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daß ihrer Pflege eine besondere Sorgfalt gewidmet wird. Ich habe ein Studium darauf verwendet, zu ergründen, wie das weltliche Gefühl des Stolzes und des Hochmuts am besten in ihnen zu ersticken ist. Und vor wenigen Tagen erst hatte ich eine angenehme Probe meiner Erfolge. Meine zweite Tochter, Auguste, ging mit ihrer Mama, um die Schule zu besuchen und bei ihrer Rückkehr rief sie aus: »O mein teurer Papa, wie ruhig und einfach all die Mädchen in Lowood aussehen! Mit ihrem Haar, das glatt hinter die Ohren gestrichen ist und ihren langen Schürzen und den kleinen Taschen, welche sie über ihren Kleidern tragen – sie sehen beinahe aus, wie die Kinder armer Leute! und,« fuhr sie fort, »sie starrten Mamas und mein Kleid an, als ob sie in ihrem ganzen Leben noch kein seidenes Kleid gesehen hätten.«

      »Das ist eine Einrichtung der Dinge, welche meinen ungeteilten Beifall hat,« erwiderte Mrs. Reed, »wenn ich ganz England durchsucht hätte, so würde ich kein System gefunden haben, das für ein Kind, wie Jane Eyre es ist, so vollkommen gepaßt haben würde. Konsequenz und Festigkeit, mein lieber Mr. Brocklehurst, ich befürworte Konsequenz in allen Dingen!«

      »Konsequenz, Madame, ist die erste der christlichen Pflichten, und sie wird in dem Etablissement von Lowood bei jeder Unordnung in erster Linie berücksichtigt, einfache Kost, einfache Kleidung, einfache Einrichtungen, fleißige Gewohnheiten – das ist die Tagesordnung für das Haus und seine Bewohner.«

      »Ganz in der Ordnung, Sir. Ich kann mich also darauf verlassen, daß dieses Kind als Schülerin in Lowood aufgenommen und dort ihrer Stellung und ihren Lebensaussichten angemessen erzogen wird?«

      »Ja, Madame, das können Sie. Sie soll an jene Pflegestätte auserlesener Pflanzen versetzt werden – und ich hoffe, daß sie sich dankbar zeigen wird für das unschätzbare Privilegium, welches ihr dadurch zu Teil wird.«

      »Ich werde sie also so bald wie möglich schicken, Mr. Brocklehurst, denn ich versichere Sie, ich hege das innigste Verlangen, so schnell wie irgend tunlich von einer Verantwortlichkeit befreit zu werden, welche mir endlich zu lästig geworden ist.«

      »Ohne Zweifel, Madame, ohne Zweifel und jetzt will ich Ihnen guten Morgen wünschen. In ungefähr zwei bis drei Wochen werde ich nach Brocklehurst-Hall zurückkehren; mein guter Freund, der Erzbischof, wird mir kaum erlauben, ihn früher zu verlassen. Übrigens werde ich Miß Temple ankündigen, daß sie ein neues Mädchen zu erwarten hat, damit bei ihrem Eintritt keine Schwierigkeiten entstehen. Leben Sie wohl.«

      »Leben Sie wohl, Mr. Brocklehurst; machen Sie Mrs. und Miß Brocklehurst und Augusta und Theodora und Ihrem Sohn Broughton Brocklehurst meine Empfehlungen.«

      »Das werde ich tun, Madame. Mein kleines Mädchen, hier ist ein Buch mit dem Titel: »Des Kindes Führer«, lesen Sie es mit Gebeten, besonders jenen Teil, welcher von dem fürchterlichen, plötzlichen Tode Maria G.s handelt, einem unartigen Kinde, welches der Falschheit und Lüge ergeben war.«

      Mit diesen Worten legte Mr. Brocklehurst ein Pamphlet, welches sorgsam in einen Umschlag genäht war, in meine Hand; dann ließ er seinen Wagen vorfahren und entfernte sich.

      Mrs. Reed und ich blieben allein; mehre Minuten verharrten wir im Schweigen; sie nähte, ich beobachtete sie. Mrs. Reed mochte zu jener Zeit ungefähr sechs- oder siebenunddreißig Jahre alt sein; sie war eine Frau von robuster Gestalt, breiten Schultern und starken Knochen, nicht schlank und obgleich üppig, nicht zu fett. Sie hatte ein ziemlich großes Gesicht, der Unterkiefer war hervortretend und stark entwickelt; ihre Stirn war niedrig, das Kinn breit, Mund und Nase waren ziemlich regelmäßig; unter ihren farblosen Augenbrauen blitzte ein Auge, das wenig Herzensgüte verriet; ihre Haut war dunkel und matt, das Haar flachsblond; ihre Konstitution war fest und gesund – eine Krankheit nahte sich ihr niemals. Sie war eine strenge, pünktliche Hausfrau, der Haushalt und die Dienerschaft standen vollständig unter ihrer Kontrolle; nur ihre Kinder trotzten zuweilen ihrer Autorität und verlachten sie höhnisch; sie kleidete sich hübsch und verstand es, eine schöne Toilette mit Anstand zu tragen.

