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durch die Thür.

      Wer über den neuen, so unverhofft gekommenen Auftrag und die übernommene Pflicht allerdings etwas verblüfft zurückblieb, war Doctor Forbach.

      Er hatte ja aber auch gar keine Zeit zum Ueberlegen gehabt; das junge Frauchen sah dabei so lieb und gut aus, das Kind lag so sauber und nett in seinem weißen Bettchen, und lächelte ihn dabei so freundlich an.

      Wenn Frau Erich zurückkam und fand ihn so – wie herzlich hätte sie ihn ausgelacht!

      Es war auch in der That eine etwas komische Situation für einen alten Junggesellen, der nicht einmal wußte, ob das Kind recht lag, oder vielleicht anders gehalten werden mußte. Er warf den Blick nach den anderen Frauen hinüber, deren Blicke jetzt alle auf ihn gerichtet waren, und sah allerdings, daß diese die Kinder in verschiedener Weise trugen.

      Einmal hatte er indeß bei einem Freunde Pathe gestanden und erinnerte sich jetzt, daß ihm das Kind damals ebenso übergeben worden, und die paar Minuten konnte er es ja auch so halten. Wenn es nur ruhig blieb – heiliger Gott, wenn es jetzt zu schreien anfing – was hätte er dann, in aller Welt, mit ihm machen sollen!!

      3.

      Die Frauen umher waren allerdings auf den Herrn mit dem Kinde aufmerksam geworden, ohne jedoch darin etwas Außerordentliches zu finden, daß er es hielt – desto mehr interessirte sie aber die Mutter, und sie flüsterten auch schon heimlich mit einander.

      Doctor Forbach wartete indessen und wartete, und die Situation fing schon an ihm peinlich zu werden. Die unselige Frau kehrte nicht zurück, sie mußte doch wenigstens schon zehn /62/ Minuten abwesend sein, und er stand hier mit dem Kinde, das schon anfing, verschiedene Zeichen von Ungeduld zu geben. Es schrie allerdings noch nicht, aber es war nahe daran, und was wurde dann?

      Die ihm nächsten Frauen waren indessen aufgestanden und der Thür der Doctorstube zugegangen, weil ihre Nummer jetzt gleich kommen mußte, und zu seiner großen Beruhigung entdeckte er endlich Elise Erich, die eben mit Kind und Kindermädchen aus der Doctorstube trat und, wie sie ihn bemerkte, auf ihn zueilte. Sie hatte auch wohl gesehen, daß er etwas trug, aber nicht weiter darauf geachtet. Jetzt erst, als sie dicht an ihn hinan war, rief die muntere Frau überrascht und lachend aus:

      Aber, bester Doctor, was haben Sie denn da? ein kleines Kind? Oh, das steht Ihnen prächtig! So sollten Sie sich photographiren lassen. Hahahaha, wo haben Sie denn das in der Geschwindigkeit herbekommen?“

      „Ja, bestes Kind,“ sagte Forbach, mit einem etwas sehr verlegenen Lachen – „das ist eine ganz sonderbare Geschichte. Ein junges Frauchen hat mir das Kind in den Arm gelegt, sie wollte sogleich wiederkehren, und nun ist sie schon fast eine Viertelstunde fort und läßt sich nicht wieder blicken. Aber sie muß im Augenblick zurückkommen. Wenn Du nur eine Minute warten wolltest, Kind!“

      „Von Herzen gern – aber ist das ein liebes Ding – ein Knabe oder ein Mädchen?“

      „Ja, mein Schatz, das weiß ich nicht.“

      „Was es für schöne, große blaue Augen hat,“ fuhr die junge Frau rasch fort, indem sie das Kind aber doch schärfer und aufmerksamer betrachtete. „Doch was ist das? – sehen Sie einmal die kleinen rothen Punkte auf der weißen Haut – das sieht ja ganz sonderbar aus!“

      „Es werden ein paar Blüthchen sein,“ erwiderte der Doctor, der sich indeß vergeblich nach der Mutter seines Schutzbefohlenen umschaute – „ich begreife wahrhaftig nicht, wo sie bleibt!“

      „Nein, lieber Doctor,“ sagte aber Elise Erich, indem sie fast scheu von dem kleinen Wesen zurücktrat – „das sind /63/ keine Blüthchen – sehen Sie nur, das ist ja fast wie ein schwarzer Schein um den einen Punkt – um des Himmels willen,“ flüsterte sie ihm dann leise und furchtsam zu: „das arme, unglückselige Kind hat ja die Blattern!“

      „Alle Teufel!“ rief Forbach fast unwillkürlich aus, denn die Blattern waren ja im vorigen Jahr nicht bei ihm „gekommen“ und er fühlte sich deshalb keineswegs so ganz sicher.

      „Aber wo ist denn nur die Mutter?“ frug Elise.

