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Mittelpunkt.

      Obwohl es heute in Asien viele nach Landessitten ausgerichtete buddhistische Religionen gibt, bei denen Buddha als Gott verehrt wird (Laos, Thailand), verwarf Buddha selbst nicht nur jede Art von göttlicher Verehrung, sondern auch jeden äußeren Kult.

      Der Buddhismus ist eine „Religion“ ohne Gott, ohne Schöpfer, ohne Schöpfung, ohne Ich. Buddha: Da alles sich ständig verändert, ist es durch etwas Anderes verursacht oder bedingt und kann daher nicht das Absolute sein.

      Der Buddhismus ist in erster Linie eine geistige Wissenschaft. Seine Methoden befassen sich mit der Erforschung des Geistes.

      Für Buddha gibt es nur einen beständigen Wandel, ein ewiges Fließen. Alles Sein blitzt nur für einen Moment auf. In dem Moment, wo das Denken einsetzt, ist der Augenblick schon wieder vergangen. Das einzige Überdauernde ist daher der ständige Veränderungsprozess in allen Dingen. Deshalb zählt nur der Augenblick, das Jetzt. Zeit ist daher die Aufeinanderfolge von lauter Einzelmomenten. Daher kann es auch kein feststehendes „Ich“ geben. Dies ist eine Behauptung, zu der die Wissenschaftler, die Neurowissenschaftler noch 2500 Jahre brauchten, bis sie dieses Wissen zu ihrer eigenen Überraschung bestätigen mussten.

      Vieles, was Buddha als Lehre verkündete, sagte 500 Jahre später in ähnlicher Form auch Jesus:

      Die Seligpreisungen des Buddha:

        Selig ist, wer ohne Hass lebt, obwohl Hass und Lieblosigkeit ringsumher walten.

        Selig ist, wer ohne Verblendung ist, obwohl die Welt verblendet dahinsiecht.

        Selig ist, wer frei atmen kann, weil er das nimmersatte Raffen aufgegeben hat, ob-wohl die Welt voller Gier sich selber frisst.

        Selig ist, wer die Einfachheit gewählt hat, denn ihn durchströmt beseligend göttliche Heiterkeit.

      Vor 2500 Jahren gesagt und noch heute aktuell, oder gerade heute.

      Einst soll Buddha von einem Kaufmann nach der Essenz seiner Lehre gefragt worden sein. Er sagte: Tu Gutes, meide das Böse und zähme deinen Geist. Der Kaufmann soll entgegnet haben: „ Aber das weiß doch jedes Kind.“ Da sagte der Buddha: „Aber noch mit achtzig hält sich kaum jemand daran!“

      Eine Verwandtschaft zu Jesus besteht auch darin, dass er sich an alle Menschen, alle Stände und alle Völker wandte. Das Kastenwesen ignorierte er und machte deutlich, dass die Zugehörigkeit zu einer Kaste keine Bevorzugung oder Benachteiligung beinhaltete, um die-sen Weg zu gehen.

      Buddha machte auch deutlich, dass jeder das Heil finden kann und dass dieses Heil innen, im geistigen Bereich liegt (wie bei allen Mystikern). Die Vorstellung eines Gottes zu dem man beten und Hilfe erbitten kann, lehnte er ab. Dagegen betonte er, dass man alleine und selbst für sein Schicksal und die spirituelle Entwicklung verantwortlich ist.

      In schroffem Gegensatz zur christlichen oder muslimischen Ausbreitung und Missionierung, erfolgte die weltweite Verbreitung des Buddhismus in diesen 2500 Jahren ohne jede Gewalt. Sie ist eine Lehre des Friedens, selbst wenn Tibet von China seit mehr als 50 Jahren besetzt, unterdrückt und ausgebeutet wird, und die Tibeter, vor allem die Mönche umerzogen und gefoltert werden. Diese grundsätzlich friedliche Haltung ist ein ganz wichtiger Faktor, dass der Buddhismus sich im Westen so ausgebreitet hat.

      Mit der wichtigste Unterschied zu den theistischen Religionen besteht im „Nichtglauben.“ Buddha empfahl, man solle ihm nicht einfach glauben, sondern seine Lehren ausprobieren. Über die Erfahrung kann „Einsicht“ geschehen. Einsicht ist für den buddhistischen Lehrer Phi-lip Moffitt: „ eine tiefe Ebene des Verstehens, die rein intellektuelle Kognition transzendiert und nur durch direkte Erfahrung erkannt werden kann.“ Eine der Methoden ist hierfür die Achtsamkeit. Achtsamkeit ist die Fähigkeit im gegenwärtigen Augenblick vollkommen präsent zu sein. Die theistischen Religionen haben wenig mehr als Methode anzubieten, als zu Gott beten und ihn zu bitten, um den Glauben zu verstehen und anzunehmen. Wünsche, die einen großen Teil des Betens im christlichen Glauben ausmachen und das Ego befrie-digen sollen, kann es im Buddhismus auch nicht geben, weil es niemanden gibt, den man bitten oder anbeten kann.

