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Traktor, der uns passend vorkam: einen Geräteträger mit Namen RS 09. Frederik war ganz begeistert von dem merkwürdigen Trecker, der in meinen Augen eher wie ein Kinderklettergerüst aussah, beinahe wie ein seltsames Gerippe mit einem langen Stahlträgerbalken, an dem scheinbar die Räder nur seitwärts dran geschraubt wurden und der Sitz einfach auf dem Balken oben drauf gesteckt wurde. Einen Trecker stellte ich mir irgendwie anders vor. Seine schönsten Glanzzeiten hatte das Gerät längst hinter sich gelassen, soviel stand fest. Der Trecker war knallrot lackiert mit einem grau lackierten Frontheber und grauen Felgen. Frederik freute sich auf die Herausforderung, mit dem Trecker zu arbeiten, überschätzte aber scheinbar seine anfängliche Kompetenz auf dem Gebiet. Vom dem Moment an, als die beiden Verkäufer uns das Gerät vorführten, kamen mir Zweifel an dem seltsam anmutenden Trecker. Auf den ersten Blick sah er gepflegt und sauber aus. Sauber? Ein Trecker? Mir kam es komisch vor. Warum ist ein Trecker, mit dem angeblich noch gearbeitet wird, so sauber? Mir fiel auf, dass die Lackierungen überall, sogar über Kabel und Schrauben, scheinbar nur drüber gesprüht wurden. Ist das nicht so, als würde man etwas vertuschen wollen? Fast überall fehlten Schrauben und Bolzen oder es tröpfelte irgendwo eine Flüssigkeit heraus. Doch ich stand im Tal der Ahnungslosen, mit Trecker kannte ich mich so gar nicht aus. Darum fragte ich etwas kleinlaut nach, ob da nicht ein paar Schrauben fehlen und warum hier und da etwas heraustropfen würde. Ich wurde von den Männern belächelt. „Frauen!“ Mir wurde erklärt, dass das bei solch alten Geräten einfach so sei und durchaus immer so wäre, „dass da was tröpfelt“. „Das ist halt so“, hieß es. Ich hielt mich dann skeptisch zurück und hoffte, dass Frederik in seiner Überzeugung schon wissen würde, ob das alles so seine Richtigkeit hätte. Die beiden Verkäufer waren schließlich auch richtig nett. Gegen Aufpreis würden sie uns das Ding sogar nach Hause liefern. Prima, eine Sorge weniger, denn wir hätten auch nicht gewusst, wie wir den Trecker zu uns bekommen sollten. Also waren wir uns rasch handelseinig, und dies, obwohl Frederik das Ding nicht mal zur Probe fahren konnte. Komisch, bei Autos macht man das doch so, oder? Wir waren froh, dass man uns den tollen Trecker nach Hause liefern würde und wir schon bald unser Stroh und Heu selbst von der Scheune abholen könnten. Gleich am nächsten Tag brachten uns die freundlichen Verkäufer gegen Aufpreis den tollen, neuen Trecker. Sie ließen ihn von der Laderampe hinunterrollen und stellten ihn dort ab, wo er zum Stehen kam. Wir müssten nur noch etwas Getriebeöl aufkippen, hieß es. Das hätten sie für den Transport wohl abgelassen. Warum sie sich die Mühe machten, das Getriebeöl für den Transport abzulassen, erstaunte mich schon etwas, aber wie gesagt, ich war halt kein Kenner dieser alten Technik. Es würde sicherlich auch das geringste Problem sein, etwas Öl nachzuschütten. Frederik ließ sich zeigen, wo wir das Getriebeöl aufkippen mussten, und „schwupps“ waren die Herren zügig wieder weg. Da, wo der Trecker abgestellt wurde, blieb er dann auch die nächsten Tage stehen. Um genau zu sein, die nächsten Wochen. Irgendwie lief das Getriebeöl immer unten wieder raus, wenn wir es oben aufkippten. Komisch. Es lief irgendwie immer wieder aus allen Löchern, wo auch die vielen Schrauben und Bolzen zuvor von mir vermisst wurden. Also zogen wir los, um Bolzen und Schrauben in der passenden Größe, eine Dichtung und dazu noch Muffen, Dichtringe etc. zu kaufen. Und wenn man meinte, das wäre es jetzt gewesen, so kam ein neues „Und" dazu. Es kam, wie es kommen musste, wir beiden Stadtkinder waren die perfekten „Bauernopfer“ geworden und haben uns eine absolute Grotte andrehen lassen, die nur hübsch mit Farbe übergepinselt worden war. „Bauernblind“ nennt man das. Der Trecker war undicht und es lief quasi aus allen Ritzen, überall fehlten Teile und Dichtungen. Es war nahezu alles an dem Gerät defekt was nötig war, um den Trecker im Einsatz zu halten. Das war schlichtweg ein Reinfall. Doch da stand er nunmal, der Reinfall. Selbst wenn wir ihn nun wieder weggeben wollten, wir hatten ihn gar nicht vom Fleck weg bekommen. Frederik wurde nach und nach nun auch klar, was mir in meiner „Frauenlogik“ wesentlich schneller klar gewesen war: Der Trecker wird ein langes Bastelprojekt ohne tatsächlichen Nutzen. Es musste also rasch eine Alternative her. Hier kam der Wink des Schicksals und wir hatten Glück im Unglück. Zwischenzeitlich hatten wir wegen der immer schlechteren Heuqualität den Heulieferanten gewechselt. Der Kutscher hatte uns seinen Heulieferanten Hotte empfohlen. Ein Glücksgriff, denn wir bekamen jede Woche einen bedeutend besseren Heuballen von ihm geliefert als die vergammelten Dinger, die uns der vorherige Lieferant zumutete. Hotte fiel selbstverständlich gleich der Trecker ins Auge, als er unseren wöchentlichen Heurundballen lieferte. Wie es überhaupt dazu kam, dass nun auf unserer Wiese vor dem Haus dieser nutzlose Trecker stand, erzählten wir natürlich etwas peinlich berührt. Von dem Plan, nebenan gleich den ganzen Jahresvorrat einlagern zu wollen, waren wir immer noch begeistert. Hotte war in der Umgebung natürlich wesentlich besser vernetzt als wir und kannte zufällig jemanden, der ebenfalls einen RS09 verkaufen wollte. Der Trecker sei zwar nicht so ansehnlich, aber er wäre dafür zu 100% sofort funktional und würde treue Dienste leisten. Das sicherte uns Hotte zu, und diesmal hatte ich auch ein gutes Gefühl bei der Sache. Da Hotte uns bei dem Kauf Unterstützung zusicherte, gingen wir auf das Angebot ein und kauften also einen recht rostigen und unschönen RS09 dazu, welcher dafür aber tatsächlich zuverlässig funktionierte. Wie heißt es doch so schön: Aussehen ist nicht alles. Wir hatten nun einen (schönen) Trecker, der nichts taugte und einen hässlicheren Trecker, mit dem wir aber alles Nötige erledigen konnten.