      Wenige Schritte von ihrem Lehnstuhl entfernt saß ich auf einem niedrigen Schemel und ließ meine Blicke prüfend auf ihrer Figur und ihren Gesichtszügen ruhen. In der Hand hielt ich das Traktätchen, welches von dem plötzlichen Tode der Lügnerin handelte; meine Aufmerksamkeit war ganz besonders auf diese Erzählung gelenkt, weil sie eine passende Warnung für mich enthalten sollte. Noch war meine Seele wund und schmerzhaft von dem, was soeben geschehen war, was Mrs. Reed in Bezug auf mich mit Mr. Brocklehurst gesprochen, von dem ganzen Inhalt ihres Gesprächs. Ich hatte jedes Wort ebenso klar empfunden wie ich es gehört, und das leidenschaftlichste Rachegefühl begann sich in mir zu regen.

      Mrs. Reed blickte von ihrer Arbeit auf; ihr Auge bohrte sich in das meine, ihre Finger hielten in ihrer geschäftigen Bewegung inne.

      »Verlaß das Zimmer! Geh wieder in die Kinderstube zurück!« In meinem Blicke oder in meinen Bewegungen mußte sie etwas herausforderndes gesehen haben, denn sie sprach in heftigster, wenn auch unterdrückter Bewegung. Ich stand auf; ich ging an die Tür; ich kam wieder zurück; dann ging ich an das Fenster, durch das Zimmer, dicht an ihren Lehnstuhl.

      Sprechen mußte ich, man hatte mich zu schmerzhaft verletzt, ich mußte mich auflehnen, doch wie? Welche Mittel hatte ich denn, um meine Gegnerin wirksam zu treffen? Ich faßte meinen ganzen Mut, meine ganze Energie zusammen und schleuderte ihr folgende Worte ins Gesicht:

      »Ich bin nicht falsch, nicht lügnerisch, wäre ich es, so würde ich sagen, daß ich dich liebe, aber ich erkläre dir, daß ich dich nicht liebe, ich hasse dich mehr als irgend jemanden auf der ganzen Welt, John Reed ausgenommen, und dieses Buch hier mit der Geschichte einer Lügnerin, das kannst du deiner Tochter Georgiana geben, denn sie ist es, die dich und alle anderen belügt, nicht ich.«

      Mrs. Reeds Hände ruhten untätig auf ihrer Arbeit; ihr eisiges Auge bohrte sich erstarrend in das meine: »Hast du sonst noch etwas zu sagen?« fragte sie mich in jenem Tone, den man wohl Erwachsenen gegenüber, niemals aber im Gespräch mit einem Kinde anzuwenden pflegt.

      Ihre Augen, ihre Stimme wühlten all den Haß, der in mir lebte, auf. Von Kopf bis zu Fuße bebend, von einer Erregung geschüttelt, deren ich nicht mehr Herr werden konnte, fuhr ich fort:

      »Ich bin glücklich, daß Sie nicht meine Blutsverwandte sind. Niemals, so lange ich lebe, werde ich Sie wieder Tante nennen. Niemals, selbst wenn ich erwachsen bin, werde ich kommen, um Sie zu besuchen, und wenn irgend jemand mich fragen sollte, ob ich Sie liebe und wie Sie mich behandelt haben, so werde ich antworten, daß der Gedanke an Sie allein schon genügt, um mich todkrank zu machen, und daß Sie mich mit elender Grausamkeit behandelt haben.«

      »Wie kannst du es wagen, Jane Eyre, das zu behaupten?«

      »Wie ich es wagen kann, Mrs. Reed? Wie ich es wagen kann? Weil es die Wahrheit ist. Sie glauben, daß ich kein Gefühl habe, daß ich ohne die geringste Liebe und Güte leben kann, aber so kann ich nicht leben – – und Sie kennen kein Mitleid, kein Erbarmen. Ich werde niemals vergessen, wie Sie mich heftig und rau in das rote Zimmer zurückstießen und mich dann einschlossen – bis zu meiner Sterbestunde werde ich es nicht vergessen. Obgleich die Todesangst mich verzehrte, obgleich ich vor Jammer und Entsetzen fast erstickend aus allen Kräften schrie und flehte: »Hab Erbarmen, Tante Reed! Hab Erbarmen!« Und diese Strafe ließen Sie mich erdulden, weil Ihr boshafter, schlechter Sohn mich schlug – mich ohne Grund und Ursache zu Boden schlug. Und diese Geschichte – gerade so, wie ich sie jetzt erzähle – werde ich jedem erzählen, der mich fragt. Die Leute glauben, daß Sie eine gute Frau sind, aber Sie sind schlecht! Sie sind hartherzig! Sie sind lügnerisch und falsch!« Ehe ich noch mit dieser Antwort zu Ende war, begann ein seltsam glückseliges Gefühl der Freiheit, des Triumphes sich meiner Seele zu bemächtigen. So hatte ich noch niemals empfunden. Es war als wenn unsichtbare Fesseln und Bande plötzlich zerrissen wären, und ich mir endlich den Weg zur unverhofften Freiheit erkämpft hätte. Und dieses Gefühl kam nicht ohne Veranlassung über mich, denn – Mrs. Reed schien erschrocken und furchtsam; die Arbeit war von ihrem Schoße gefallen, sie erhob die Hände und wiegte sich hin und her, ihr Gesicht verzerrte sich, als wolle sie anfangen zu weinen.

      »Jane, du irrst, du irrst dich, Kind! Was ist mit dir vorgegangen? Weshalb zitterst du so heftig? Möchtest du einen

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