Скачать книгу

wird es ihr Verzeihen, wenn sie wieder mitten in der Nacht anruft. Sie will einfach nicht noch zwei Stunden warten, bis es in der Schweiz acht Uhr ist.

      Der Mann, welcher das Telefon hütet ist über den Besuch erstaunt. Von dieser Seite erwartet er keinen Besuch. Für ihn galt die Felswand als unbezwingbar.

      Nach der kurzen Begrüssung stellt Prior endlich die Verbindung her. Es knackt mehrmals in der Leitung, dann endlich der Summton, es läutet. Wie nicht anders zu erwarten war, dauert es lange bis sich Anna meldet: «Hallo – bist du’s Olivia?»

      «Ja ich bin’s – Guten Morgen Anna. Entschuldige, dass ich wieder mitten in der Nacht anrufe.»

      «Das macht doch nichts, die Hauptsache ist, dass du noch am Leben bist, ich habe mir solche Sorgen gemacht», dann war sie vorerst sprachlos, sie kämpft gegen die Tränen. In ihrer Fantasie hat sie sich schon die schlimmsten Geschichten zusammengereimt. Nun schämt sie sich dafür.

      «Anna, mir geht es gut. Es hat nicht alles so geklappt wie es geplant war, doch jetzt habe ich zumindest das Telefon erreicht. Es war nicht einfach. Der Lastwagen ist nicht gekommen und wäre auch nie gekommen, er scheint endgültig den Geist aufgegeben zu haben. Genaues weiss der Mann, welcher das Telefon hütet leider nicht.»

      «Das ist nicht so wichtig, die Hauptsache ist, dass du noch lebst», Anna findet langsam ihre Sprache wieder, «los erzähl, wie ist es dir ergangen.»

      «Später, jetzt muss ich zuerst mein Problem lösen», unterbricht Olivia, «ich sitze hier rund hundert Kilometer von Meer entfernt auf einem Bergkamm und habe keine Ahnung, wie ich das Meer erreichen soll, zu einem Fussmarsch von hundert Kilometer habe ich keine Lust, die rund vierzig Kilometer, die bereits hinter mir liegen, reichen mir.»

      «Kann ich dir helfen?»

      «Ich weiss nicht, vielleicht sollten wir erst mal herausfinden, wie du mich erreichen kannst. Auf dem Apparat steht keine Nummer, ich weiss also nicht, ob du mich zurückrufen kannst. Momentan kannst du sicher nichts unternehmen, in der Schweizer schlafen alle noch, oder?»

      «Ja vermutlich schon, was glaubst du, wie könnte ich dich erreichen?»

      «Versuche bei der Telefongesellschaft herauszufinden woher der Anruf kommt», schlägt Olivia vor. «Ich werde in genau einer Stunde nochmals anrufen, vielleicht können sie den Anruf zurückverfolgen.»

      «Gute Idee, ich werde mich darum kümmern.»

      «Also bis in einer Stunde, tschüss Anna, danke!»

      Gegen Abend hat Olivia es geschafft. Professor Tobler ruft sie an. Er verbreitet bei Olivia einen gewissen Optimismus, hat sie es tatsächlich geschafft? Professor Tobler wird versuchen, einen Helikopter zu entsenden. Noch ist nicht sicher, ob er eine Landebewilligung erhält. Da der Lastwagen offensichtlich nicht mehr repariert werden kann, wird die Lage sicher als Notfall eingestuft. Doch ohne Beziehungen wird es nicht gehen und einiges an Entwicklungsgelder werden auch fliessen müssen.

      «Frau Hauser, Sie legen sich jetzt schlafen», erklärt ihr der Professor, «ich hoffe, dass wir Morgen etwas mehr wissen. Auf alle Fälle bleiben Sie da wo Sie jetzt sind, so können wir Sie erreichen. Bei ihnen wird es Nachmittag sein, bis wir uns melden, bitte nicht nervös werden. Ich wünsche eine gute Nacht.»

      Damit ist das Gespräch beendet. Die Aussicht, dem Dschungel mit einem Helikopter zu entrinnen stimmt Sie optimistisch.

      Nun verabschiedet sie sich von ihren Trägern, sie können in ihr Dorf zurück. Der Mann am Telefon hatte zum Glück noch etwas Salz und einige Speerspitzen aus Metall, welche Olivia ihm abkaufen konnte. So kann sie die Männer ohne schlechtes Gewissen, verabschieden. Sie werden als Helden in ihr Dorf zurückkehren. Beruhigt legt sich Olivia schlafen.

      Da sie schon die vorherige Nacht gut geschlafen hat, ist sie bereits bei Sonnenaufgang munter. Sie nutzt die Zeit um die Umgebung zu Fotografieren. Sie kann sich nur schlecht mit dem alten Mann verständigen. Sie Essen gemeinsam, sonst geht sie eigene Wege. Der Mann ist mit sich selber beschäftigt. Die ständige Einsamkeit hat ihre Spuren hinterlassen.

      Als die Sonne den Zenit überschritten hat, bleibt sie in der Nähe des Telefons. Sie will den Professor nicht warten lassen.

