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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738004960
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er atmete tief durch und beendete seine Ausführungen mit den Worten: ›Das ist erst einmal alles, was ich Ihnen zum Unfallhergang mitteilen kann. Ich werde Sie auf jeden Fall über den Stand der weiteren Ermittlungen auf dem Laufenden halten.‹
Der Hauptwachtmeister hatte mich die ganze Zeit fixiert und schnell hintereinanderweg gesprochen und war nun sichtlich froh, dass er diese schwierige Aufgabe hinter sich gebracht hatte. Er wartete auf eine Reaktion von mir, doch ich musste das Gehörte erst einmal verarbeiten. In meinem Kopf hatten sich während der Ausführungen des Polizisten Bilder gebildet, mit denen ich das Geschehen nachzuvollziehen suchte. Mir stockte der Atem und es wurde mir schlecht, als ich mir meine blutenden, im Fahrzeugwrack eingeklemmten Familienangehörigen vorstellte. Mein Anblick muss beängstigend gewesen sein, denn der Polizist hatte schon einen fragenden und um Hilfe flehenden Blick auf den Arzt geworfen, als dieser auch schon aufstand, zu mir trat und mich fragte: ›Ist Ihnen schlecht? Soll ich das Fenster öffnen?‹
›Ja, ich glaube, das wäre nicht schlecht‹, keuchte ich.
Der Arzt trat, ohne mich aus den Augen zu lassen, ans Fenster, nahm die Pflanzen weg und öffnete es weit. Zitternd und taumelnd stand ich auf und trat, gestützt vom Polizisten, ans Fenster. Die frische Luft tat gut und langsam konnte ich wieder klar sehen. Doch in meinem Kopf wirbelte alles durcheinander. Alles war so düster, so trostlos. Doch das Wetter und die Natur schienen dem allen Hohn zu spotten. Die Sonne war hinter den Gewitterwolken hervorgekommen und begann, die Nässe vom Boden aufzusaugen. Die Vögel zwitscherten fröhlich, die Luft war klar und sauber, alles sah so frisch, so erholt aus. All dies passte überhaupt nicht zu meiner derzeitigen Verfassung. Langsam begann ich meine Gedanken zu ordnen.
›Danke, es geht schon wieder. Das ist bloß sehr viel auf einmal. Ich muss das erst einmal verarbeiten.‹
Der Arzt nickte.
›Das kann ich verstehen. Wenn Sie möchten, können Sie gerne eine Weile hier in diesem Büro bleiben. Hier stört Sie keiner und Sie können erst einmal zur Ruhe kommen.‹ Er schaute mich fragend an, und als ich nicht reagierte, gab er dem Polizeibeamten mit den Augen einen Wink und sie verließen gemeinsam den Raum.
Ich setzte mich und holte tief Luft. Dann versuchte ich das Gehörte zu verarbeiten. In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich nun allein war. Diese Erkenntnis erschlug mich fast, denn ich hatte nun niemanden mehr. Meine Eltern lebten nicht mehr, meine Schwester war weit weggezogen und nun waren meine einzigen nahen Verwandten mit einem Schlag nicht mehr da. Plötzlich spürte ich, dass die Stille und Einsamkeit in diesem kleinen Raum mich erdrückte. Schwer atmend und am ganzen Körper zitternd stand ich auf. Ich verließ das Büro und begab mich in die Notaufnahme. Die an diesem Ort herrschende Betriebsamkeit tat mir gut und ich schaute mich nach dem Arzt und dem Polizisten um. Schließlich fand ich sie in ein Gespräch vertieft, Zigarette rauchend vor der Tür stehen.
›Tut mir leid, aber allein in diesem kleinen Büro, das ist jetzt doch nicht das Richtige für mich. Als ich kam, habe ich vorn beim Haupteingang eine Cafeteria gesehen, und ich denke bei einer Tasse Kaffee kann ich meine Gedanken jetzt besser ordnen.‹
Anscheinend hatten sich die beiden gerade über mich unterhalten und der Arzt schien nun sichtlich erleichtert zu sein, dass ich diese Entscheidung getroffen hatte. Er nickte zustimmend und bat mich nur, später noch einmal bei ihm vorbeizuschauen, um einige Formalitäten zu erledigen. Auch auf dem Polizeirevier sollte ich mich zu diesem Zweck noch einmal melden.
Ich nickte und begab mich in die Cafeteria. Dort musste ich mich zwingen, nicht meiner Verzweiflung nachzugeben, sondern über die weiteren Schritte nachzudenken. Nach einer Weile gelang mir das auch und ich fand zu der rationalen Handlungsweise zurück, für die ich bei meinen Geschäftspartnern bekannt war. Ich zog das Notizbuch, das ich immer bei mir hatte, hervor und begann mir Notizen über die nächsten Schritte zu machen.
Der Rest dieses Tages war wie ein Lauf durch dicken Nebel. Ich funktionierte rationell und von außen drang nichts richtig bis zu mir vor.
Nachdem ich Schritt für Schritt abgearbeitet hatte, was ich zu diesem Zeitpunkt für notwendig erachtete, fuhr ich nach Hause und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Nun begann ich zu bereuen, dass ich mir so wenig Zeit für meine Familie genommen hatte. Bilder aus der Vergangenheit stürmten auf mich ein und ich sah so vieles, was ich hätte anders oder besser machen können.
Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen trübsinnigen Gedanken. Meine Schwester erkundigte sich nach meinem Befinden und bot mir an, mich in den kommenden Tagen zu unterstützen. Ich war dankbar für dieses Angebot, denn die Einsamkeit in diesem Haus war belastend. Nachdem ich einige Bier getrunken hatte, kam ich soweit zur Ruhe, dass ich