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      Doris Bühler

      Der Andere

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Epilog

       Impressum neobooks

      Kapitel 1

      Es gab nur einen einzigen Bahnsteig in Wallberg. Das rauchgeschwärzte Dach über den Gleisen ruhte auf dicken hölzernen Pfeilern; eine Uhr, sowie ein uraltes Ortsschild aus weißer Emaille hingen von der Decke herab. Inzwischen verkehrte hier nur noch eine kleine Privatbahn. Wer nach Ossfelden wollte, nahm lieber den Bus.

      Obwohl der Zug an diesem Mittwoch zehn Minuten Verspätung hatte, störte das niemanden. Die drei Fahrgäste, die einstiegen, kannten es nicht anders, und der einzige Fahrgast, der ausgestiegen war, - eine junge Frau in rotem Sommerkostüm, - schien nicht in Eile zu sein. Sie stellte ihre Reisetasche neben sich und sah dem Zug nach, wie er einen großen Bogen um ein Sägewerk schlug und schließlich in der Ferne verschwand.

      'Das Ende der Welt', dachte Laura Kaufmann amüsiert, während sie sich umschaute. Keine Menschenseele war zu sehen, nur von weitem hörte man Musik, als sei ein Jahrmarkt in der Nähe. Sie wünschte, Matthias hätte sie heute schon abholen können. In letzter Minute hatte er angerufen und sie gebeten, einen Tag später zu fahren. Er hatte in Heidelberg bleiben müssen, um einen wichtigen Gerichtstermin wahrzunehmen. Ihr hatte das nicht gefallen, denn nach der Wohnungsauflösung war sie vorübergehend bei ihrer Freundin Sina untergekommen und wollte deren Gastfreundschaft keinen Tag länger in Anspruch nehmen. Außerdem hatte sie sich auf die Reise gefreut und konnte es kaum erwarten, ihre neue Heimat kennenzulernen, deshalb hielt sie an ihrem Reisetermin fest. Zwar war Matthias etwas verstimmt gewesen, hatte ihr dann aber im Dorfgasthof ein Zimmer bestellt, weil es seinem Bruder Michael erst am nächsten Tag möglich war, sie abzuholen.

      Laura nahm ihre Reisetasche auf, sie war nicht sehr schwer. Die meisten ihrer Sachen hatte sie in zwei großen Koffern verstaut, die sie vor ihrer Abreise aufgegeben hatte, und die Matthias später in Ossfelden mit dem Wagen abholen lassen würde.

      Vielleicht hätte sie nicht darauf bestehen sollen, direkt nach Wallberg zu fahren, dachte sie. Ossfelden oder gar Heidelberg wären praktischer gewesen. Möglicherweise hätte sich Matthias sogar während einer Pause oder nach der Verhandlung von seinen Kollegen loseisen und mit ihr essen gehen können. Und falls nicht, hätte sie allein etwas unternehmen können. Hier in diesem verschlafenen Nest blieb ihr nichts anderes übrig, als sich beizeiten schlafenzulegen. Was natürlich auch nichts schadete, weil sie auf diese Weise der Familie Riva am nächsten Tag frisch und ausgeruht gegenübertreten konnte.

      Vorsichtig überquerte sie die Holzbohlen, die über die Schienen führten. Vom vormals schmucken kleinen Bahnhofsgebäude war nichts übriggeblieben, als ein leerer Raum mit gesprenkeltem, schon rissigem Steinfußboden. An den Wänden hingen noch die vergilbten Reklame-Plakate aus vergangenen Tagen, dazwischen ein ausgedienter Getränke-Automat und ein Zigaretten-Automat, der sogar noch zu funktionieren schien. Die Straße vor dem Bahnhof, ursprünglich geteert, nun aber mit zahllosen Schlaglöchern versehen, verlor sich auf der einen Seite zwischen den Werksgebäuden der Sägemühle, auf der anderen führte sie der Ortschaft entgegen, aus deren Mitte naseweis ein Kirchturm über den Dächern hervorschaute.

      Gutgelaunt machte sich Laura auf den Weg in Richtung Dorf, und je weiter sie sich dem Zentrum näherte, desto lauter wurde die Musik. Nicht die blechernen Töne einer Blaskapelle oder Volksmusik, wie sie sie in dieser Gegend erwartet hätte, sondern die neuesten Hits, die zur Zeit auch in den Radiostationen rauf- und runtergespielt wurden. Und während sie über die holperige Straße marschierte, vorüber an den ersten geduckten Häuschen und bunten Blumengärten, ertappte sie sich dabei, daß sie ihre Schritte dem Takt der Musik anpaßte und vor sich hin summte. Auf den Bänken vor den Häusern saßen alte Leute und nutzten die Zeit vor dem Dunkelwerden zu einem kleinen Plausch. Sie hielten inne und murmelten "N’Abend”, wenn sie sie freundlich grüßte. Auf der Straße spielten Kinder. Ein Ball rollte ihr vor die Füße, und sie kickte ihn lachend zurück.

      Nach wenigen Minuten hatte sie den Dorfplatz erreicht, eine riesige Kastanie stand in seiner Mitte. Dahinter war das Gasthaus Zum Krug zu sehen, ein altes Fachwerkgebäude, über dessen Eingang ein Blechschild in Form eines Kruges im leichten Abendwind schaukelte. An der Giebelseite des Hauses klebte ein recht modern anmutender flacher Neubau, aus dessen offenstehenden Fenstern die Musik über den Platz hallte, die schon von weitem zu hören gewesen war, - untermalt von Schreien, Rufen und lustigem Gegröle der Dorfjugend.

      Der Krug schien das einzige Gasthaus am Platze zu sein. Hinter der schweren Eingangstür führten ein paar ausgetretene Stufen in einen dunklen Hausflur. Die plötzliche Dunkelheit machte es Laura schwer, sich gleich zurechtzufinden, doch dann erkannte sie linker Hand eine Tür mit dem Hinweis

       Gaststube

      , während rechts eine Treppe in die oberen Stockwerke hinaufführte. Instinktiv duckte sie sich ein wenig, als sie die Tür zur Gaststube öffnete, denn die Holzdecke war niedrig und der Raum so verraucht, daß sie im ersten Moment nicht viel erkennen konnte. Erst auf den zweiten Blick sah sie im Tabakdunst und im spärlichen Licht, das durch die Butzenscheiben hereinfiel, eine Reihe neugieriger Gesichter auf sich gerichtet.

      Der Wirt stand hemdsärmelig hinter der Theke und bediente den Bierhahn.

      Sie stellte die Tasche ab. “Mein Name ist Kaufmann”, sagte sie zu ihm, “Laura Kaufmann. Für mich ist ein Zimmer reserviert worden.”

      Der Wirt schob seinen Zigarrenstummel von der einen Seite des Mundes auf die andere und hielt ihn mit gelben Zähnen fest. “Richtig”, sagte er, während er einen Blick in ein abgegriffenes Heft warf, “Kaufmann. Ein Zimmer für eine Nacht.”

      Er wandte sich um, griff einen Schlüssel vom Brett und legte ihn vor seinem Gast auf die Theke.

      “Zimmer fünf. Die Benutzung der Dusche am Ende des Ganges kostet zwei Euro extra.”

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