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liebenswürdig.

      »Jawohl, Sir – ich hoffe, daß Sie eine gute Reise hatten.«

      Die Tür eines eleganten Wagens wurde vor ihm aufgerissen.

      »Um das Gepäck kümmert sich eine Agentur – fahren Sie mich jetzt sofort nach Hause.«

      Er sank in den tiefen Sitz zurück und beobachtete mit fast kindlicher Freude die vielen Bilder Londons, die an ihm vorüberzogen. Ein Mann schob einen Karren mit Äpfeln – auf der Westminster Bridge Road riefen Zeitungsjungen Extrablätter aus – das Parlamentsgebäude war hell erleuchtet.

      Mr. Beale atmete tief. Er war wieder daheim!

      Der Wagen fuhr durch den finsteren Park in die Brompton Road, bog links ein und hielt vor einem großen, vornehmen Haus. Der untersetzte, kahlköpfige Butler kam eilig die Treppenstufen herunter.

      »Willkommen zu Hause, Mr. Beale.«

      Basseys Stimme klang heiser. War es nur Erregung, oder war er so alt geworden? Gregory Beale schaute ihn verwundert an.

      »Schönen Dank, Bassey.«

      Der Butler stieg vor ihm die Treppenstufen hoch. Feierlich trat er dann zur Seite und ließ seinen Herrn zuerst durch die Tür gehen.

      »Eine junge Dame wartet im Studierzimmer, Sir. Ich wußte nicht recht, was ich mit ihr anfangen sollte. Sie sagt, sie sei auf eine Annonce hin gekommen ...«

      Gregory Beale nickte lächelnd.

      »Stimmt schon, ich habe telegrafisch in der Zeitung inseriert ... brauche eine Sekretärin. Bringen Sie die junge Dame bitte her.«

      Daphne Olroyd folgte dem Butler. Als sie eintrat, begegnete sie dem freundlich forschenden Blick Mr. Beales.

      »Bitte, nehmen Sie doch Platz, Miss ...?«

      »Olroyd«, erwiderte sie und lächelte ihn an. »Ich fürchte, daß ich etwas ungelegen komme – leider wußte ich nicht, daß Sie gerade erst aus Amerika zurückkommen.«

      »Das wissen die meisten nicht. So bedeutend bin ich nicht, daß diese große Stadt von meiner Ankunft Notiz nimmt. Übrigens haben Sie doch ein Telegramm erhalten, in dem Sie aufgefordert wurden, sich vorzustellen. Mein Anwalt, Mr. Holden, hat es Ihnen geschickt. Anscheinend war das Gehalt, das ich in der Annonce angab, so hoch, daß sich viele Leute um den Posten bewarben.«

      Bildete sie es sich nur ein, oder klang wirklich ein Ton von Enttäuschung in seiner Stimme? Ihr Mut sank bei diesem Gedanken. Das Inserat hatte sie von einem wohlgesinnten Unbekannten zugeschickt bekommen und sich ohne große Hoffnungen um die Stelle beworben.

      »Ich glaube, daß ich im großen ganzen Ihre Ansprüche erfüllen kann«, erklärte sie jetzt schnell, um von vornherein jeden Einwand zu entkräften. »Ich kann sehr schnell maschineschreiben und stenografieren; Französisch spreche ich ausgezeichnet ...«

      Er hob abwehrend und beruhigend die Hand.

      »Ich glaube Ihnen ja. Wo arbeiten Sie zur Zeit?«

      Sie sagte es ihm. Anscheinend machte der Name Leicester Crewe gar keinen Eindruck auf ihn; er fragte sie nur, warum sie die Stellung wechseln wolle.

      Sie zögerte etwas mit der Antwort.

      »Das hohe Gehalt reizt mich natürlich, aber – vor allem möchte ich von Mr. Crewe fort.«

      Er nickte und schaute einige Zeit nachdenklich zu Boden.

      »Gut«, sagte er schließlich und fügte dann zu ihrer nicht geringen Freude hinzu: »Ich engagiere Sie – wann können Sie anfangen?«

      Mit beschwingten, leichten Schritten verließ sie zehn Minuten später das Haus. Sie war gut gelaunt und dachte an nichts Böses. Doch als sie schnell aus der düsteren Nebenstraße in die Hauptstraße einbog, löste sich ein Mann aus dem Dunkel einer Mauer; er hatte sie von dem. Augenblick an beobachtet, als sie das Astoria-Hotel verließ. Geräuschlos überquerte er die Straße und folgte ihr. Sie ahnte nicht, daß sie verfolgt wurde, bis sie sich an einer Ecke zufällig umdrehte und die dunkle Gestalt undeutlich durch den Nebel auf sich zukommen sah.

