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unmittelbar vor dem Aufbruch, waren die beiden jungen Tanten imstande, so weit vom Zustand ihres Neffen abzusehen, daß sie einen Bericht von Kapitän Wentworths Besuch geben konnten. Sie blieben fünf Minuten länger als Vater und Mutter, um ihnen einen Eindruck zu vermitteln, wie ausgesprochen entzückt sie von ihm waren, wieviel attraktiver, wie unendlich viel liebenswürdiger sie ihn fanden als diejenigen unter ihren männlichen Bekannten, die überhaupt bei ihnen in Gunst standen – wie froh sie waren, als Papa ihn eingeladen hatte, zum Dinner zu bleiben – wie leid es ihnen tat, als er sagte, daß er dazu nicht imstande sei – und wie froh dann wieder, als er in Erwiderung auf Papas und Mamas drängende Einladungen versprochen hatte, morgen zu ihnen zum Essen zu kommen, tatsächlich schon morgen! Und er hatte es auf so reizende Art und Weise versprochen, als sei er sich durchaus der Beweggründe ihrer Aufmerksamkeit bewußt. Kurz und gut, sein Äußeres und seine Worte hatten einen so überwältigenden Charme, könnten, er habe ihnen beiden völlig den Kopf mindestens ebenso vergnügt wie verliebt und in Gedanken offensichtlich mehr bei Kapitän Wentworth als beim kleinen Charles.

       Die gleiche Geschichte und die gleichen Begeisterungsausbrüche wiederholten sich, als die beiden Mädchen in der Abenddämmerung mit ihrem Vater kamen, um sich nach dem Kranken zu erkundigen; und Mr. Musgrove, von der ursprünglichen Befürchtung um seinen Erben befreit, konnte seine Bestätigung und sein Lob hinzufügen, hoffen, es gebe nun keinen Anlaß mehr, Kapitän Wentworths Besuch zu verschieben, und nur bedauern, daß die Familie in dem Cottage den Kleinen vermutlich nicht allein lassen wollte, um ihn zu treffen. – »O nein! Den Kleinen allein lassen!« – Sowohl Vater als auch Mutter standen noch zu sehr unter dem Eindruck des jüngsten Schocks, um auch nur daran denken zu können; und Anne, froh, noch einmal davonzukommen, konnte nicht umhin, in ihren Protest nachdrücklich einzustimmen.

       Charles Musgrove allerdings besann sich hinterher. Dem Kind gehe es zusehends besser, er würde Kapitän Wentworth so gern kennenlernen, daß er sich vielleicht am Abend zu ihnen gesellen könne; er werde nicht außer Haus essen, aber vielleicht auf eine halbe Stunde hinübergehen. Damit allerdings stieß er bei seiner Frau auf heftigen daß sie ihnen allen versichern verdreht! Und fort waren sie, Widerstand. »O nein! Wirklich, Charles, das kannst du mir nicht antun. Denk doch nur, wenn etwas passieren sollte!«

      Das Kind verbrachte eine gute Nacht, und es ging ihm am nächsten Tag zusehends besser. Es war nun lediglich eine Frage der Zeit, bis man sicher wußte, daß keine Rückgratverletzung vorlag, und da Mr. Robinson nichts fand, was zu weiterer Beunruhigung Anlaß gab, sah Charles Musgrove keinen Grund, sich noch länger einsperren zu lassen. Das Kind sollte im Bett bleiben und so still wie möglich beschäftigt werden. Aber was sollte ein Vater dabei schon tun? Dies war ganz und gar Frauensache, und es wäre höchst absurd, wenn er, der sich in keiner Weise zu Hause nützlich machen konnte, sich einschließen würde. Sein Vater lege Wert darauf, daß er Kapitän Wentworth kennenlerne, und da keine ernsthaften Gründe dagegensprachen, müsse er auch gehen. Und es endete damit, daß er bei seiner Rückkehr von der Jagd eine kühne öffentliche Erklärung abgab, daß er die Absicht habe, sich auf der Stelle umzuziehen und im anderen Haus zu essen.

      »Dem Kind könnte es gar nicht besser gehen«, sagte er, »also habe ich gerade zu meinem Vater gesagt, daß ich kommen würde, und er fand, ich hätte ganz recht; und da deine Schwester bei dir ist, mein Schatz, habe ich auch gar keine Skrupel. Du selbst würdest ihn nicht gern allein lassen, aber ich werde hier doch gar nicht gebraucht. Anne soll nach mir schicken, wenn etwas los ist.«

