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müsse, daß sie verrückt sei. Dann erinnerte sie sich plötzlich an den jungen Journalisten und suchte im Telefonbuch die Nummer seiner Zeitung. Die Verbindung mit seinem Büro wurde hergestellt, und gleich darauf hörte sie Peters Stimme:

      »Hallo, wer ist dort?«

      Ihr Bericht fiel noch verwirrter aus, als der Anruf bei der Polizei.

      »... eine schreckliche Sache ... Ich glaube, der Mann ist tot ... er hatte eine Karte in der Hand ... können Sie sich an die gefiederte Schlange erinnern?«

      »Von wo aus sprechen Sie denn?« unterbrach er sie plötzlich.

      »Ich bin in Mr. Crewes Haus. Der Tote heißt Joe Farmer ... es ist furchtbar ...!«

      »Ist er wirklich tot? Und er hatte eine Karte mit der gefiederten Schlange in der Hand? Ich komme sofort!«

      Sie erschrak. »Aber bitte erzählen Sie Mr. Crewe auf keinen Fall, daß ich Sie benachrichtigt habe.«

      »Verlassen Sie sich nur auf mich«, entgegnete er heiter und brach das Gespräch ab.

      Sie hörte, daß ihr Name gerufen wurde und lief schnell die Treppe hinunter.

      »Paula ist ohnmächtig geworden – schauen Sie bitte nach ihr!«

      Crewes Stimme war heiser; es schien Daphne, als ob er selbst dem Zusammenbruch nahe sei.

      Um den Toten hatte sich inzwischen das gesamte Hauspersonal versammelt. Einer der Diener untersuchte gerade die Wunde. Sie hörte, wie er leise sagte: »Mitten durchs Herz!«

      Paula Staines lag in der Bibliothek bleich und vollständig kraftlos auf der Couch. Anscheinend war sie schon vor einiger Zeit wieder zum Bewusstsein gekommen, denn als Daphne hereinkam, schaute sie sie starr an.

      »Joe Farmer ist ermordet worden«, sagte sie dann, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und warf krampfhaft den Kopf hin und her.

      Ratlos ging Daphne wieder in die Halle, um Mr. Crewe zu rufen. Seine Augenlider zuckten nervös; er war unfähig, irgendeinen klaren Gedanken zu fassen oder etwas zu unternehmen.

      »Es wird am besten sein, wenn Sie gehen«, sagte er schließlich zu ihr. »Nehmen Sie den Küchenausgang durch den Garten; die Polizei wird in wenigen Minuten hier sein.«

      »Kann ich Ihnen nicht irgendwie behilflich sein?«

      »Behilflich ...?« entgegnete er heiser. »Was könnten Sie helfen ... Auf jeden Fall möchte ich nicht, daß Sie hier bleiben. Und dann, Miss Olroyd, wenn die Polizei Sie fragen sollte, ob Farmer hier im Hause ein häufiger Besucher war, dann müssen Sie sagen, daß Sie ihn kaum gesehen haben. Selbstverständlich habe ich geschäftlich mit ihm zu tun gehabt, aber er war nicht mein Freund – ich habe ihn erst letztes Jahr kennengelernt. Verstehen Sie mich?«

      Dann schien er sich plötzlich an ihre frühere Unterhaltung zu erinnern.

      »Ach, Sie wollten ja sowieso die Stellung wechseln dann ist es besser, wenn Sie gleich ganz gehen. Ich werde Ihnen einen Scheck über Ihr restliches Gehalt schicken ...«

      Er drängte sie hastig aus dem Raum, und sie stand draußen im Nebel, bevor sie noch eine Erklärung für seine außerordentliche Ängstlichkeit finden konnte.

      Als Daphne das Grundstück durch einen Seitenausgang verließ, fuhr eben ein Streifenwagen vor. Einige Beamte sprangen heraus; mit knirschenden Bremsen hielten gleich darauf ein Krankenwagen und ein Taxi, aus dem Peter Dewin stieg. Sie rief ihn an, und er drehte sich zu ihr um.

      »Hallo! Ich hoffte eigentlich, Sie wären nicht mehr hier. Was ist denn nun passiert?«

      Sie erzählte ihm alles, was sie wußte. Sie war oben in ihrem kleinen Arbeitszimmer gewesen und hatte eben den Mantel angezogen, um nach Hause zu gehen. Als sie das Licht ausdrehte und noch einmal ans Fenster trat, um die Vorhänge zu schließen, sah sie, wie ein Wagen vor dem Tor hielt. Gleich darauf war sie die Treppe hinuntergegangen. Sie hatte vergessen, oben das Licht anzumachen, so daß die Halle im Dunkeln lag. Sie war eben in die Halle getreten, als sich die Haustür öffnete. Dann hörte sie, wie etwas zu Boden fiel und wie Mr. Crewe nach Licht rief – gleich darauf sah sie die reglos ausgestreckte Gestalt auf dem Teppich.

