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ein muffiger Geruch von Schweiß aus dem Zimmer.

      „Links bitte“, ruft Kurt aus dem linken Zimmer, dessen Tür angelehnt ist. In diesem Raum dominiert ein riesiger Schreibtisch, der mit schwarzem Leder überzogen ist. Kurt hat sich von seinem ebenfalls schwarzen Chefsessel erhoben und reicht Joe mit einer kleinen Verbeugung die Hand. Wie unterwürfig, denkt Marlies. Sie spürt ihr Herz klopfen. Kein Wunder. Kurt könnte der Mörder von Anke sein. Was heißt könnte, er ist es ziemlich sicher.

      Marlies sieht den Nebel vor sich. Kurt zweigt in das Gelände ab, Anke angsterfüllt direkt hinter ihm. Kurz vor dem Felsabbruch hat er sie dann alleine gelassen. Vielleicht hat er ihr sogar noch gesagt, sie solle das steile Stück leicht linkshaltend hinuntergehen. Joe muss unbedingt fragen, ob Kurt Schitouren geht.

      „Sind Sie beide von der Kriminalpolizei?“

      „Nein, das bin nur ich. Ich wollte meine Frau nicht im Auto warten lassen.“

      „Ach so. Naja, sie könnte ja auch im Vorraum warten. Mir ist es nicht so recht, wenn Ihre Frau dabei ist.“

      „Und warum nicht?“, fragt Marlies. Sie sieht Kurt mit einem trotzigen Blick an.

      Für einige Sekunden hält Kurt den Augen von Marlies stand, dann schaut er wieder zu Joe.

      „Geht klar“, sagt Joe zu Kurt und nickt.

      „Marlies, kannst du bitte draußen warten. Ich muss den Wunsch von Herrn Hankler selbstverständlich respektieren.“

      Marlies schnaubt durch die Nase. Sie steht auf und lässt die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Scheiße, denkt sie. Jetzt, wo’s wirklich spannend wird, darf ich nicht dabei sein. Sie geht im Vorraum auf und ab. Auf diesen angeberischen, schwarzen Sitzmöbeln mag sie nicht Platz nehmen. Sie bemerkt die beiden anderen Türen. Die eine ist das WC. Das sieht man schon an der Frei-Anzeige unterhalb der Klinke. Die andere aber ist etwas breiter und aus Metall. Marlies öffnet sie vorsichtig. Direkt vor ihr steht ein schwarzer Audi Q5. Marlies mag schwarze Autos nicht. Sie ist überzeugt, dass diese eine Macho-Farbe ist. Und schwarze SUVs sind sowieso das Letzte. Das passt zu Kurt, denkt Marlies. Die im Dunkel sieht man nicht, fällt ihr ein. Gleich neben dem Q5 steht ein normaler Wagen. Auch ein Audi. Der gleiche Typ, den Joe fährt. Ein A4 Kombi. Vermutlich das Auto von Kurts Frau. Lustig, dass der weiß ist, denkt Marlies. Schwarz und weiß. Gegensätzlicher geht es nicht mehr. Sie geht in die Garage hinein. Das Licht schaltet sich automatisch ein. Links hängen drei Mountainbikes an Haken. Daneben sind sechs Paar Schi wie in einem Schistall aufgestellt. Marlies geht näher heran. Zwei Paare davon sind Tourenschi. Die könnten aber auch vom Sohn sein oder von Kurt und seinem Sohn. Ach ja, Joe soll den Kurt fragen, ob er Schitouren geht. Sie tippt eine Nachricht für Joe ein. Hoffentlich schaut er drauf, während des Verhörs. Auf der rechten Seite hängt viel Werkzeug und die kleine Werkbank darunter ist mit Schraubenziehern, Zangen unterschiedlichster Art und Schraubenschlüsseln übersät. Joe räumt immer auf, denkt Marlies. Jedes Werkzeug hat seinen festen Platz bei ihm.

      Sie geht um den Q5 herum. Im Laderaum dürfte noch Gepäck liegen. Marlies kann es nur erahnen, da es ganz nach vorne geschoben ist. Sie beugt sich ganz nahe zur Heckscheibe und identifiziert eine graue Sporttasche mit rosafarbenen Applikationen und einen mittelgroßen blauen Koffer. Marlies ist überrascht, als sie die Heckklappe zu öffnen versucht und diese wie von Zauberhand in eine waagrechte Position fährt.

      „Das ist eindeutig kein Männergepäck“, flüstert sie. Sie zieht die Tasche näher heran und findet neben der hineingestopften Sportbekleidung für Frauen eine Damenhandtasche. Kurt hat also gelogen. Er hat das Gepäck von Anke mitgenommen. Das ist der entscheidende Beweis, denkt sie. Und ich habe ihn entdeckt.