       Eheleute wissen im allgemeinen genau, wann Widerstand vergeblich ist. Mary erkannte an Charles’ Art zu sprechen, daß er entschlossen war zu gehen und daß es zu nichts führte, wenn sie ihm zusetzen würde. Sie sagte deshalb nichts, solange er im Zimmer war, aber sobald nur Anne allein sie hören konnte, begann sie: »Aha! Wir beide dürfen also sehen, wie wir mit diesem armen kranken Kind allein fertig werden – und den ganzen Abend keine Menschenseele, die sich um uns kümmert! Ich wußte, daß es so kommen würde. So geht es mir immer. Wenn es etwas Unerfreuliches zu tun gibt, halten sich die Männer immer raus, und Charles ist auch nicht besser. Eine ausgesprochene Rücksichtslosigkeit! Ich muß schon sagen, es ist eine ausgesprochene Rücksichtslosigkeit von ihm, diesen armen kleinen Jungen im Stich zu lassen! Und sagt auch noch, daß es ihm besser geht! Woher will er denn wissen, ob es ihm besser geht oder ob er in einer halben Stunde nicht einen plötzlichen Rückfall hat. Ich hätte nicht gedacht, daß Charles so rücksichtslos sein kann! Er geht also weg und amüsiert sich, und bloß weil ich die arme Mutter bin, darf ich mich nicht vom Fleck rühren, und dabei bin ich am allerwenigsten geeignet, mich um das Kind zu kümmern. Gerade weil ich seine Mutter bin, müßten meine Gefühle geschont werden. Ich bin dem ganz und gar nicht gewachsen. Du hast ja gesehen, wie hysterisch ich gestern war.« »Aber das lag doch nur an dem plötzlichen Schreck – an dem Schock. Du wirst sicher nicht noch einmal hysterisch. Es gibt bestimmt keinen Grund zur Beunruhigung. Mr. Robinsons Anweisungen sind mir völlig klar, und ich habe keine Befürchtungen. Und außerdem, Mary, ich wundere mich nicht über deinen Mann, Krankenpflege ist nichts für Männer, es ist nicht ihre Stärke. Ein krankes Kind gehört immer der Mutter, das sagen ihr ihre eigenen Gefühle.«

       »Ich hänge hoffentlich an meinem Kind ebenso wie jede andere Mutter, aber ich weiß wirklich nicht, warum ich im Krankenzimmer dringender gebraucht werde als Charles, denn ich kann so ein armes Kind nicht immer ausschimpfen und zurechtweisen, wenn es krank ist. Du hast ja selbst heute vormittag gesehen, wenn ich ihm sage, er soll still liegen, dann strampelt er sich gleich wieder bloß. Für so was habe ich einfach keine Nerven.«

       »Aber hättest du denn Ruhe, wenn du den armen Jungen den ganzen Abend allein ließest?«

      »Ja, seinem Papa macht es nichts aus, warum also mir? Jemima ist so gewissenhaft! Und sie könnte uns alle Stunde Bescheid sagen lassen, wie es ihm geht. Ich finde wirklich, Charles hätte seinem Vater ebensogut sagen können, daß wir alle kommen. Ich mache mir im Augenblick nicht mehr Sorgen um den Kleinen als er. Gestern habe ich mir furchtbare Sorgen gemacht, aber heute sieht die Sache ganz anders aus.« »Na ja – wenn du findest, daß es nicht zu spät ist, Bescheid zu sagen, warum geht ihr dann nicht beide hin? Überlaßt den kleinen Charles mir. Mr. und Mrs. Musgrove können nichts dagegen haben, solange ich bei ihm bin.«

       »Ist das dein Ernst?« rief Mary mit leuchtenden Augen.

       »Meine Güte, das ist eine glänzende Idee, wirklich glänzend. Was liegt schon daran, ob ich gehe oder bleibe, ich werde hier doch nicht gebraucht – oder? Und es belastet mich ohnehin nur. Du hast nicht die Gefühle einer Mutter und bist wesentlich besser geeignet. Du wirst mit dem kleinen Charles so gut fertig, dir gehorcht er aufs Wort. Das ist bei weitem besser, als ihn mit Jemima allein zu lassen. Doch! Natürlich gehe ich hin. Ich muß mindestens ebenso dringend gehen wie Charles, denn sie wollen unbedingt, daß ich Kapitän Wentworth kennenlerne, ich weiß, daß es dir nichts ausmacht, allein zu bleiben. Eine ausgezeichnete Idee von dir, Anne, wirklich! Ich gehe und sage Charles Bescheid und ziehe mich sofort um. Du kannst uns ja jederzeit holen lassen, wenn etwas los ist. Aber es gibt bestimmt keinen Anlaß zur Beunruhigung. Glaub mir, ich würde gewiß nicht gehen, wenn ich mir um mein liebes Kind irgendwelche Sorgen machte.«

       Einen Augenblick später klopfte sie ans Ankleidezimmer ihres Mannes, und da ihr Anne die Treppe hinauf folgte, kam sie gerade rechtzeitig, um die ganze Unterhaltung mitzuhören, die damit begann, daß Mary überschwenglich sagte:

       »Ich komme mit, Charles, denn ich werde zu Hause ebensowenig gebraucht wie du. Auch wenn ich mich für den Rest meines Lebens mit dem Kind einschlösse, könnte ich ihn doch zu nichts bewegen, wozu er keine Lust hat. Anne bleibt hier. Anne hat sich bereit erklärt, zu Hause zu bleiben und sich um ihn zu kümmern. Es ist Annes eigener Vorschlag, und deshalb gehe ich mit, was auch viel besser ist, denn ich habe seit Dienstag nicht im Herrenhaus gegessen.«

       »Das ist sehr freundlich von Anne«, antwortete ihr Mann, »und mir wäre es sehr lieb, wenn du mitgingest. Aber ist es nicht ungerecht, daß sie allein zu Hause bleiben muß, um unser krankes Kind zu hüten?«

       Nun war Anne zur Stelle, um ihren eigenen Standpunkt zu verteidigen, und da die Ernsthaftigkeit ihrer Argumentation ihn bald hinlänglich überzeugte, wo er sich nur zu gern überzeugen ließ, hatte er weiter keine Skrupel, sie zum Dinner sich selbst zu überlassen, obwohl er es immer noch gern gesehen hätte, wenn

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