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völliger Gelassenheit, bis sie beim Aufbruch den Admiral zu Mary sagen hörte:

       »Wir erwarten demnächst einen Bruder von Mrs. Croft hier. Sie kennen ihn bestimmt dem Namen nach.«

       Er wurde durch die ungestümen Überfälle der kleinen Jungen unterbrochen, die sich an ihn hängten wie an einen alten Freund und ihn nicht gehen lassen wollten; und da er mit der Drohung, sie in seiner Manteltasche mitzunehmen, so beschäftigt war, daß ihm gar keine Zeit blieb, das zu beenden oder sich auch nur auf das zu besinnen, was er angefangen hatte, war Anne darauf angewiesen, sich so gut es ging einzureden, daß es sich immer noch um denselben Bruder handelte. Sie war sich ihrer Sache allerdings nicht so sicher, daß sie nicht liebend gern erfahren hätte, ob im Herrenhaus, wo die Crofts vorher einen Besuch gemacht hatten, etwas über das Thema gesagt worden war. Die Familie vom Herrenhaus sollte an diesem Tag den Abend in dem Cottage verbringen; und da es unterdessen zu spät im Jahr war, solche Besuche zu Fuß zu machen, fingen sie gerade an, auf die Kutsche zu horchen, als die jüngste Miss Musgrove eintrat. Daß sie kam, um die Familie zu entschuldigen, und daß sie nun womöglich den Abend allein verbringen mußten, war zuerst ihre Befürchtung; und Mary war auch schon drauf und dran, wie üblich beleidigt zu sein, als Louisa sie durch die Nachricht versöhnte, daß sie nur zu Fuß gekommen sei, um mehr Platz für die Harfe zu lassen, die mit der Kutsche nachkäme.

       »Und ich will euch auch genau erzählen«, fuhr sie fort, »warum. Ich bin gekommen, um euch zu sagen, daß Papa und Mama heute abend sehr niedergeschlagen sind, besonders Mama. Sie muß immer an den armen Richard denken, und wir waren uns einig, daß die Harfe das beste wäre, denn sie macht ihr anscheinend mehr Spaß als das Klavier. Ich will euch auch sagen, warum sie so niedergeschlagen ist. Als die Crofts heute vormittag zu Besuch waren (hinterher waren sie hier, oder nicht?), haben sie zufällig erwähnt, daß ihr Bruder, Kapitän Wentworth, gerade nach England zurückgekehrt ist oder vorläufig an Land bleibt oder irgend so was und daß er sie sehr bald besuchen will, und unglücklicherweise fiel Mama, als sie gegangen waren, ein, daß der Kapitän des armen Richard früher mal Wentworth oder so was ähnliches geheißen hat, ich weiß nicht, wann oder wo, aber jedenfalls lange vor seinem Tod, der Ärmste! Und als sie seine Briefe und Sachen durchsah, stellte sie fest, daß es stimmte, und ist nun ganz sicher, daß er genau der Mann sein muß, und muß nun immer daran denken und an den armen Richard! Wir müssen also alle so vergnügt sein wie möglich, damit sie nicht immer an solche trostlosen Sachen denkt.«

       Die wahren Hintergründe dieser traurigen Familiengeschichte waren, daß die Musgroves das Unglück gehabt hatten, einen sehr schwierigen, hoffnungslosen Sohn zu haben, und das Glück, ihn zu verlieren, bevor er zwanzig war. Daß man ihn auf See geschickt hatte, weil er an Land so dumm und unausstehlich war; daß der Familie niemals viel an ihm gelegen hatte, wenn auch fast mehr, als er verdiente; daß er selten von sich hören ließ und so gut wie gar nicht vermißt wurde, als die Nachricht von seinem Tode vor zwei Jahren nach Uppercross gelangt war.

       Er war, auch wenn seine Schwestern sich nun alle Mühe um ihn gaben, indem sie ihn den »armen Richard« nannten, in Wirklichkeit nichts anderes als der dickköpfige, gefühllose, nutzlose Dick Musgrove gewesen, der, tot oder lebendig, nichts getan hatte, was ihn zu mehr als der Abkürzung seines Namens berechtigt hätte.

       Er war mehrere Jahre zur See gefahren und im Verlauf von Versetzungen, der alle Kadetten und besonders solche unterworfen sind, die jeder Kapitän los werden möchte, sechs Monate an Bord von Kapitän Frederick Wentworths Fregatte, der »Laconia«, gewesen. Und von der »Laconia« hatte er unter dem Einfluß seines Kapitäns die einzigen beiden Briefe geschrieben, die sein Vater und seine Mutter während seiner ganzen Abwesenheit je von ihm erhalten hatten; d. h. die einzigen beiden uneigennützigen Briefe. Alle anderen waren bloße Bitten um Geld gewesen. In beiden Briefen hatte er seinen Kapitän lobend erwähnt, aber sie waren so wenig daran gewöhnt, auf solche Dinge zu achten, so unaufmerksam und wenig neugierig waren sie, was Namen von Männern und Schiffen anging, daß es damals so gut wie keinen Eindruck bei ihnen hinterlassen hatte; und daß Mrs. Musgrove ausgerechnet an diesem Tag der Name Wentworth im Zusammenhang mit ihrem Sohn schlagartig einfiel, war anscheinend einer jener außergewöhnlichen Geistesblitze, die gelegentlich vorkommen.

