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      Sie gab einige Zeit keine Antwort; dann schaute sie ihm gerade in die Augen.

      »Hat Ella dir eigentlich erzählt, daß sie nicht nur beraubt wurde, sondern daß auch ihr Haus vollständig durchsucht worden ist? Vor allem im Safe war alles durchwühlt.«

      Mr. Crewe biß sich auf die Lippen.

      »Das verstehe ich nicht – und gestohlen wurde nichts?«

      »Nein, das war ja auch gar nicht beabsichtigt. Daß ihr die unechten Perlen und die Smaragdspange abgenommen wurden, war doch nur ein Trick. Die Räuber suchten nach etwas ganz anderem – und das haben sie auch gefunden!«

      »Du gibst Rätsel auf«, erwiderte er. »Was sollen die Beauftragten der gefiederten Schlange denn gesucht haben?«

      »Ellas Siegelring«, war die knappe Antwort.

      Crewe wurde bleich.

      »Den ... Siegelring?« flüsterte er. »Den haben sie ihr abgestreift? Warum hat Ella denn das nicht der Polizei mitgeteilt?«

      Ihr Lächeln war jetzt offensichtlich verächtlich.

      »Konnte sie denn das?« fragte sie geringschätzig. »Nein, dazu ist Ella viel zu klug. Soll ich dir noch etwas sagen, Billy? Wenn die Perlen und Smaragde echt gewesen wären, hätte man sie zurückgeschickt. Denn der Mann, der in Ellas Haus einbrach, war – William Lane!«

      Er lachte so geringschätzig, daß sie stutzte.

      »Dann muß er sich dazu extra Urlaub von der Hölle genommen haben«, sagte er wegwerfend. »William Lane starb vor zwei Monaten – ich habe seinen Totenschein in der Tasche!« Er zog ein schmutziges Stück Papier heraus und zeigte es ihr. Sie las es Wort für Wort langsam durch.

      »Ich habe es von einem alten Sträfling, der bei ihm war, als er starb. Diese ganze Sache mit der gefiederten Schlange ist weiter nichts als Einbildung; ich glaube auch das ganze Geschwätz mit dem Siegelring nicht ... Ella ist eine geborene Lügnerin, die nur auf Sensationen aus ist.«

      »Warum hat sie es dann nicht dem Zeitungsreporter mitgeteilt? Nein, mein Lieber, Ella ist ja selbst völlig durcheinander.« Sie betrachtete den Schein und seufzte tief. »Danach wäre also die Sache mit William in Ordnung«, meinte sie düster. Während sie sprach, klingelte das Telefon auf dem Schreibtisch, und Crewe nahm den Hörer ab. Der Anrufer sprach so schnell, daß er zuerst überhaupt nichts verstand.

      »Wer spricht denn?« fragte er ungeduldig.

      »Joe – Joe Farmer. Ich muß dringend mit dir reden habe etwas Wichtiges entdeckt ... Ist Paula bei dir?«

      »Ja«, antwortete Crewe. »Was hast du denn herausgefunden?«

      »Das Geheimnis der gefiederten Schlange«, war die überraschende Entgegnung. »Na, was sagst du nun ...?«

      »Von wo aus sprichst du?«

      »Von Tidal Basin – der alten Stelle. Ich habe dort einige Nachforschungen angestellt. In zwanzig Minuten bin ich bei dir – warte auf mich!«

      Crewe legte den Hörer auf und teilte Paula den Inhalt des Gespräches mit.

      »Wird doch nicht viel dabei rauskommen«, sagte er zum Schluß verächtlich.

      »Unterschätze Joe nicht – hast du etwa vergessen, daß er seinerzeit den Plan zur Gründung unserer kleinen Interessengemeinschaft ausarbeitete?«

      Leicester Crewe antwortete nicht. Es war ihm anzusehen, daß er aufgeregter war, als er zugeben wollte.

      »Wenn ich wirklich annehmen müßte ...«, begann er.