      Die schwarze Handtasche mit goldenen Schnallen und zwei ebenfalls goldenen Zippverschlüssen an der Oberseite besteht offensichtlich aus zwei gleich großen Fächern. Ihre Hände zittern, als sie einen Zippverschluss öffnet. In diesem Fach ist nur der übliche Krimskrams wie Lippenstift, Eyeliner, Lesebrille, Sonnenbrille, Tictac und vieles mehr zu finden. Aus dem zweiten Fach kramt sie ein in Hellblau gehaltenes Seidentuch und eine überwiegend weiße Tablettenschachtel hervor. „Valproat Retardtabletten, fünfhundert Milligramm“, liest sie halblaut. Sie macht ein Foto von der Tablettenschachtel und sendet es Joe. Dazu tippt sie eine Nachricht: „Tasche und Koffer von Anke in Kurts Auto gefunden. Kannst ihn gleich verhaften.“

      Marlies hört plötzlich Schritte näherkommen und kann gerade noch die Heckklappe wieder schließen, bevor sich die Tür an der linken Seite öffnet.

      „Was machen Sie da?“ Eine eher kleine und mollige Frau steht in der Tür. Sie trägt einen grünen Jogginganzug. Das halblange schwarze Haar wirkt ungepflegt.

      „Entschuldigen Sie. Ich habe mich in der Tür geirrt. Marlies Knopfler, mein Name. Ich bin die Frau des Kommissars.“

      Die Frau nimmt die Hände von den Hüften und lässt die Arme schlaff nach unten baumeln.

      „Knopfler? Wie der Mark Knopfler?“

      Marlies sieht ihre Schwiegermutter vor sich. Wie diese kurz vor der Hochzeit verständnislos, ja fast schon ungehalten war, nur, weil Marlies ihren Nachnamen nicht aufgeben wollte. Marlies Machler wäre ein zu großer Abstieg für sie gewesen. Warum hat Joe nicht ihren Namen angenommen? Johannes oder Joe Knopfler klingt doch lässig. Vermutlich wegen seiner Mutter.

      „Genau so.“ Marlies lächelt. „Nur bin ich leider nicht verwandt mit ihm.“

      Das Gesicht der Frau hellt sich auf. Sie streckt Marlies die Hand entgegen. „Brigitte Hankler, ich bin die Ehefrau.“

      „Freut mich, Sie kennenzulernen. Fast hätten wir uns in Tauplitz getroffen.“

      Brigitte Hankler hebt die Augenbrauen. Das hätte ich nicht sagen sollen, denkt Marlies.

      Joe hatte ein Telefonat von Kurt mitgehört, in dem er erklärt hatte, wo die Schischuhe der Tochter zu finden wären. Marlies hatte sich gewundert, dass es jedem im Hotel egal zu sein schien, wenn Kurt zuerst mit seiner Geliebten da wäre und dann die Familie nachfolgte.

      „Sie wollten doch am Wochenende ins Grimmler kommen, oder?“

      „Ja, stimmt. Woher wissen Sie das?“

      „Reiner Zufall“, sagt Marlies.

      Die kurze und nichtssagende Antwort scheint Frau Hankler zu reichen.

      „Mein Mann hat am Freitag abgesagt und ist nach Hause gekommen“, setzt sie fort.

      „Wissen Sie auch, warum?“

      Frau Hanklers Mundwinkeln gehen noch weiter nach unten, als sie es im Ruhezustand schon sind. Sie nickt, sagt aber nichts.

      „Haben Sie die Tote gekannt?“, fragt Marlies. Sie nimmt an, dass Kurt vorsorglich gebeichtet hat. Wie sollte er sonst den Besuch von Joe erklären? Vielleicht hat ihm seine Frau auch auf die Meldung in der Zeitung angesprochen.

      Frau Hankler dreht den Kopf fast unmerklich hin und her und Tränen schießen aus ihren Augen.

      „Er ist so ein Schuft. Dabei hat er mir versprochen, dass endgültig Schluss ist mit seinen Seitensprüngen.“

      Sie heult so richtig los und Marlies nimmt die Frau, die sie erst seit einigen Minuten kennt, wie selbstverständlich in ihre Arme. Weinen, Trösten. Das gehört für Marlies zusammen, egal wer es ist.

      „Das tut mir so leid für Sie.“

      Frau Hankler richtet sich wieder auf und wischt sich die Tränen von den Wangen.

      „Aber mit dem Unfall hat er nichts zu tun. Das hat er mir hoch und heilig versprochen. Er hat diese Frau aus den Augen verloren im Nebel. Mir hat er gesagt, dass er geglaubt hat, sie sei abgereist. Sie hatten nämlich in der Nacht davor einen fürchterlichen Streit, bei dem sie den Kurt mit Gegenständen beworfen hat.“

      Kurt hat also selbst in seiner Beichte seine Frau noch belogen. Warum nur lässt er dann das Gepäck von Anke im Auto liegen?

      „Wissen Sie, worum es gegangen ist?“

      Frau

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