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lassen dich nicht ganz allein“, beruhigte Fleischer. „Trotzdem, du musst ihn finden. Den Rest kannst du dann uns überlassen. Aber es eilt, verstehst du? Jeden Tag kann die Bombe platzen!“

      „Ihn finden, in einer Stadt? Wie stellt ihr euch das vor?“

      „Freiburg ist eine mittelgroße Stadt mit klar begrenztem Zentrum“, versuchte Fleischer, zu beruhigen. „Das er dir da über den Weg läuft, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Falls er tatsächlich noch am Leben sein sollte. Was eigentlich gar nicht sein kann.“

      „Ich bin doch kein Praktikant, Herbert! Ich kenne das Geschäft“, tadelte Gerteis.

      „Was Besseres habe ich einfach im Moment nicht für dich“, presste Fleischer hervor. „Ich arbeite daran, eine ganze Gruppe auf alle gemeldeten Lehmanns in Freiburg anzusetzen. Sie werden uns Fotos liefern, die du prüfen kannst.“

      ***

      Immerhin lag die Wohnung direkt im Zentrum. Ein großzügig renovierter Altbau, den sich Gerteis niemals hätte leisten können. Regelmäßig erhielt er Besuch von Fleischer, der ihm wie angekündigt Fotos aller in Freiburg und Umgebung gemeldeten Lehmanns zwischen dreißig und fünfzig vorzeigte. Bisher ohne Erfolg.

      Ebenso erfolglos blieben die vielen Spaziergänge, die Gerteis jeden Tag an belebte Orte der Stadt führten: Bahnhof, Münster, die Gassen der malerischen Altstadt.

      Dass es mit dieser Methode praktisch unmöglich sein dürfte, einen ehemaligen Agenten aufzuspüren, blieb bei den Gesprächen mit Fleischer tunlichst unerwähnt.

      Fleischer ließ schließlich mit einigem Aufwand am Bahnhof eine gut getarnte Kamera anbringen, die den Menschenstrom direkt in die Wohnung übertrug. „Jeder geht mal zum Bahnhof“, so die Begründung, die kaum von der Hand zu weisen war. Vorausgesetzt natürlich, der Gesuchte lebte überhaupt in der Stadt.

      Gerteis verbrachte unzählige Stunden vor dem Monitor. Es kam ihm vor wie damals, als es zwar nicht an Mitarbeitern gemangelt hatte, dafür aber umso mehr an Ausrüstung.

      Damals hatte das dazu geführt, dass sie preiswerte Methoden entwickelt hatten. Den Mangel genutzt hatten, anstatt ihn zu beklagen.

      Die Aufnahme blieb für einige Stunden aufgezeichnet. Gerteis konnte in einem Schnelldurchlauf vorsortieren. Falls es einen Treffer geben sollte, konnte er direkt aus dem Film ein Standbild erstellen, um Lehmann damit zu identifizieren.

      Sobald ein brauchbares Foto vorlag, wurde der Rest vergleichsweise zum Kinderspiel. Lehmann würde unauffällig von der Bildfläche verschwinden. Die Leiche in einer entlegenen Gegend begraben, vorzugsweise in unzugänglichem Gehölz, das der nahe gelegene Schwarzwald zuhauf anbot. Was bedeutete ein weiterer Verschwundener, angesichts der Zahl, die das System schon gefordert hatte. Im Stillen würden diejenigen, die dadurch unentdeckt blieben, ihm möglicherweise für sein Opfer dankbar sein. Immerhin besser, als völlig umsonst gestorben zu sein. Darin waren sich Fleischer und Gerteis einig.

      ***

      Nach zwei Wochen war der Fall des Denkmalpflegers Jürgen Leimer bereits aus der täglichen Berichterstattung verschwunden. Spekulationen über eine heimliche Geliebte hatten sich nicht bewahrheitet. Selbst nach intensiven Recherchen durch die Presse hatte sich kein nennenswerter Skandal gefunden.

      Franks Befürchtung, gesehen oder verpfiffen worden zu sein, verflüchtigte sich mit jedem Tag, der verging, etwas mehr. Wozu also die Gegend verlassen, an die er sich inzwischen so gewöhnt hatte. Für ihn als Heimatlosen war sie zu einem wichtigen Teil seiner Existenz geworden. Die Wurzeln, die er hier geschlagen hatte, waren die ersten seit Langem.

      Die Polizei schien sich auf einen normalen Raubüberfall festgelegt, zu haben. Ein Unbekannter auf Durchreise, der auf ein Zufallsopfer gestoßen war.

      Nur einige Plakate, die mögliche Zeugen aufriefen, sich bei der zuständigen Behörde zu melden, hingen noch da und dort und erinnerten an den Mord. Von intensiven Ermittlungen jedoch keine Spur.

