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y Señora, entran por favor.“ Willkommen, werter Herr, werte Dame, treten Sie ein. Ohne weiter nachzudenken, folgen wir dieser Einladung. Eine hohe Säulenhalle empfängt uns mit Händels Halleluja und hundert brennenden Kerzen. Dunkeldämmrig schön. Rose ergreift meine Hand. Im hellen Marmorkamin flackern Flammen. Die Messingschale in der Glut verströmt Weihrauchduft. Blütenberge, Obstberge auf allen Vorsprüngen. Orangen, Zitronen, Aprikosen, Bananen mit zweifarbigen Organzaschleifen. Natur in Festtagskleidern.

      Es duftet stärker nach Weihrauch. Auf der geschwungenen Innentreppe schreitet ein Afghane herab. Einer jener edlen Hunde mit langem Haar, die man sich nicht traut anzufassen. Der hier ist silberblond. Rose sieht ihn prüfend an, wenn ich es in der Dämmerung richtig deute. Wendet sich mir wieder zu: „Eleganter Kerl, aber mein Bonny ist mir lieber.

      Den kann ich knautschen und knubbeln, ohne daß er die Fasson verliert. Afghanen müssen jeden Tag frisiert werden. Sonst sind sie nicht mehr vornehm.“ Rose hat einen Basset, nennt ihn Bonny. Ich mag ihn mittlerweile auch. Inzwischen erklingt weihnachtliche Musik. Wir finden einen Platz. An den niedrigen Tischen der neu eröffneten Bar versammelt sich Palmas reifere Jugend. Wie es den Anschein hat. Elegant. Elegant.

      Dunkel gekleidete Menschen mit hellen Gesichtern. „Feliz Navidad“ hören wir da und dort. Man trinkt Champagner. Redet, lacht, gestikuliert. Sörgelt mit spiraligroten Röhrchen grünes Zeug aus bauchigen Gläsern. In denen Orangenscheiben schaukeln, als wären sie beschwipst. In silbernen Schalen, Bechern auf den niedrigen Tischen Nüsse, kandierte Früchte, Salzgebäck.

      Der ganze Raum ist ein duftender Farbkasten. Im hohen Gewölbe gurren weiße Tauben. Selbstzufrieden. Und wir mittendrin. Unterhalten uns über Dinge, die uns bisher noch nicht beschäftigten. Mode, Schmuck, Reiterei. Die Zeit vergeht wie im Flug. Ein Uhr. Oh je! Mitternachtsmette verpasst.

      Die folgende Woche sieht uns wieder in Palma. Baños Àrabs, die arabischen Bäder, Galerie Blau und dann endlich auch die Kathedrale auf unserem Fahrplan. Im zehnten Jahrhundert errichteten die Mauren mehrere Bäder. Reinlichkeit war ihnen heilig. Ist es heute noch. Eines in der Nähe der Kathedrale. Wenige, leise vor sich hindämmernde Mauerreste. Nur das Caldarium, Dampfbad, zeigt uns ein schönes Detail. In der erhaltenen Kuppel lassen sternförmige Öffnungen die Sonne herein. Licht und Stimmung.

      „Dampfbäder mochte ich noch nie, da krieg´ ich keine Luft“ sagt Rose. Sehe sie nackt in einer Dampfwolke. Verdränge das Bild sofort. Traumbild bleibt ein Traumbild.

      Rose steht vor mir. Leibhaftig. In Jeans und einer dünnen Baumwollbluse. Ich umfasse ihre Hüften, ziehe sie an mich. Sie küsst mich. Inzwischen hat Mittagshitze die Steine aufgeheizt, daß ihre Nähe weh tut. Wir flüchten in den Schatten der Häuser. Suchen die Galerie Blau. Straße verloren. Pech gehabt.

      Wieder klettern wir die dreimal eckig gewendelte Steintreppe hinauf. Zur Kathedrale. Heute von der Stadtseite. Es ist Nachmittag geworden und nur wenig Leute zu sehen. Ein dunkel gekleideter Mann an einem kleinen Tisch vor dem Seiteneingang. Er hält uns die Tickets entgegen, ohne die wir nicht hinein dürfen. Gotteshäuser sind heute in erster Linie Attraktion für Touristen. Wegen ihrer großartigen Gestalt. Hoch gelobter Kunstwerke. Und ihrer meist wechselvollen Baugeschichte.

      Erwartungsvoll betreten wir den dunklen Raum. In der Ferne glimmt ein rotes Licht. Weihrauch in der Luft. Ausgelöschte Kerzen. Ein letzter Ton der Orgel. Will nieder knien aus alter Gewohnheit. Plötzlich ist Sonntag. Mir geht’s wie Martin Walser. Er schreibt: „Ich hänge am Sonntag wie an einer Melodie – finde keine bessere – Ich glaube nicht, aber ich knie.“ Nicht lange, unsere Augen gewöhnen sich an die Dämmerung und alles wird heller.

      Nicht so hell wie im Kölner Dom mit seinen ungewöhnlich großen Fenstern. Aber so hell, daß wir den Raum in seiner Dimension erfassen können. Die Altäre, die Stühle, ordentlich gereiht und gerichtet in Richtung Hauptaltar. Nebenaltäre mit dunklen Bildern, Marmorne Denkmale für Verdienstvolle. Ich sehe hinauf ins Gewölbe. Ein riesiger vielarmiger Leuchter mit brennenden Kerzenbirnen fällt mir sofort auf. Ich zähle sie. Es sind zwölf. Die Zahl der Apostel?

      Mein Blick klebt daran wie an einem Fliegenfänger. Der Leuchter beginnt sich zu bewegen. Das eiserne Monstrum schwingt hin und her. Nicht viel, aber es schwingt. Rose fällt es auch auf, als sie hinauf sieht. Je länger ich hinauf blicke, immer noch schwingt das Ding. Wir haben doch heute noch nichts getrunken? Später wird uns klar, wer angestrengt längere Zeit nach oben blickt, verliert das Gleichgewicht. Es schwankt – der Mensch.

      Höre hinter mir ein Geräusch. Rose hat einen Stuhl umgedreht, setzt sich und starrt wie gebannt auf die Rosette in der Westwand. Sie soll die größte gotische der Welt sein. Heute weiß man, Chartres und Notre Dame sind größer. Um wenige Zentimeter. Ich stelle mich hinter Rose, beide Hände auf die Stuhllehne gestützt. Spüre am Handrücken den weichen Stoff ihrer dünnen, weißen Bluse. Die warme Haut darunter. Sehe oben das Farbenrund.

      Im geometrisch gleichmäßig rundum gegliederten Zwölfmeterfenster viele, viele kleine kreisrunde Scheiben. Und Tropfen, die zu Margueritenblüten gerundet sind. Oder die Räume zwischen aneinander stossenden Scheiben füllen. Blau, gelb, grün und rot. Abstraktes, bilderloses Blau, Gelb, Grün und Rot. Könnte von Miro sein. Ist es aber nicht. Die späte Sonne schickt ihr letztes Licht durch das Farbenmuster. Es kommt uns so mallorquinisch vor wie alles auf dieser Insel. Minimalistisch. Maximal.

      Ganz langsam verlassen wir den Raum. In Kopf und Bauch das brennende Licht der Rosette. Eigentlich müsste man Rose sagen statt Rosette. Rose ist größer als Rosette. Gott hat gewollt, dass ich meine Rose größer sehe als die aus farbigem Glas. Muchas gracias, mi dio. Vielen Dank, mein Gott.

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