      »Ach so – noch etwas!« rief sie plötzlich.

      »Was ist?« fragte er.

      »Mr. Crewe gab mir diesen Geldbeutel und sagte, daß ich ihn ins Feuer werfen sollte. Wahrscheinlich hielt er mich für Mrs. Staines. Würden Sie so liebenswürdig sein und ihm das Ding zurückgeben?«

      Er nahm den Geldbeutel aus ihrer Hand und steckte ihn ein. Sein Taxi wartete noch.

      »Fahren Sie nach Hause, nehmen Sie gleich das Taxi hier«, meinte er dann.

      Er fragte nach ihrer Adresse. Sie hatte eine kleine Wohnung in der Nähe der Baker Street; Peter drückte dem Chauffeur einige Silbermünzen in die Hand und nannte ihm die Straße.

      »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie heute Abend noch einmal aufsuche? Oder wohnt die unvermeidliche sittenstrenge Tante bei Ihnen?« erkundigte er sich noch durchs Wagenfenster.

      Sie lachte.

      »Kommen Sie auf jeden Fall – auf Kosten meines guten Rufes. Aber jetzt auf Wiedersehen, ich halte Sie von Ihrer Arbeit ab.«

      Er wartete, bis das Rücklicht des Wagens verschwunden war; dann ging er die Treppe zum Haus hinauf. Die Tür stand weit offen, und in der hellerleuchteten Halle sah er Oberinspektor Clarke. Der Beamte kam ihm bis zur Treppe entgegen.

      »Sie haben wohl eine Nase für solche Angelegenheiten, Dewin«, sagte er. »Wir haben doch selbst eben erst davon erfahren.«

      »Sie wissen doch, daß ich manchmal hellsehen kann«, entgegnete Dewin. »Ist er tot?«

      Clarke nickte.

      »Besser, Sie besuchen mich morgen früh. Jetzt kann ich Ihnen wirklich noch nichts sagen.« Dies erklärte er in einem so bestimmten Ton, daß Peter wußte, daß dagegen nichts zu machen war.

      Immerhin besaß er schon bedeutend mehr Informationen, als der Oberinspektor ahnte. Er konnte sich den Hergang der Tat ungefähr zusammenreimen und wußte außerdem, daß der Ermordete in Bloomsbury gewohnt hatte. Peter hatte ihn dort schon verschiedentlich interviewt und kannte auch seine alte Haushälterin.

      Jetzt galt es vor allem, schnell zu handeln, denn Peter hatte die Absicht, die Wohnung Joe Farmers unter allen Umständen vor der Polizei zu erreichen. Er mußte irgendeinen Anhaltspunkt finden, der auf den Weg zum Motiv des Verbrechens führte.

      Als er bei Joe Farmers Wohnung ankam, wollte die Haushälterin gerade ins Kino gehen. Sie hatte an diesem Abend Ausgang, und Mr. Farmer hatte ihr außerdem gesagt, daß er erst sehr spät zurückkommen würde.

      »Macht gar nichts, Mrs. Curtin«, sagte Dewin freundlich. »Ich muß ihn unbedingt sprechen und werde warten, bis er kommt.«

      Die alte Frau ließ ihn ohne weiteres ein. Es war durchaus nichts Ungewöhnliches, daß Farmers Freunde in der Wohnung des häufig abwesenden Hausherrn auf ihn warteten; vor allem wußte sie auch, daß Mr. Farmer den Zeitungsreporter stets sehr liebenswürdig empfangen hatte.

      Peter Dewin wartete, bis sich die Haustür hinter der alten Frau geschlossen hatte, und begann dann eine schnelle Durchsuchung. Die Wohnung bestand aus vier Zimmern und einer Küche, die sich alle um einen Korridor gruppierten. Dieser führte zu einem kleinen Vorraum und der Haustür.

      Der größte Raum der Wohnung – Farmers Arbeitszimmer – war mit viel Geld und wenig Geschmack eingerichtet. In der einen Ecke stand ein einfacher Büroschreibtisch mit Rollläden – ein merkwürdiger Gegensatz zu den Stilmöbeln der übrigen Einrichtung. Der Schreibtisch war verschlossen, aber schon der erste kleine Schlüssel, den Dewin der reichhaltigen Auswahl seines Schlüsselbundes entnahm, paßte in das Schloß. Er öffnete und durchsuchte systematisch sämtliche Schubladen. Anscheinend war Farmer ein Mann gewesen, der ordentlich und methodisch gearbeitet hatte. Dewin fand Aktenordner, die Abrechnungen über Farmers verschiedene Nachtlokale

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