       Sie war an ihre Briefe gegangen und hatte alles bestätigt gefunden; und das Wiederlesen dieser Briefe nach so langer Zeit, jetzt, wo ihr armer Sohn längst dahin und die Schwere seiner Fehler längst vergessen war, berührte sie sichtbar schmerzlich und rief größere Trauer um ihn hervor, als sie bei der unmittelbaren Nachricht seines Todes empfunden hatte. Mr. Musgrove war, wenn auch in geringerem Maße, ebenso bedrückt; und als sie das Cottage erreichten, war es ihnen ein offensichtliches Bedürfnis, zunächst das Thema lang und breit noch einmal zu erörtern und anschließend allen Trost zu erhalten, den ausgelassene Gesellschaft geben konnte. Daß man so viel von Kapitän Wentworth redete, seinen Namen so oft wiederholte, über vergangene Jahre rätselte und sich schließlich einigte, daß es vermutlich, daß es höchstwahrscheinlich genau der Kapitän Wentworth sei, den sie, wie sie sich erinnerten, ein-oder zweimal nach ihrer Rückkehr von Clifton getroffen hatten – ein stattlicher junger Mann, aber niemand wußte, ob es sieben oder acht Jahre her war – war eine neue Prüfung für Annes Nerven. Sie fand allerdings, daß dies etwas war, woran sie sich gewöhnen mußte. Da er tatsächlich in der Gegend erwartet wurde, mußte sie sich zwingen, in solchen Dingen unempfindlich zu sein; und nicht nur hatte es den Anschein, daß er erwartet wurde, und zwar umgehend, sondern in ihrer tiefen Dankbarkeit für die Freundlichkeit, die er dem armen Dick erwiesen hatte, und aus Achtung vor seinem Charakter, der sich dadurch auszeichnete, daß der arme Dick sechs Monate lang unter seiner Obhut gewesen war und ihn in warmen, wenn auch nicht einwandfrei buchstabierten Lobeshymnen einen »schneidichen Buhrschen« genannt hatte, »wenn er auch zufiel den Schulmeister spilte«, bestanden die Musgroves darauf, sich ihm vorzustellen und seine Bekanntschaft zu machen, sobald sie von seiner Ankunft hörten. Durch diesen Entschluß trug der Abend wesentlich zu ihrem Trost bei.

      Kapitel 7

      Nur wenige Tage später, und Kapitän Wentworth war, wie man wußte, in Kellynch, und Mr. Musgrove hatte ihm einen Besuch gemacht und war des Lobes voll zurückgekommen; und nach Ablauf einer weiteren Woche war er mit den Crofts in Uppercross zum Essen eingeladen. Mr. Musgrove war sehr enttäuscht gewesen, daß man keinen früheren Termin vereinbaren konnte, so ungeduldig war er, Kapitän Wentworth seine Dankbarkeit zu erweisen, ihn unter seinem eigenen Dach zu sehen und ihn mit dem Stärksten und Besten aus seinem Weinkeller willkommen zu heißen. Aber eine Woche mußte vergehen, eine Woche nur, nach Annes Schätzung, dann würden sie sich wohl treffen, und bald hatte sie Grund zu wünschen, wenigstens diese eine Woche vor ihm sicher zu sein.

       Kapitän Wentworth erwiderte Mr. Musgroves Zuvorkommenheit beinahe umgehend, und fast hätte auch sie während derselben halben Stunde einen Besuch im Herrenhaus gemacht! Sie war schon im Begriff, mit Mary dorthin aufzubrechen, wo sie ihn, wie sie später erfuhr, unweigerlich getroffen hätten, wenn sie nicht dadurch aufgehalten worden wären, daß der ältere Junge infolge eines bösen Sturzes im nämlichen Augenblick nach Hause gebracht wurde. Der Zustand des Kindes verhinderte den Besuch, aber sie konnte auch angesichts der Besorgnis, die sie anschließend um seinetwillen empfanden, nicht mit Gelassenheit an ihr Entkommen denken.

      Er hatte sich das Schlüsselbein gebrochen und Verletzungen am Rücken erlitten, die zu größter Besorgnis Anlaß gaben. Es war ein sorgenvoller Nachmittag, und Anne mußte alles gleichzeitig tun – nach dem Apotheker schicken – den Vater suchen und benachrichtigen lassen – die Mutter trösten und vor hysterischen Anfällen bewahren – das Personal anleiten – das jüngere Kind fernhalten und den armen Kranken pflegen und trösten; und außerdem mußte sie sobald sie daran dachte, das Herrenhaus benachrichtigen, was ihr Zulauf von eher verängstigten, neugierigen Zuschauern als von besonders nützlichen Helfern brachte.

       Die Rückkehr ihres Schwagers war eine Erleichterung für sie, er konnte sich am besten um seine Frau kümmern; und die Ankunft des Apothekers bald darauf war eine wahre Wohltat. Bis er kam und das Kind untersucht hatte, hatten sie schlimmste Befürchtungen, weil sie völlig im Ungewissen schwebten. Sie vermuteten schwere Verletzungen, wußten aber nicht, wo. Aber nun war das Schlüsselbein bald eingerenkt, und obwohl Mr. Robinson ihn immer wieder abtastete und massierte

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