      Einer weniger, war offenbar die Arbeitshypothese, dachte Berger. Was soll`s? Der Mann hinterließ keine Familie, die Druck ausübte, spann er den Gedanken weiter. Von dem würde bloß eine dünne Akte übrig bleiben, die im Archiv verstaubte. Und vielleicht stiftete ihm der Staat dazu noch einen halbwegs ansehnlichen Grabstein.

      Den auch schon bald keiner mehr beachten würde.

      Wenn es ihn selbst erwischt hätte, überlegte Frank, würde es einfach bei der Akte bleiben. Da war der doch noch deutlich besser gestellt als er. Oder etwa nicht?

      Frank konnte ein Grinsen beim nächsten Gedanken nicht unterdrücken. Wenn der Denkmalpfleger einmal in ferner Zukunft von Schatzsuchern ausgraben werden sollte, dann würden die bestimmt darauf schließen, dass er ein absolut unwichtiger Vorfahr gewesen sein musste. Jedenfalls keinerlei Beigaben wert.

      ***

      So untätig wie es schien, blieb die Polizei natürlich nicht. Allerdings verlief die Auswertung der Spuren rasch im Sand. Die Techniker hatten viel Müll aufgesammelt und dutzende von Reifenspuren gesichert. Etliche Münzen, zwei einfache Schmuckstücke und ein offenbar vor längerer Zeit verlorener Schlüssel stellten die markantesten Funde dar. Ein direkter Zusammenhang mit dem Mord fand sich an keinem der Stücke. Mit Reifenspuren, die von einem solchen Rastplatz stammten, konnte man zwar einen klaren Verdacht erhärten oder entkräften. Aber für eine Suche ohne weiteren Anhaltspunkt blieben sie unbrauchbar.

      Alle Hoffnung ruhte jetzt auf der Tatwaffe. Der dunkle Holzgriff des Messers mit den großen, gelb glänzenden Messingnieten und der fünfzehn Zentimeter langen Klinge musste irgendwo irgendwem aufgefallen sein. Die Nieten waren auffallend sorgfältig eingearbeitet. Die matt schimmernde Klinge verwies auf Stahl bester Güte. Kein billiges Küchenutensil. Eher das Werkzeug eines Meisters. Eines Kochs oder eines Schlachters?

      Oder stammte es lediglich aus dem Besitz eines Ignoranten, der es sich einfach leisten konnte?

      Genauso sehr, wie das Teil auffiel, sollte doch auch sein Fehlen bemerkt werden. Das wäre zumindest zu erwarten.

      Solche Ermittlungen benötigten jedoch meistens sehr viel Zeit. Und ob die Herkunft des Messers wirklich weiterhelfen konnte, stand in den Sternen. Hätte es dem Täter schon längere Zeit gehört, hätte er es wohl kaum zurückgelassen.

      Die Information über den am Fahrrad gefundenen Fingerabdruck hielt Krüger immer noch zurück. Offiziell, um den Täter in Sicherheit zu wiegen. In Wirklichkeit traute er dem Ergebnis nicht ganz. Ohne klaren Grund. Für Krüger war dieser Print einfach zu sehr im „richtigen Moment“ aufgetaucht. Das fand er einfach „zu glatt“.

      6. Kapitel

      Freddy Endtinger biss sich genervt auf die Lippen. Jetzt ließ es sich nicht mehr ignorieren. Sein Fundstück von unschätzbarem Wert erwies sich als schwer verkäuflich. Nicht nur, weil sich eine solche Sensation längerfristig ohnehin nicht geheim halten ließ. Sondern auch, weil es inzwischen der dritte interessierte Käufer gewesen war, der es als plumpe Fälschung bezeichnet hatte. Das glaubte Freddy immer noch nicht. Aber seine bisher unerschütterliche Überzeugung, sein Wissen sei umfassend und das Fundstück echt, hatte doch erste Risse bekommen.

      Nicht nur schlecht für sein Ego. Freddy hatte in Anbetracht des zu erwartenden Reichtums den einzigen Mitwisser gezielt zum Schweigen gebracht. Teilen gehörte nicht zu Freddys bevorzugten Eigenschaften. Deshalb konnte und durfte es einfach nicht anders sein. Die Platte mit dem eingekratzten Muster zeigte ein Sonnensystem mit Planeten und ihren Monden, wie es heute jedermann kennt. Die Knotenornamente am Rand dagegen, deuteten ganz klar auf den keltischen Ursprung hin. Also wussten die Kelten bereits über die Himmelsmechanik Bescheid. Schon vor mehr als tausend Jahren.

      Das hatte Freddy zunächst natürlich auch nicht geglaubt. Aber der Anbieter hatte einige fundierte Argumente vorgebracht, die Freddy alle nach und nach sorgfältig überprüft hatte. Für einen Laien war

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