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mitbestimmen. Fast alles, was wir mit unseren Sinnen aufnehmen, bewerten wir, ordnen es ein, etikettieren es. Das heißt, wir lassen uns gar nicht auf die Wirklichkeit, das Hier und Jetzt ein, sondern bewerten es, auf Grund von Denkmodellen, früheren Erfahrungen, Ängsten und Gewohnheiten. Bewerten heißt, es wird der Situation sofort ein Vorgefühl aufgedrückt, unter dem wir die Erfahrung mit gut oder schlecht bewerten. Oft sind wir unfähig ohne diese Gedanken und Gefühlsmuster, also relativ frei einer Situation zu begegnen. Nicht selten sind dies negative Gedanken und deshalb bin ich mit negativen Gefühlen erfüllt. Meine Bewusstheit, die sich durch meine Gedanken ausdrückt, führt mich letztendlich zu meinem individuellen Handeln. Zusammen-hänge, die wir uns selten bewusst machen aber unsere Haltung zum Leben, zum Sein in hohem Maße mitbestimmen. Man muss bestimmte Gedanken nicht denken, ich kann auch ganz bewusst Gedanken zulassen oder nicht zulassen und dafür andere Gedanken in meinen Geist aufnehmen. Das Beherrschen der Gedanken ist der Weg zum Glück, sagt der Dalai Lama.

      Der Körper hat klare Grenzen. In der Beweglichkeit, in der Kraft, im Aushalten, Durchhalten... Geistiges kennt keine Grenzen. Nur die, die wir ihm selbst auflegen. Wir setzen ihm z.B. durch unsere Denkmuster Grenzen.

      Alles, was ich sehe und wahrnehme, mache ich selbst. Es ist, als wenn ich ständig in einen Spiegel blicke. Alles, was ich sehe, bin ich, denn mein Geist erschafft meine Welt. Ich erschaffe mich selbst über meine Gedanken. Sie sind in meinem Geist entstanden und deshalb habe ich dafür die Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur was ich sehe, sondern auch fühle und empfinde. Unser Bewusstsein schafft unsere Wirklichkeit. Alles geht von mir selbst aus. Gleichgültig, ob ich die Gefühle als angenehm oder unangenehm empfinde:

        Willst du wissen, wer du warst, dann schau wer du bist.

        Willst du wissen, wer du sein wirst, dann schau was du tust.

      Wenn alles von mir selbst ausgeht und ich dafür die Verantwortung zu übernehmen habe, dann habe ich auch grundsätzlich die Macht meine Gefühle, meine Befindlichkeiten zu steu-ern. Um damit immer besser umzugehen, brauchen wir die Meditation. In der Meditation kann ich alle geistigen Kräfte kennen und steuern lernen. Dies ist die wichtigste Methode des Buddhismus oder Zen, die zum inneren und äußeren Frieden beitragen kann. Es gibt hier nahezu unendliche Möglichkeiten mit dem Geist zu „spielen“ und dadurch immer umfassen-dere, noch schlummernde geistige Fähigkeiten in sich zu entdecken. Die nicht zu trennende Verbindung von Geist und Körper gehört ebenso zu dieser Erfahrungswelt. Wie innig das Geistige mit dem Körper verbunden ist, kann jeder feststellen. Allein der Gedanke „Wut“ mit seinen inneren Bildern mobilisiert sofort den ganzen Körper. Der Körper bekommt eine ganz andere, eine starke Spannung. Der Atem verändert sich. Aus zuvor ruhigem Atemrhythmus entsteht ein stoßartiger Atem. Der Körper versucht so tief wie möglich zu atmen, um Kraft für einen eventuellen Kampf zu bekommen. Adrenalin wird ausgeschüttet. Wenn man dabei bewusst sein kann, stellt man fest, dass man von diesem Gefühl regelrecht überrollt werden kann. Daher kommt es immer wieder vor, dass Menschen „austicken.“ Da Gefühle aber kei-ne Handlungsanweisung sind, kann ich mich jetzt hinsetzen, ruhig atmen, andere, entspan-nendere Bilder in mir entstehen lassen und sehr bald ist das Adrenalin abgebaut und die Spannung aus dem Körper wieder entwichen. Beide extremen Gefühle, Wut und Entspan-nung sind im Geist durch das Denken, durch imaginäre Gedanken entstanden und wieder verschwunden. Auf diese Weise kann ich lernen, negative Gefühle zu steuern, indem ich sie imaginär in positive verwandle.

      Ich kann mich also auch auf ein positives Gefühl, wie Liebe, Achtsamkeit oder Mitgefühl konzentrieren und dieses immer mehr durch die Kraft der Kontemplation verstärken. Ich kann lernen, die Heilkräfte des Atems, den Träger unseres Lebens zu nutzen, indem ich den Atem an Körperteile führe, die mich schmerzen, oder zu denen ich wenig Empfindungs-fähigkeit habe. Ich kann die Schmerzen über den Atem hinausführen. Ich lerne die Empfin-dungsmöglichkeiten meines Körpers zu erweitern und bekomme dadurch eine intensivere Beziehung zu meinen geistigen Kräften und zu meinem ganzen Leib.

      Wenn man über die Meditation und andere Methoden beständig sich selbst, seinen Mustern und Gewohnheiten begegnet und für sie die Verantwortung übernimmt, ist es kaum möglich fundamentalistisch, dogmatisch oder intolerant zu werden.

