zögerte einen Moment, dann nickte er. "Ich will nicht wie ein Krimineller behandelt werden, obwohl ich nichts..."
"Ausgezeichnet", unterbrach ihn der Assistenzinspektor mit eisigem Lächeln. "Ich verhafte sie wegen Widerstands gegen Beamte der Öffentlichen Sicherheit. Gorei-san - festnehmen!"
"Wa..." konnte der Mann noch sagen, ehe ihm die Polizistin in seinem Rücken einen Arm auf den Rücken drehte und ihn mit Wucht gegen die Wand des Koban stieß, um ihm Handfesseln anzulegen."
Unter den entsetzten Schreien des älteren Mannes sah Kakiden über die Reihe der anderen Festgenommenen. "Noch jemand, der sich nicht ausweisen will?" fragte er. Es war nicht überraschend, dass sich niemand meldete. "Gut", nickte der Assistenzinspektor und sah zu seinem Vorgesetzten hinüber. "Sind sie einverstanden, wenn wir den Rest der Personalienfeststellung unseren Beamten hier überlassen?"
Toritaka nickte. "Einverstanden", sagte er und wandte sich an den ranghöchsten Polizisten unter den U-Bahn-Ermittlern, einen älteren Beamten im Rang eines Sergeanten. "Die Leute sollen hier am Koban Ausweiskopien erstellen und den Festgenommenen die Möglichkeit geben, der Strafanzeige mit einem eigenen Geständnis zuvorzukommen. Wer sich nicht ausweisen kann, zur Feststellung aufs Revier Shinjuku. Alles verstanden?"
"Vollkommen, Inspektor." Der Sergeant salutierte. "Die paar Leute behalten wir schon unter Kontrolle."
"Ausgezeichnet", lobte ihn Toritaka und blickte dann zu seinem Assistenzinspektor. "Kakiden-san, wir gehen."
"Manchmal verstehe ich sie wirklich nicht, Toritaka-san", meinte der ältere Polizist zu seinem Vorgesetzten, als die beiden ein Stück außer Hörweite waren. "Sie haben Superintendent Asashi drei Wochen lang mit diesem U-Bahn-Einsatz in den Ohren gelegen, haben fünfzehn Mann nur für diesen einen Abend zur Verfügung gestellt bekommen, und das alles nur für acht harmlose Grabscher?"
Inspektor Toritaka sah Kakiden nicht an. "Wissen sie", fragte er, "was ich den Leuten von unserem Einsatzkommando gesagt habe, ehe ich sie losgeschickt habe?"
Der kahlköpfige Polizeioffizier zuckte mit den Schultern. "dass sie kein Aufsehen erregen sollen?" schlug er vor.
"Nein." Toritaka starrte auf die Treppenstufen, die er hinaufmarschierte. "Jeder, der nicht mit mindestens einem Delinquenten aus dem Wagen kommt, muss zur Strafe zwei Stunden Drilltraining auf der Akademie absolvieren."
"Was?!" Kakiden sah verblüfft zur Seite. "Aber... das wäre doch ziemlich ungerecht gewesen, denke ich. Was, wenn in den Wagen jetzt gar nicht so viele Fummler gewesen wären?"
Der Inspektor seufzte. "Es sind immer so viele", sagte er. "Tag für Tag, Stunde für Stunde, und in den Stoßzeiten werden es noch mehr. Und warum sind es so viele? Weil niemand auf sie achtet. Niemand! Man weiß, dass es sie gibt, aber man übersieht sie nur zu gerne. Und wenn ich unseren Leuten nicht Strafe angedroht hätte, dann hätten auch sie nichts gesehen."
Unwillig neigte Kakiden den Kopf hin und her. "Darf ich offen sein, Toritaka-san?"
"Gerne doch."
"Ich glaube nicht", erklärte der Assistenzinspektor, "dass in den U-Bahnen viele strafwürdige Sachen passieren. Der Trottel von eben war doch ein Einzelfall. Vielleicht kommt gelegentlich wirklich mal ein Mann einer Frau zu nahe, aber so voll wie es da ist, lässt sich das doch kaum vermeiden, bei dieser Enge..."
Inspektor Toritaka blickte ihn an. "Glauben sie?"
"Absolut."
"Dann möchte ich ihnen etwas erklären", sagte der Polizeioffizier und blieb stehen, so dass die Menschenmenge um ihn und seinen Kollegen herumbrandete. "Seit ich vor fünfzehn Jahren in die Metropolitan Police eingetreten bin, hatten wir immer mal wieder schwankende, aber an sich leicht rückläufige Zahlen von angezeigten Verbrechen und Vergehen. Über die ganze Zeit aber ist eine Zahl besonders stark gesunken, und das war die Zahl angezeigter Sittlichkeitsvergehen. Können sie sich denken, wieso?"
Amüsiert schmunzelte Kakiden. "Die Straßen werden langsam sicherer", sagte er. "So einfach ist das."
Inspektor Toritaka schüttelte den Kopf. "So einfach ist es eben nicht", widersprach er. "Wenn man sich die Fälle, die zur Anzeige kommen, einmal ansieht, dann merkt man, dass ein immer größerer Teil davon schwere Vergehen und Verbrechen gegen die Sittlichkeit sind. Wir haben insgesamt weniger Anzeigen als noch vor fünfzehn Jahren, aber beispielsweise die Zahl von lebensbedrohenden