      „Das weiß der Himmel,“ stöhnte Forbach, indem er sich halb verzweifelt umsah, „aber sie muß gleich wiederkommen; wenn Du nur das kleine Wesen einen Augenblick nehmen könntest – ich komme mir gar so unglückselig damit vor!“

      „Ich? Gott soll mich bewahren!“ rief Elise erschreckt schon bei dem Gedanken aus – „mein kleines Engelchen ist allerdings geimpft, aber das kann jetzt noch nicht wirken, und wenn das wirklich bei dem armen Kind die Blattern sind, woran ich keinen Augenblick mehr zweifle, könnte ich uns ja Alle unglücklich machen. Geben Sie das Kind nur ab, wenn die Mutter nicht gleich wieder kommt. Ich muß machen, daß ich mit meinem Engelchen nach Hause komme, damit es sich nicht erkältet – komm, Rieke – adieu, lieber Doctor!“

      Die junge Frau hatte nun einmal in unbesiegbarer Furcht vor der Seuche den Verdacht gegen das arme Wesen gefaßt, daß es schon von der Krankheit berührt sei, und in ihrer Angst, das eigene Kind davon angesteckt zu sehen, eilte sie, so rasch sie ihre Füße trugen, fort, um aus dessen unmittelbarer Nähe zu kommen – an Doctor Forbach dachte sie dabei gar nicht.

      Dieser blieb indeß in ziemlicher Verlegenheit zurück, denn die Mutter kam nicht wieder, und was nun, wenn sie – ein plötzlicher jäher Schreck zuckte ihm durch die Glieder – wenn sie gar nicht wieder kam und mit tückischer Vorberechnung ihn dazu ausersehen hatte, sich des Kindes anzunehmen. Das wäre eine schöne Geschichte gewesen, und jetzt erst fiel ihm ihr verstörtes Aussehen, und wie sie das Kind wiederholt geküßt – schwer auf’s Herz. – Er sah nach der Uhr – es fehlten nur noch wenige Minuten an Zwölf. Wenn er sich nun – ein verzweifelter Entschluß reifte in ihm. Seine bis /64/ herige Umgebung hatte schon lange wieder gewechselt – wenn er das Kleine nun ganz ruhig in die Ecke der einen Bank legte? Dort mußte sich zuletzt Jemand des Kindes annehmen, und er kam mit guter Manier hier aus einer sehr fatal werdenden Lage – die Hauptsache, noch zur rechten Zeit zu Röhrichs.

      „Nein, aber bester Doctor!“ rief da plötzlich eine Stimme, die, wie Forbach zu seinem Schrecken bemerkte, niemand Anderem, als dem ältlichen Fräulein Simprecht zugehörte – „das sieht ja himmlisch aus – Sie mit einem Kind auf dem Arme. Woher haben Sie denn das kleine allerliebste Wesen? – Aber um Gottes willen, Sie verstehen es ja gar nicht zu halten!“

      Ein teuflischer Gedanke zuckte durch des sonst so gutmüthigen Doctors Forbach Hirn. Er fürchtete allerdings Fräulein Simprecht, das in der ganzen Stadt als ein böser Drache galt, jetzt aber konnte sie ihm, wenn es geschickt angefangen wurde, ein rettender Engel werden, und wie ein Ertrinkender nach dem üblichen Strohhalm, griff er danach.

      Einmal die Angst, daß die Mutter ihm das Kind gelassen haben könne und jetzt vielleicht schon auf der Eisenbahn das Weite suche, dann die Furcht, daß der ihm gespielte Streich stadtkundig würde, wonach bei Röhrich der Neckerei natürlich kein Ende gewesen wäre, ebenfalls die späte Stunde – gerade hob die Domglocke aus, um die zwölfte Stunde zu schlagen – trieben ihn zum Aeußersten.

      „Ja, mein bestes Fräulein, sagte er, indem er die Dame mit einem recht kläglichen Blick ansah – „ich – weiß allerdings nicht, wie man das macht, – das Köpfchen rutscht immer so herunter, und dann der kleine Wurm.“

      „Aber wo ist denn nur die Mutter? Sie müssen es ein wenig hin und her wiegen, und dann bisch, bisch, bisch machen.“

      „Die Mutter kommt den Augenblick zurück, das Kind soll eben geimpft werden – wenn Sie es nur einen Moment nehmen wollten!“

      „Ich habe nicht lange Zeit,“ sagte Fräulein Simprecht, „ich wollte mich mit einer Freundin hier treffen, die aber entsetzlich lange ausbleibt.“

      /65/ „Ach nur einen Augenblick, damit ich auch sehe, wie es gemacht wird!“

      „Recht verstehen thue ich es auch nicht,“ sagte Fräulein Simprecht verschämt, indem sie das Kind aber nahm, „besser als Sie kann ich es freilich – sehen Sie, so müssen Sie es nehmen – hier das Köpfchen in den linken Arm, daß es etwas

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