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recht zu wissen, was er tut, geht er zum zweiten Mal binnen einer Viertelstunde zum Büro seines Vorgesetzten und klopft an.

      „Sie haben eine Woche Sonderurlaub“, sagt dieser mit belegter Stimme. „Vielleicht ist es am besten, wenn einer unserer Fahrer Sie noch heute Abend zu ihrem Vater bringt. Der wird wissen, was als nächstes zu tun ist.“

      Moshe hört sich selbst sagen, dass sein Vater versucht, für morgen einen Flug für sie beide zu organisieren. „Gut so“, sagt sein Boss. „Unser Glaube gebietet es, dass ein Verstorbener so schnell wie möglich beigesetzt werden soll, aber das wissen Sie ja. Fliegen Sie nach Frankfurt. Wenn Sie mehr als eine Woche brauchen sollten, lassen Sie es mich wissen.“

      Er geht zu seinem Schreibtisch und greift nach dem Telefonhörer. Kurz darauf hat er jemanden gefunden, der Moshe nach Tel Aviv bringen wird.

      Der Fahrer, ein Vertrauter des Kommandanten, wird am nächsten Tag berichten, dass Moshe Silberschmied auf der zweistündigen Fahrt von Haspin zur Mittelmeerküste kein einziges Wort gesprochen hat.

      *

      Als Moshe aus dem Dienstwagen steigt und die Lobby des „Isrotel“ betritt, wartet dort schon sein Vater auf ihn. Stumm umarmen sie sich, und Aaron zieht seinen Sohn zu einer Sitzecke, denn er hat plötzlich einen klaustrophobischen Anfall und will nicht in seinem kleinen Zimmer eingesperrt sein.

      Abgehackt erzählt er das Wenige, das er aus Deutschland erfahren hat. Er hat sich so weit zusammengerissen, dass er den zusätzlichen Flug nach Frankfurt gebucht hat; sie fliegen zwar zusammen, sitzen aber ein paar Reihen voneinander entfernt. Vielleicht lässt sich morgen früh am Flughafen noch etwas daran korrigieren.

       7

      Schuchardt hat mit seinem Vorgesetzten telefoniert, während er vor dem Haus der Silberschmieds auf den Psychologen gewartet hat. Das Gespräch ist wie üblich in solchen Fällen verlaufen.

      Immerhin hat er sich mit seinem Boss darauf einigen können, dass sie die verräterische Doppel-Acht der Öffentlichkeit aus polizeitaktischen Gründen vorläufig verschweigen wollen. Ermittlungstaktik vorzuschieben hat den Vorteil, dass ihnen niemand etwas Gegenteiliges nachweisen kann, und so gewinnt man Zeit, bevor irgendein Sturm losbrechen kann, der einen dann vor sich hertreibt.

      „Aber eines noch, Schuchardt. Sie brauchen Unterstützung. Ich kann es nicht ewig decken, dass Sie als Einzelkämpfer in der Landschaft herumlaufen. Das fällt uns irgendwann auf die Füße. Ich kenne Ihre Argumente. Sie haben das Talent, Menschen zum Sprechen zu bringen und da stört ein junger Kollege bisweilen bei der Arbeit. Ist mir alles soweit geläufig. Trotzdem geht es nicht so weiter.“

      "Ich hab's nacheinander mit Steinhaus versucht, mit Moskopf und mit Braun, Chef...“

      „…wir haben uns verstanden, mein Guter.“ Schuchardt hasst es wie die Pest, mit „mein Guter“ angesprochen zu werden.

      Der Rest des Gespräches: „Behandeln Sie die ganze Sache nach eigenem Ermessen, Schuchardt. Ich habe vollstes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten, Mann. Bei Ihrer Erfahrung…“

      Und so weiter. Übersetzt heißt das: Du hast freie Hand; aber wenn du es vermasselst, kostet es deinen Kopf.

      Schuchardt hat in achtundzwanzig Dienstjahren bereits vier Polizeipräsidenten kommen und gehen gesehen, und in dieser Beziehung sind alle gleich. Wenn es Erfolge zu feiern gibt, grinsen sie in jede Kamera und sabbern in jedes Mikrofon, das man ihnen hinhält. Wenn nicht, dann ist in aller Regel nur noch eine Staubwolke von ihnen zu sehen. So leicht ist das Leben da oben an der Spitze der Nahrungskette, denkt er, würde aber um nichts in der Welt mit dem obersten Polizisten der Stadt tauschen wollen. Da oben musst du dich so sehr nach allen Richtungen hin verbiegen, dass du am Ende nicht mehr weißt, ob du Männlein oder Weiblein bist.

      Endlich taucht der Psychologe auf, er ist mit der U-Bahn gekommen, weil es hier im Westend bekanntermaßen nicht einmal für den lieben Gott einen Parkplatz gibt. Schuchardt ist das egal, er parkt in zweiter Reihe. Er hat das mobile Blaulicht auf sein Autodach geschraubt und den Warnblinker eingeschaltet und steht so, dass der Verkehr gerade noch passieren kann. Das muss reichen.