      «Hallo Frau Hauser, sind Sie am Apparat.»

      «Ja, hier spricht Frau Hauser», ruft sie in Telefon.

      «Die Verbindung ist heute relativ schlecht. Also nur kurz, ich versuche einen Helikopter zu organisieren. Der Botschafter in Jakarta setzt alle Hebel in Bewegung. Es wird sicher noch zwei Tage dauern, ich hoffe, Sie halten es noch so lange aus.»

      «Kein Problem, ich habe genug zu essen und schlafen kann ich auch. Auf einen Tag kommt es nicht an. Schauen sie, dass Sie dem Mann hier ein kleines Geschenk mitbringen können. Er schaut gut zu mir.»

      «Machen wir, also, nochmals eine gute Nacht, ich melde mich Morgen nochmals.»

      Drei Tage später landet Olivia in Ambon. Der Flug mit einem Armeehelikopter verlief ohne Probleme. Sie konnte ihr gesamtes Gepäck mitnehmen. Ambon, ist eine Stadt mit über zweihunderttausend Einwohnern. In der Universität logiert sie für drei Tage in einer Studentenbude. Einfach eingerichtet, aber mit richtigem Bett. Ihre gesammelten Gegenstände werden in einer Kiste verpackt, zum Hafen gefahren und per Schiff nach Europa verschickt. Die persönlichen Gegenstände packen sie in ihren Rucksack. Am Tag darauf sitzt sie bereits in einem kleinen Flugzeug, welches sie nach Bali bringt. Dort soll sie sich noch einige Tag erholen und anschliessen mit einem Charterflug in die Schweiz zurückfliegen.

      In Bali wird sie im Flora Beatch Hotel in Kuta untergebracht. Dort ist es ihr zu laut. In einer Bar trifft sie eine Gruppe mit Tauchern, die bieten ihr an, sie für einige Tage nach Tulamben zu begleiten, dort sei es ruhiger. Im Ocean-Sun Ressort teilt sie sich mit einer anderen Taucherin das Zimmer.

      Für den nächsten Tag bucht sie einen Tauchkurs, günstiger kann sie das Tauchbrevet nirgends machen. Am Ende des Kurses, taucht sie mit der Gruppe zur “Liberty“ ab. Das im zweiten Weltkrieg gesunkene Schiff hat ein einzigartiges Biotop geschaffen. Die Fische fühlen sich hier wohl und sind deshalb sehr zahlreich zu bestaunen. Diese Lebensfülle, einfach unglaublich. Auf engstem Raum leben gegen hundert verschiedene Tierarten. Vom Überlebenskampf ist nichts zu sehen. Die Fische leben friedlich in den Tag hinein. Gross und klein schwimmt aneinander vorbei, meistens ohne Angst. Jeder respektiert den Sicherheitsabstand. Dass es unter den bunten Fischen auch Räuber gibt, fällt nicht auf. Zu selten packen die Räuber zu. Meistens gelingt den möglichen Opfern die Flucht. Was für ein Gegensatz zum Dschungel. Dort führt jedes Lebewesen einen dauernden Kampf ums Überleben. Man geht jedem anderen Tier aus dem Weg. Wenn eine Begegnung nicht mehr zu verhindern ist, führt es sofort zu einem Kampf auf Leben und Tod. Hier im Wasser wirkt alles so friedlich. Olivia ist begeistert und muss vom Führer am Ende aufgefordert werden, aufzutauchen, sie hatte die Zeit vergessen.

      Nach einer Woche gehen die Ferien der Tauchergruppe zu Ende. Sie darf mit der Gruppe im Bus nach Denpasar mitfahren. Im Internet bucht Olivia noch den Rückflug in die Schweiz. Auch wenn ihr der Aufenthalt in Bali sehr gut gefallen hat, sie freut sich auf die Heimreise. Endlich wieder in Basel, das ist zu verlockend. Sie hat Heimweh. Sie freut sich auf die Schweiz. Sie vermisst ihre Freundinnen.

      Studentenalltag

      Am Flughafen Zürich wird Olivia von Tim und Anna abgeholt. Sie ist froh, dass sie nicht mit dem Zug nach Basel fahren muss. Tim hat den Audi von seinem Vater ausgeliehen. Er muss lediglich das Benzin zahlen. Solche Eltern sollte man haben, denkt Olivia, doch das ist ein anderes Thema. Im Moment freut sie sich über die herzliche Umarmung von Anna. Die scheint sich echt zu freuen. Anscheinend macht es ihr nichts aus, dass sie die Wohnung nicht mehr für sich allein beanspruchen kann.

      Auch Tim umarmt sie stürmisch und gibt ihr die obligatorischen drei Küsse auf die Wange. Mit einem Seitenblick beobachtet sie Anna. Ist sie eifersüchtig auf Tim? Anscheinend nicht. Sie hatte ihn ja acht Wochen für sich beanspruchen können. Entweder funkt es in dieser Zeit, oder man lässt es sein. Immerhin vertragen sich die Zwei noch,

Скачать книгу