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Zwei, manche drei Etagen. Wenige mit kleinem Balkon. Einen Fuß breit mit Gitter und Blumenkasten. Die meisten Fassaden aus Feldsteinen gemauert, größeren, kleineren. Wetterfest ohne Anstrich. Nur die Fensterumrandungen zeigen sich frisch geweißt. Grün oder blau lackiert die Läden.

      Neben der Haustür eine Bank. Oleander im Tontopf. Eine Palme. Noch ist die Sonne nicht da. Eine Tür steht offen. Wir werfen einen Blick hinein. Ein Gefühl flammt auf, Intimes zu verletzen. Sehen durch ein dunkles Zimmer in einen begrünten Innenhof. Der Architekt in mir freut sich. Eine abuela, Oma, schält Kartoffeln. Spricht mit einem kleinen schwarzhaarigen Mädchen, das ihr aufmerksam zuhört. Sie bemerken uns nicht.

      In solchen Häusern sind Generationen daheim. Junge und mit den Häusern alt gewordene. Sie leben ihr ganz normales Leben. Im Gegensatz zum Polizeigebäude. Dort verbringen zwei Polizisten acht Stunden damit, die Mitmenschen von ihrer Wichtigkeit zu überzeugen. Bis sie pensioniert sind und gehen. Das Gebäude ist eine leere Hülle. Polizisten zeugen keine Polizisten, die es erben.

      Das dritte Haus rechts sieht aus wie die anderen. Flüchtig betrachtet. Zwei Etagen, kein Balkon. Über der schmalen Tür ein Blechschild. „Comestibles Maria“. Schmucklos schwarz auf weiß. In vielen sonnigen Sommern verblasst. Kündigt nichts an, was außergewöhnlich ist. Oder Alles.

      „Dann schaun wir mal“, sagt Rose. Ihre Augen blitzen vor Neugier. Der bodenlange Fadenvorhang in der Tür klinkert hell, als wir hindurchgehen. Schwenkt sofort wieder zurück in die Ausgangslage. Die aufgeschnürten kleinen Kugeln und Röhrchen aus bunter Keramik sind schwer. Heute brauchen wir sechs Eier, Butter, Mehl, eine Wurst, die man hier Sobrasada nennt. Käse, eine Packung Tempotücher. Und ein Sieb. Kartoffeln nicht vergessen. „Mariiia!“ Sehen uns um. Alles vollgestopft. „Mariiiiaa.“

      Wir hören, Maria werkelt in ihrer Küche und will gerufen werden. Kommt, reibt sich die Hände an der Blümchenschürze trocken. „Mucho frio!“ ruft sie zweimal. Schlägt die Arme umeinander. „Mucho frio!“ Kalt ist es heute. Dreht sich um, schnappt eine Flasche, die immer am selben Platz zu stehen scheint. Holt sich ebenso bereit stehende Gläser. Gießt sie voll bis an den Rand. Schiebt zwei von ihnen zu uns herüber: „Salud!“

      Bevor wir fragen können, was sie uns eingegossen hat, war ihres schon ausgetrunken. Gießt nach. „Salud!“ Wir schnuppern am Glas und nippen es langsam leer. Es ist Kognak, frühmorgens und ein Tag nach Dreikönige. Achtzehn Grad.

      Marias Comestibles führt nicht nur Lebensmittel, wie der Name sagt. Der Kramladen hat alles, was ein Kramladen haben muss, wenn er diesen Namen verdient. Überall in der Welt. Wir haben nicht gezählt, sondern immer alles bekommen, was wir gerade brauchten. Das am Morgen geschlachtete Huhn, eine Tafel Lindschokolade, Zahnpasta, ein Stück Schlauch mit Anschluss, Ameisenvernichtungsmittel. Einen schönen neuen Einkaufskorb, Olivenholzbesteck und zwei blaugelbe Schälchen. Zum Spanischüben die Tageszeitung. Ich könnte das ganze diccionario herunterbeten, Maria hat alles.

      Findet jedes auf Anhieb. Klettert auf die Leiter, langt mit einer Art Haken am Stiel nach diesem und jenem. Alle Artikel des Vollsortiments bis unter die Decke gestapelt. An Stangen gehängt, in Regalen verstaut. Ihre Methode optimaler Raumausnutzung. Besen, Bürsten, Kerzen, Leitern, Sicherheitsnadeln. Hühner, Würste, Kekse, Kochtöpfe, Pfannen, Muttergottesbilder, Andachtsbücher. Zeitungen. Rätselhefte, Körpercreme. Frisch gelegte Eier vorsichtshalber im flachen Korb auf der Theke. Neben der uralten Bizerbawaage mit Messingschale und gusseisernen Gewichten. Die kommt uns irgendwie bekannt vor. Erinnert an Kindheit und Einkaufen mit Mama.

       „seit ich dich liebe – fallen die Blätter langsamer von den Bäumen – ziehen die Wolken vorbei – hält sich der Sommer eine Ewigkeit“

Kathedrale

      Catedral la Seu.

      Früh fertig mit Frühstück und Aufräumen. Wollen nach Palma fahren. Der Seat hatte in der Nacht genug Zeit, sich von den gestrigen Strapazen zu erholen, Zylinder und Kolben zu kühlen. Heute braucht er uns nur bis in die Garage unter dem „Parc de mar“ vor der Kathedrale zu bringen. Im Straßengewirr hätte er uns nur Ärger gemacht.