Frederik nannte den Taugenichts von Trecker fortan „Styler“. Der taugte halt nichts, sah aber stylisch aus, wobei Schönheit immer im Auge des Betrachters liegt. Der Styler wurde Frederiks Projekt. In liebevoller Fleißarbeit begann er, ihn mühselig wieder flott zu machen. Bastelte Frederik früher gern an benzinbetriebenen, ferngesteuerten Modellautos herum, wurde das „Männerspielzeug“ nun deutlich größer. Für die anfallenden Arbeiten hatten wir das „Arbeitstier“ gekauft. Dem Plan, unser Heu in die schützenden Hallen einzulagern, stand nun also nichts mehr im Wege.
Wie aufregend war es, den ersten Ballen aus der Halle abzuholen. In dieser ganzen Vorfreude und Aufregung hatten wir irgendwie völlig vergessen, dass man für den Transport des Heurundballens nicht nur einen Trecker mit Frontheber benötigte, wie ihn unser Arbeitstier ja hatte, sondern dass an diesem Frontheber vorne auch eine Heugabel angebracht sein müsste, um den Heuballen daran aufspießen zu können. Das fiel uns aber erst auf, als wir vor den Rundballen standen. Völlig überfragt liefen wir um den Ballen und den Trecker herum und rätselten, wie wir diesen Ballen nun an den Hubarm bekämen. Als wir merkten, wie verplant wir waren, prusteten wir nur noch vor lauter Lachen los. Wenn uns jemand beobachtet hätte, wäre es sicherlich ziemlich peinlich gewesen. Städter! Nach all diesem Schlamassel standen wir nun völlig naiv vor diesem Ballen und hatten zwar einen Trecker, sogar einen Trecker mit Hubarm, hatten auch einen Heuballen, aber immer noch keine Ideallösung für den Transport, da uns die Mistgabel am Hubarm fehlte. Es war einfach zu komisch, eigentlich hätte alles so einfach sein können. An diese blöde Gabel hatte keiner von uns gedacht und Hotte wie es scheint auch nicht. Doch wir brauchten den Ballen nun für die Tiere und konnten nicht noch länger warten, bis wir eine passende Heugabel für den Trecker irgendwo auftreiben konnten. Darum nahmen wir einfach ein paar Spanngurte zur Hand und zurrten den Ballen am Hubarm des Treckers fest. Wir fotografierten dieses Ereignis natürlich für unser Jahresalbum und konnten es zwischendrin immer wieder selbst kaum fassen, dass wir zwei Berliner nun auf einem eigenen Trecker saßen und nun, auf eine recht seltsame Art und Weise, Heu zu unseren eigenen Tieren, auf unserem eigenen Hof transportierten.
Es fühlte sich so unglaublich an. Auf der Rückfahrt waren wir schon ein bisschen stolz auf uns, da war die Heugabel auch egal. Hätte uns jemand zwei Jahre zuvor gesagt, dass wir an diesen Punkt kämen, so hätten wir ihn vermutlich ausgelacht, so unwirklich und ungeplant verlief die Zeit bis dahin. Mit Gummistiefel und Trecker über Felder und Äcker, um die eigenen Tiere mit Futter zu versorgen.
Die angewachsene Tierhaltung stellte uns natürlich nicht nur vor die Herausforderung, die Tiere gut zu versorgen und unterzubringen. Wir mussten auch auf die Gesundheit und Gesunderhaltung der Tiere achten. Doch wo geht man mit einem Schaf oder einer Ziege zum Tierarzt? Wir kannten bis dahin nur den Kleintierarzt für Hund und Katze. Unser Stammtierarzt in der Stadt war natürlich auf Kleintiere spezialisiert, und der staunte nicht schlecht, als ich das erste Mal mit einem unserer Schafe hilflos in seiner Praxis stand. Im Wartezimmer saß mir eine Dame mit einem kleineren Hund gegenüber. Vermutlich dachte sie zunächst, ich sei mit einem großen, recht ungepflegt aussehenden Hund da. Diese Annahme verflog schockartig,
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