      »Wenn du wirklich annehmen müßtest, daß Gefahr im Anzug wäre, würdest du kurzerhand fliehen – das willst du doch sagen, nicht wahr?« unterbrach sie ihn. »Billy, du bist immer noch der alte Feigling. Ich möchte fast wetten, daß du alles für eine Flucht vorbereitet hast.«

      »Du brauchst nicht zu denken, daß mir dieser Unsinn mit der gefiederten Schlange so in die Glieder gefahren ist«, widersprach er mürrisch. »Ich habe eben seit einiger Zeit das Gefühl, daß wir Unannehmlichkeiten bekommen werden – und zwar seitdem ich den Brief von diesem früheren Sträfling erhielt.«

      »Ja, genau zu dem Zeitpunkt, als William Lane aus dem Gefängnis entlassen wurde.« Sie sprach seine innersten Gedanken aus. »Aber ich habe mich niemals von Lane beunruhigen lassen. Erstens ist es nicht leicht, uns zu überführen; zweitens würde so ein Schwächling wie er sich hüten, etwas gegen uns zu unternehmen – und drittens ist er doch schließlich tot, nicht wahr?«

      Leicester gab ihr keine Antwort, aber das Streichholz, mit dem er seine Zigarette anzündete, zitterte leicht.

      »Du siehst Gespenster, Billy, und machst dir Sorgen um nichts. Wenn du heute Abend fliehen solltest – ich würde bestimmt bleiben, nur um zu sehen, was weiter geschieht. Wirklich, ich bin neugierig darauf!«

      »Du bist ganz einfach verrückt«, knurrte er gereizt und verfiel wieder in langes Schweigen. Sie beobachteten die Zeiger der Uhr, die langsam vorrückten. Eine Viertelstunde ging vorüber – zwanzig Minuten – dreißig Minuten – dann hörten sie von der Straße herauf das Geräusch eines Wagens und gleich darauf das Anziehen der Bremsen.

      »Das ist Joe«, sagte Leicester und sprang auf.

      Er ging in die dunkle Halle hinaus und öffnete vorsichtig die Haustür. Als er die Klinke herunterdrückte, schlug ihm die Tür entgegen, als ob sich jemand von außen dagegenstemmte. Er trat einen Schritt zurück – eine dunkle Gestalt fiel mit dumpfem Aufprall vor ihm auf den Teppich.

      Crewe sah die Scheinwerfer des Wagens, der anfuhr und gleich darauf verschwunden war – dann hörte er hinter sich Paulas Stimme.

      »Was ist los?« fragte sie ängstlich.

      »Mach Licht!« rief Leicester. Die Halle wurde hell, und beide starrten schreckerfüllt auf den Boden. Dort lag der Länge nach Joe Farmer – die Füße noch außerhalb der Türschwelle, die linke Hand um eine Karte verkrampft.

      Leicester Crewe kniete bei ihm nieder, drehte ihn auf den Rücken – und schaute in die weit aufgerissenen starren Augen eines Toten.

      Was für eine seltsame Nachricht Joe Farmer auch hatte überbringen wollen – sie war mit ihm verlorengegangen.

      5

      Offensichtlich hatte man Joe Farmer von hinten niedergeschossen. Leicester schaute ihn noch immer entsetzt an; erst nach einer Weile nahm er mechanisch die Karte aus der Hand des Toten. Wieder die gefiederte Schlange!

      Joes Uhr und ein anderer Gegenstand waren bei dem Sturz aus seiner Tasche auf den Boden gefallen. Leicester schaute reglos auf den viereckigen, flachen Geldbeutel, den er nur allzu gut kannte. Was für ein Idiot dieser Joe doch gewesen war. Immer noch hatte er dieses Andenken mit sich herumgetragen! Crewe beugte sich über den Toten, nahm den Geldbeutel und reichte ihn nach hinten.

      »Merkwürdig ..., man konnte keinen Schuss hören«, murmelte er. »Nimm das Ding, Paula – wirf es ins Feuer, bevor die Polizei kommt.«

      Der Geldbeutel wurde ihm aus der Hand genommen. Er drehte sich nicht um, sondern blickte erst auf, als er eine weiche, erschreckte Stimme hörte:

      »Soll ich die Polizei rufen ...? Ist er verletzt, Mr. Crewe?«

      Daphne Olroyd stand dicht hinter ihm.

      »Ach, Sie sind es«, sagte er verwirrt. Dann erst sah er, daß Paula auf einem Stuhl an der Wand saß. Anscheinend war ihr schlecht geworden; sie war kalkweiß, und ihr Gesicht sah plötzlich ganz verfallen aus.

      »Bitte ... wenn Sie so freundlich sein wollen ... telefonieren Sie ...«

      Als Daphne gerade zum Telefon lief, kam der Diener hastig die Treppe herunter. Sie hatte noch ein wenig ausgehen wollen und war nur zufällig Zeugin dieser Tragödie geworden.

      Am Telefon berichtete

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