      Wir hatten gut geschlafen, Rose von Körben geträumt, die wir gestern auf dem Markt von Artà sahen. Aus Fasern der Zwergpalmen geflochten, die rings um die Stadt in grossen Plantagen wachsen. Ausschließlich für die traditionelle Herstellung von Körben, Taschen und Hüten. Rose traf nicht der Blitz. Mein Portomonaie blieb verschont.

      Schon von weitem kommt uns die sonnenhelle Fassade von La Seu entgegen. Wird grösser. Mächtig. Acht obenkantige Strebepfeiler, auf jedem eine zu kurz geratene Fiale. Dazwischen wie nebensächlich, nur stückweise sichtbar, Bögen, Masswerk und vielerlei Undefinierbares. Es fehlt der gewohnte große Turm. Das steinerne Ganze aber wirkt wie ein Stück. Ein rosafarbener Himmelskörper in der Morgensonne. Nachts haucht die Beleuchtung kühles Blau darüber. Wir tippeln die dreimal eckig gewendelte Steintreppe hinauf. Vorbei an Palmen, Palmen. Bleiben am Palau de la Almudaina stehen. Im Innenhof des Königspalastes Wachablösung. Die maurischen Einflüsse sind unübersehbar. Oleanderbüsche dazwischen vermitteln zwischen Islam und Christentum, ohne es zu wollen.

      Wir drehen uns wieder herum zur Kathedrale. Riesig baut sich die schattige Westwand vor uns auf. Dunkelrosaduft zerbröselndes Steingebirge. Wir gehen nah beieinander. Roses sonnengelbes Kleid weht ein Windstoß gegen mein nacktes Bein. Es ist, als berühre mich der Flügel eines Engels. „Lieber Gott ich danke dir“, flüstere ich. „Danke für Rose“. Rose hört es nicht.

      Wir gehen weiter an der Mauer entlang, die uns endlos vorkommt. Kein Wunder, das Kirchenschiff ist dreiundfünfzig Meter breit. Einen Eingang sehen wir nicht. Das Haus Gottes zugemauert? Wo ist der Feind?

      Einige Schritte weiter, wir stehen in einer Art Hof. Rechts vor dem Seiteneingang der Kathedrale sich drängelndes Menschenknäuel. „Sollen wir? Wollen wir? Müssen wir? „Nein“, sagt Rose. Und ich folge ihren entschlossenen Schritten in Richtung Stadtausgang. Wieder dreimal eckig gewendelte Steintreppe hinunter. Hinunter. Tap, tap, tap. Vorbei an Antikläden. Modeläden. Andenkenläden. Blumengeschäft.

      „Halt!“ Bremse mich, gehe ins gläserne Blumenviereck. Kaufe eine lachsfarbene Rose und halte sie meiner Rose unter die überraschte Nase. „Oh, lieb von Dir mein Süßer, danke, danke.“ Süßer sagte sie noch nie zu mir. Muss ein Überbleibsel früherer Reitergepflogenheiten sein. Mir fällt Wencke Myhre ein: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehen“. Die Alliteration ist Absicht. Nico besitzt ein Boot. Ich werde ihn fragen. Die Kathedrale heute kein Thema mehr.

      Im Jahr darauf. Weihnachten. Die feierliche Christmette in La Seu sollte der Höhepunkt unseres ersten gemeinsamen Weihnachten sein. Vorher wollen wir weihnachtlich essen. Finden in der Altstadt ein Restaurant, das uns sofort sympathisch ist. Die Speisekarte offeriert frischen Hummer. Freixenet macht uns munter, Hummer, Brot und Salate satt. Was nun?

      Noch haben wir zwei Stunden Zeit bis zum Beginn der Mitternachtsmette. Die Uhr der Kathedrale schlägt zehn. Wir bummeln durch die alte Stadt. Klettern in einer engen Gasse über eine Treppe auf die höher gelegene. Lauter graugelbes Gestein. Ein, zwei erleuchtete Fenster. Vereinzelt Musik. Geruch von ölgebackenem Süß.

      Unten, nicht weit vom Passeig des Born bleiben wir stehen. Vor hinreißend schönen Jugendstilfassaden. Marmorglattem, rosafarbenem Stuck-Antico. An sprudelnden Brunnen. Zwei Ecken weiter an den hell erleuchteten Räumen der Galerie Blau. „Blau“ kennen wir doch. Der Allerweltskerl ist jetzt auch in Palma? In seiner Düsseldorfer Galerie kauften wir den Terrakottafisch von Marina Romanowskaja. Einer russischen Künstlerin, die vor dem Gesinnungsterror des Systems flüchtete. Schade, dass Weihnachten ist. Hätten gern mit Blau geplaudert. Wo steckt Marina? Wollen es später tun. Die Uhr schlägt einen hellen Ton an. Viertelnachzehn.

Weihnachtliche Straße

      Die enge Straße erweitert sich. Gibt Platanen Raum, den sie brauchen. Auch wenn sie jetzt weniger Blätter haben. Dafür machen

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