      Zuerst wollte sie davonlaufen, dann überlegte sie sich aber, daß es vielleicht nur ein ganz harmloser Spaziergänger sei, und wollte warten, bis er vorbei wäre. Doch plötzlich blieb die Gestalt stehen. Nur einen Augenblick konnte sie die Umrisse eines Mannes erkennen, dann war er im Nebel verschwunden. Gleich darauf wußte sie, warum er nicht weitergegangen war.

      Ein Polizist kam auf seinem Patrouillengang langsam auf sie zugeschlendert. Und die Beauftragten der gefiederten Schlange vermeiden Begegnungen mit der Polizei.

      4

      Böse Zungen sagten Mr. Leicester Crewe nach, daß er sich früher auf höchst verdächtige Weise sein Geld verdient hätte. Manche Leute erinnerten sich auch noch an die Zeit, wo er sich auf der Effektenbörse herumgetrieben hatte. Damals hieß er einfach Billy, hatte nur sehr wenig Geld, kannte sich dafür aber ausgezeichnet in Minenaktien aus.

      Mr. Crewe dachte an diese Zeit zurück ... Er sah sich mit einem düsteren Blick in der schönen Bibliothek seines Hauses um, das durch besondere Umstände sein Eigentum geworden war. Wie lange würde es ihm noch gehören? Hatte dieses unheimliche Schlangenbild irgendeine unheilvolle Vorbedeutung?

      Es war sechs Uhr abends. Kurz vorher war Daphne Olroyd von dem Besuch bei ihrem neuen Chef zurückgekehrt. Mr. Crewe wußte noch nichts von dem bevorstehenden Stellungswechsel seiner Sekretärin. Er war heute früh nach Hause gekommen, weil er noch eine sehr wichtige Verabredung hatte. Als er daran dachte, öffnete er den in die Wand eingebauten Tresor und nehme ein schmutziges Stück Papier heraus, auf dem einige ungelenk geschriebene Worte standen. Er überlas sie, faltete das Papier wieder zusammen und steckte es in die Westentasche. Der Diener kam herein, um im Kamin nachzulegen, und Mr. Crewe fragte ihn:

      »Ist der Mann noch nicht da?«

      »Nein, Sir.«

      Mr. Crewe zog nachdenklich die Stirn kraus.

      »Sagen Sie mir sofort Bescheid, wenn er kommt. Ich möchte, daß Sie ihn im Auge behalten. Er ist ein entlassener Sträfling, ich kannte ihn früher mal – hm – bevor er ins Gefängnis kam.«

      »Sehr wohl, Sir.«

      Zehn Minuten verstrichen, dann schlug die kleine Uhr auf dem Kamin halb. Im gleichen Augenblick klopfte es, und der Diener kam mit einem kahlköpfigen kleinen Mann in abgerissenen Kleidern herein. Auffallend an dem Mann waren seine saubergeputzten alten Schuhe und die langen Narben, die sein unrasiertes Kinn verunzierten.

      »Hugg – Harry Hugg«, stellte er sich vor.

      Mr. Crewe winkte dem Diener, sich zu entfernen.

      »Vor zwei Monaten erhielt ich von Ihnen einen Brief«, begann er, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. »Ich antwortete damals nicht darauf, weil ich mich nicht auf den Mann besinnen konnte. Seitdem hat sich einiges ereignet ... Ich erinnere mich jetzt – Lane – war das nicht der Name?«

      Mr. Hugg nickte. Mit hängendem Kopf stand er in der Mitte des Zimmers. Anscheinend waren Mr. Crewe seine Stühle für diesen schmutzigen Menschen zu schade.

      »Lane – William Lane – kriegte sieben Jahre für Falschmünzerei ...«, murmelte der kleine Mann verlegen.

      »Falschmünzerei?«

      »Hat Banknoten gefälscht, und die Polente erwischte ihn dabei. Er bekam sieben Jahre – war seine erste Straftat. Ein ruhiger Mensch – wir lagen beide in demselben Flügel in Dartmoor. Merkwürdigerweise war er die ganze Zeit, die er absitzen mußte, niemals krank oder traurig. Wir waren beide an demselben Tag ins Gefängnis gekommen ich wurde wegen Einbruch verknackt – und kamen zur gleichen Zeit wieder raus.«

      »Hat er mal meinen Namen erwähnt?«

      Hugg schüttelte den Kopf.

      »Nein, Sir, niemals. Wir gingen dann beide nach

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