      Die Geistesschulung des Bewusstseins kann man über die Achtsamkeit zunehmend in den Alltag übernehmen. Nicht, dass dadurch unbedingt das Leben leichter wird. Während ich früher sicheren Schrittes durch die Welt rauschte, den Blick nach vorne gerichtet und mit meiner scheinbaren Klarheit als kleiner Guru nicht wenige Menschen beeindruckt habe, hat sich meine Wahrnehmung des Weltgeschehens stark verwandelt. Heute verunsichern mich diese Menschen, die Asphalt-cowboys, das fraglose Gepolter der unbeirrten Macher mit dem Verkünden ihrer scheinbaren Wahrheiten. Ich spüre in der Welt der großen Ichs den schwankenden Boden, die Halbwahrheiten, die ständigen Brüche und versuche mit den aufgetauchten Ohnmachten, Unsicherheiten und Ängsten so zurecht zu kommen, dass ich trotzdem immer wieder einen Weg finden kann, um in diesem Leben auch außerhalb der Meditation das Leben dankbar aufzunehmen und möglichst zu genießen.

      Diese Praxis führt das Bewusstsein der Menschen in mehr Mitgefühl, Achtsamkeit und soziale Gerechtigkeit, bildet so eine Voraussetzung, nicht nur unser Überleben vielleicht zu sichern, sondern uns alle bewusster und glücklicher machen zu können.

      Eine weitere wichtige Haltung gehört zum buddhistischen Konzept, das die Nachhaltigkeit, die inter- und der intragenerative Gerechtigkeit unterstützt. (Intergenerativ heißt: wir müs-sen so nachhaltig mit den Rohstoffen und Gütern umgehen, dass die Generationen, die nach uns kommen, ähnliche Verhältnisse vorfinden wie wir. Intragenerativ heißt, dass zwischen allen Kulturen, die jetzt leben eine Gleichheit herrschen muss, was den Verbrauch der Res-sourcen anbelangt). Gerechtigkeit zwischen uns und den Generationen. Die Haltung hierzu ist die Einfachheit.

      Menschen, die praktizieren, erfahren nebenbei eine Paradigmenveränderung. Vom Haben und immer mehr Haben Wollen ins Sein, einfach zu sein und das im Hier und Jetzt genießen zu können. Sri Chinmoy sagt nicht umsonst, dass Einfachheit ein Kurs für Fortgeschrittene ist. Auf dem Weg zur Einfachheit begegnet einem ausdauernd und beständig das „Ego“. Das Ego ist der geistige Teil in uns, der die Welt trennt zwischen Ich und dem Rest, der selten zufrieden ist, der von Neid, der Gier, der Unsicherheit, den Ängsten und des Rechthabenwol-lens beherrscht wird, der moralisiert, vergleicht und wenn man ihn lässt, die anderen geistigen Kräfte dominieren will. Er ist der Teil, der sich selbst und das, was er bewirkt auch nicht anschauen möchte. Daher werden Wirklichkeiten verdrängt und müssen kompensiert werden. Der Begriff „Verdrängung“ drückt nur bedingt diesen komplexen, psychischen Vor-gang aus, denn das „Verdrängte“ ist für mich eine aktive Kraft, die beständig gebändigt und zurückgehalten werden muss. Das Verdrängte ist etwas Unerledigtes, will aber geklärt und erledigt werden. Diese aktive Kraft bindet durch die notwendige ständige Kontrolle enorm viel Energie. Sie kann aber niemals wirklich kontrolliert werden. Ausgeglichen, also kompen-siert wird dieser Prozess über den Konsum, die Medien aber auch über Gewalt und Depres-sion. Wenn man verdrängen will, muss man beständig kompensieren, zumeist unbewusst. Ruhe, Entspannung, Entschleunigung, eben Einfachheit, ist Gift für das Ego. Das Verdrängte ist ja nicht verschwunden, sondern man hat es nur ein bisschen „nach hinten“ geschoben. Sobald Ruhe eintritt und man wirklich nichts tut, was ja entspannen eigentlich ist, dann zeigt sich die aktive Kraft des Unerledigten. Das Verdrängte schiebt sich wieder mit Mächtigkeit nach vorne. Daher finden wir viele dieser Menschen in Jobs, wo sie im Hamsterrad gefangen sind. Sie tun alles, um dem Verdrängten nicht zu begegnen, das in der Stille, in der Ruhe von innen her auftauchen kann. Nicht umsonst heißen Menschen mit dieser Sucht „Workoho-liker“. Der Kapitalismus, wie er heute existiert, braucht genau diesen „Schlag“ von Men-schen, die für viel Geld im Hamsterrad um die Wette treten, ohne nach rechts oder links, oder was mindestens genauso wichtig wäre, nach innen zu blicken.

      Je mehr man sich den immateriellen, geistigen Teilen entziehen will, umso stärker drängt es uns dieses Vakuum durch Materie, durch Macht, durch Besitz auszugleichen. Viele, vielleicht die wichtigsten Philosophen haben die Einfachheit als Voraussetzung, um zu philosophieren angesehen. Lao Tse, Konfuzius, Heraklit, Sokrates, die Stoiker, Meister Eckhard, Spinoza... Sie suchten über die Einfachheit ihre

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