      Als sie bei den Silberschmieds läuten, dauert es eine Weile, bis die Mutter der Ermordeten an der Tür erscheint. Sie sieht die beiden Beamten hoffnungsvoll an, erkennt aber binnen eines Lidschlags, dass die Männer keine guten Nachrichten für sie haben. Ihr Blick wird leer und ihre Gesichtszüge fallen buchstäblich in sich zusammen.

      Wenig später sitzen sie im Wohnzimmer der Familie. Rachel Silberschmied hat sich bemerkenswert schnell wieder gefasst, es stellt sich schnell heraus, dass sie vom ersten Moment an wenig Hoffnung gehabt hat, ihre Tochter unversehrt wiederzusehen. Und natürlich hatte sie einen guten Grund dafür – kein Lebenszeichen, keine Lösegeldforderung, da weiß man instinktiv, dass die Dinge nicht gut stehen. Sie hat aus den Umständen dasselbe geschlossen wie der in diesen Dingen erfahrene Kommissar.

      Wann denn der Leichnam für die Beerdigung freigegeben wird, will sie wissen. Er sagt ihr, dass es von Seiten der Polizei keinen Grund gibt, den Leichnam nicht noch heute für den Bestatter freizugeben; der Pathologe ist mit seiner Arbeit fertig. „Wir warten nur noch auf den toxikologischen Bericht, aber der ist in diesem Fall kaum von Bedeutung. Und – es tut uns leid – Sie müssen den Leichnam Ihrer Tochter noch identifizieren.“

      Sie will keine Einzelheiten über den Mord wissen, und das erleichtert dem Kommissar und dem Psychologen ihre Arbeit ganz erheblich.

      Der Vater von Rebecca ist auf Geschäftsreise in Israel, eine Nachricht, die bei Schuchardt für kurzzeitiges Stirnrunzeln sorgt. Aber Frau Silberschmied erklärt ihnen den Hintergrund der Reise und sie können nun besser verstehen, warum der Mann in dieser schweren Stunde nicht für seine Frau da ist.

      Jeder Jeck ist anders, denkt er. Aber ist nicht hier, um zu richten, und der Vater ist definitiv kein Verdächtiger. Abgesehen davon wird er morgen zurückerwartet, und er wird Rebeccas älteren Bruder mitbringen, der sich in Ausbildung beim israelischen Mossad befindet.

      Was im Kopf Aaron Silberschmieds vorgeht, weiß der Kommissar nicht. Dieser hat sich zu Anfang hartnäckig geweigert, sein Telefon mit einer Fangschaltung versehen zu lassen. Das könne etwaige Entführer verärgern und sei deshalb zu riskant, soll er gesagt haben. Abgesehen davon werde seine Tochter sicher demnächst wieder auftauchen. Das ist sie nun tatsächlich, denkt Schuchardt, und ihm dreht sich beinahe der Magen um, wenn er sich an seinen vorherigen seinen Besuch in der Pathologie erinnert.

      Rebeccas Mutter kann nur wenig Hilfreiches zur Sache beisteuern, alles, was sie weiß, hat sie den Kollegen erzählt, die zuletzt vorgestern wegen der Entführung mit ihr gesprochen haben. Schuchardt selbst hat sich natürlich schon heute Morgen die vorhandenen Protokolle auf seinen Laptop schicken lassen und weiß deshalb genug, um die arme Frau nicht weiter mit Fragen belästigen zu müssen.

      „Ich fühle mich, als hätte man mir ein Körperteil entfernt, aber ich kann keinen Schmerz fühlen, weil man mich mit Betäubungsmitteln vollgepumpt.“

      Sie sagt aber auch, dass sie ohne Hilfe zurechtkomme, außerdem sei eine Freundin aus Offenbach zu ihr unterwegs und müsse demnächst eintreffen. Also ziehen sich die nach ein paar weiteren Beileidsbekundungen zurück.

      Sie verabschieden sich vor der Haustür voneinander. „Keine Mutter sollte ihr Kind beerdigen müssen, und kein Tier sollte so sterben wie dieses Kind“, sagt der Psychologe. Schuchardt nickt und weiß, dass es das nun einmal gibt.

      Kaum sitzt er wieder in seinem Wagen, kommt ein Anruf herein. Es ist nochmal der Pathologe. „Schuchardt, sorry, das habe ich heute Vormittag vergessen: Das Erbrochene, das die Jungs von der Spurensicherung am Tatort eingesammelt haben, stammt mit Sicherheit nicht vom Opfer. Das hat zuletzt Pizza gegessen. Die bei mir eingegangenen Proben vom Tatort hat jemand anderes ausgekotzt. Ich dachte, das hilft Ihnen vielleicht weiter.“

      Das tut es zunächst nicht. Pizza, das ist eine Information, die sich mit dem deckt, was die Freundin des Mädchens erzählt hat. Vielleicht hat ja einer der Täter einen schwachen

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