      Die Art unserer Erfahrungen ist von unserem Bewusstsein abhängig. Wilfried Reuter beschreibt in seinem Buch „Weck den Buddha in dir“ wie der tibetische Meister Tarab Tulka zwei Bewusstseinsarten unterscheidet. Das Verstandesbewusstsein und das Spürbewusst-sein.

      Das Verstandesbewusstsein ist das Bewusstsein, das sich mit dem Ich und auch mit dem Ego verbinden kann. Den größten Teil unseres Lebens verbringen wir in der Regel in dieser Art von Bewusstsein. Es ist mit unserer Vergangenheit oder mit der Zukunft beschäftigt. Mit ihm denken wir nach, erinnern uns, planen für die Zukunft. Es ist auch diese Art des Bewusst-seins, das bewertet, kontrolliert, vergleicht und unterscheidet. Es schaut gewissermaßen von außen auf die Dinge. Hier finden wir unsere Muster, Konzepte und Konditionierungen. Es ist die Welt der Begriffe, der Worte, der Gedanken. Wir nehmen die Welt als von uns getrennt wahr. Wirklichkeit ist hier nicht das Ganze sondern besteht aus Ausschnitten. Es ist unsere individuelle, einzigartige Wirklichkeit, die wir aber nicht selten für die einzige und ganze Wahrheit halten. Außerdem baut das Ich immer eine Distanz zum anderen auf.

      Anders das Spürbewusstsein. Es gibt keine Sprache, kein Vergleichen, kein Bewerten, kein sich Erinnern, kein Zukünftiges. Das Spürbewusstsein bringt mich in Kontakt mit mir selbst. Die Sinne sind geöffnet und ich nehme direkt wahr, bin mit meiner Empfindung beim Gegenüber. Ich bin im Hier und jetzt. Ich benenne nicht die Bäume als Eiche oder Buche, oder bezeichne den Vogel als Amsel oder benenne den Sonnenuntergang, sondern höre das Rauschen der Blätter, das Singen des Vogels und berausche mich am Sonnenlicht. Nichts wird gedeutet oder verglichen. Die Erfahrung ist einmalig. Es gibt hier keine Erinnerung. Es gibt keinen Abstand zu dem Gegenüber, keine Trennung und keine Angst. In dieser Art von Bewusstsein ist eine Berührung oder ein Kuss mit seiner seit 20 Jahren verheirateten Frau immer wieder neu und einmalig. Nur diese Seite unseres Bewusstseins kann mit Freude, Liebe oder Glück verbunden sein.

      Im Buddhismus gibt es eine Vielzahl von Methoden, die alle mit der Arbeit unseres geistigen Vermögens, unseres Bewusstseins und der reflektierten Selbstwahrnehmung verbunden sind. Daher ist es nicht möglich sich als Opfer zu sehen, wie dies in unserer westlichen Kultur ein tief internalisiertes Denken bei vielen Menschen ist und zu vielem unnötigem Leiden und auch zur oft nicht an-gemessenen Hilfe der Helfer führen kann. Welches Leid steckt alleine darin, sich als Opfer zu sehen. Menschen, die sich in der Opferrolle sehen, haben es schwer an der Wirklichkeit zu bleiben. Erlittenes wird dann immer wieder hervorgehoben. Verant-wortung wird abgegeben, in Beziehungen und Konflikten irgend- etwas oder jemand wird stattdessen schuldig gesprochen! Der Buddhismus kennt keine Schuld. Deshalb kann es auch keine Schuldzuweisungen geben. Wenn es keine Schuld, keine Sünde gibt, dann gibt es auch keine Sühne. Im Leid gibt es nur mich und meinen Geist.

      Ich habe den Buddhismus immer mehr als Selbsttherapie angesehen, als eine Art huma-nistische Therapie, denn das Wichtigste ist die persönliche Erfahrung durch Selbst-reflektion, nicht nur durch sich selbst Fragen zum eigenen Denken und Handeln zu stellen, sondern auch zu allen Ideologien, Philosophien, Meinungen, Religionen... Toni Packer nennt diese radikale Selbstbefragung „Meditatives Fragen.“ Deshalb wird Achtsamkeit, Mitgefühl, Medi-tation, Stille gelehrt. Viele dieser Aspekte des Buddhismus sind in die humanistische The-rapie hineingeflossen. Buddhismus passt auch gut zur westlichen Erkenntnisgewinnung über die Logik und die Wissenschaften.

      Niemand hat mich gedrängt, von der Lehre etwas anzunehmen, wenn ich eine andere Meinung hatte. Weil jeder Lama oder Roshi (Meister, Lehrer) während seiner Praxis andere persönliche Erfahrungen gemacht hat, hat sie oder auch er im Detail eine unterschiedliche Lehrmeinung. Es gibt auch keinen der eine buddhistische Hierarchie anführt, wie dies bei den Katholiken durch den Papst der Fall ist. Daher gibt es aber zum Beispiel im Buddhismus auch eine feministische Richtung, nicht nur von Sylvia Wetzel. Man wird Lehrer oder Lehrerin, wenn man durch sehr viele und über jahrelange (3 Jahre) Selbsterfahrungen oft in der Einsamkeit hindurchgegangen ist. Eine Nonne oder ein Mönch verpflichtet sich auch zum

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