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junge Fremde, der den so plötzlich Aufgetauchten für einen Moment durch sein Glas fixirte – „bist Du’s denn, oder bist Du’s nicht?“

      „Alfred, bei Allem, was da lebt – nun, da hätte ich eher des Himmels Einsturz vermuthet, als Dich hier in diesen /79/ Bergen und beim Morgengrauen anzutreffen, wo Du sonst gewöhnlich noch um acht Uhr in den Federn lagst. Uebrigens hast Du mir meine ganze Jagd verdorben und einen Capitalhirsch verscheucht, der mir sicher zu Schuß gekommen wäre. Weshalb um Gottes willen mußt Du denn Deine Erklärung, daß allein eine verliebte Seele glücklich sei, Morgens mit Sonnenaufgang in Musik gesetzt in den Wald hinausschreien? Das verträgt das Wild nicht!“

      „Aber, bester Freund,“ sagte Alfred, „was kann ich dafür, wenn die Viecher nicht musikalisch sind!“

      „Verstehst Du unter den ‚Viechern‘ die Hirsche?“ lächelte der Schütze.

      „Nun gewiß!“ nickte der junge Mann, „aber ich sage Dir, Kurt,“ fuhr er dann lebhaft fort, indem er Kurt’s Arm ergriff und ihn erregt drückte, „ich sage Dir, Du siehst hier den Glücklichsten der Sterblichen vor Dir, den es gegenwärtig auf der Erde giebt. Mir ist das Herz so voll Seligkeit, daß ich meine Wonne nur in einem fort in den Wald hineinjauchzen möchte.“

      „Sehr angenehm das – ich habe eine Probe davon bekommen!“

      „Ich weiß mir gar keinen Rath mehr!“ fuhr der noch blutjunge, aber hübsche und schlank aufgeschossene junge Mann mit leuchtenden Augen fort, „und wie ich da oben auf den offenen Hang kam und das weite herrliche Land in dieser fast wunderbaren Beleuchtung vor mir ausgebreitet sah, wußte ich meiner überschwänglichen Wonne in keiner andern Weise Lust zu machen, als daß ich – Du wirst mich auslachen – einen Purzelbaum schlug.“

      „Ich habe Dich schon ausgelacht,“ sagte der junge Schütze trocken, „denn ich war Zeuge Deiner allerdings etwas wunderlichen Gefühlsäußerung – aber was – wenn man eigentlich fragen darf, macht Dich denn so übermäßig glücklich, daß Du die ganze Nachbarschaft in Alarm bringst? Wirklich die Liebe? – Kennst Du, bei Deinen musikalischen Talenten, nicht die alte Lehre in dem alten Liede: „Treu geliebt und still geschwiegen, wahre Liebe spricht nicht viel“? /80/ Du hättest Dich dabei eben so glücklich fühlen können und mir – die Jagd nicht verdorben.“

      „Thut mir wirklich leid,“ sagte Alfred gutmüthig, „aber ich hatte wirklich keine Ahnung, Dich hier hinter einem Busch zu finden. Doch Du sollst Alles wissen, denn ich bin überzeugt, daß Du Theil an meinem Glück nimmst, – nur jetzt nicht,“ brach er rücksichtsvoll ab, „denn ich möchte Dich nicht gern länger in Deiner Jagd stören und werde Dich deshalb allein lassen.“

      „Und glaubst Du,“ lachte Kurt, „daß ich jetzt, nachdem Du die ganze Nachbarschaft auf wenigstens eine halbe Stunde im Umkreis alarmirt hast, noch hier an dieser Stelle zum Schuß käme? – Nein,“ setzte er hinzu, indem er völlig aus dem Tannengebüsch heraustrat und seine Büchse resignirt über die linke Schulter hing, „heute ist’s damit vorbei, und ich bitte Dich nur dringend, bei einem längeren Aufenthalte hier Deine etwas lauten Morgenspaziergänge nicht wieder nach dieser Richtung her auszudehnen. Wohin gehst Du jetzt?“

      „In das Dorf zurück. Du wirst auch nicht mehr durch mich belästigt werden, Kurt, denn ich reise schon morgen ab, ihr nach.“

      „Also doch eine sie,“ lächelte Kurt, „nun das konnte ich denken; aber dann begleite ich Dich jedenfalls jetzt, und unterwegs schilderst Du mir sie.“

      „Aber dann dürfen wir wohl nur leise sprechen,“ warf Alfred schüchtern ein.

      „Nein,“ lachte Kurt, „Du brauchst heute Morgen Deinen Gefühlen keinen Zwang mehr anzuthun, denn jeden Schaden, den Du anrichten konntest, hast Du angerichtet – und nun sage mir,“ fuhr er fort, als er seinen Arm in den seines weit jüngeren Freundes legte und mit ihm rechts in eine Schneuse einbog, die einen nicht gerade näheren, doch bequemeren Weg nach dem Dorfe zu herstellte, „sage mir, was Dich heute so glücklich gemacht hat, denn bisher habe ich Dich immer, trotz Deiner Jugend, zu den sogenannten Blasirten gezählt, da Du, obgleich noch so jung, schon nicht mehr tanzen wolltest und das ganze weibliche Geschlecht gewissermaßen unter den Bann der Herzlosigkeit thatest.“

      /81/ „Ich bitte ab, Kurt, bei Gott, ich bitte ab!“ rief Alfred, nicht ohne einigen Pathos. „Ehret die Frauen! sie flechten und weben himmlische Dornen in’s irdische5 –, nein, ich bin confus geworden. Kurt, nimm mir’s nicht übel, aber ich weiß in diesem Augenblick wahrhaftig nicht, wo mir der Kopf steht, denn ich fühle mich zu glücklich, zu unsagbar glücklich!“

      „Schön,“ erwiderte Kurt, „dann thu’ mir nur den einzigen Gefallen und sei nicht langweilig, sondern erzähle mir mit kurzen einfachen Worten und ohne alle überschwänglichen Redensarten, was Du hast, und wer im Stande gewesen ist, Dich in eine so fabelhafte Extase zu versetzen, – wer nämlich die Sie ist, von der Du schwärmst und wegen der Du Purzelbäume Morgens mit Sonnenaufgang und sogar noch vor dem Kaffee mitten im Walde schlägst.“

      „Du bist ein schrecklich prosaischer Mensch, Kurt,“ erwiderte Alfred, „eigentlich noch viel prosaischer, als wofür ich Dich bis jetzt gehalten, aber das soll mich nicht abhalten, Dir mein ganzes Herz auszuschütten, und zwar weniger Deinet-, als meinetwegen, denn ich fühle das innige Bedürfniß, mich auszusprechen, und dies war auch die Ursache, weshalb ich es heute so mit jubelndem Herzen dem Wald in die Wipfel sang.“

      „Ich wollte, wir hätten uns gestern schon gesprochen,“ bemerkte Kurt trocken.

      „So höre denn,“ fuhr Alfred fort, ohne die etwas doppelsinnige Bemerkung zu verstehen, oder wenigstens, ohne darauf einzugehen, „Du weißt, daß ich mich dem weiblichen Geschlecht bis jetzt ziemlich fern gehalten habe?“

      „Du bist zwanzig Jahre alt, nicht wahr?“

      „Gewesen ja,“ erwiderte Alfred, „ich hielt die Frauen für falsch – für kokett – ich – war schon verschiedene Male enttäuscht worden.“

      „Du kannst dabei keine Zeit versäumt haben –“

      „Ich bin jetzt bekehrt!“ rief der junge Mann, so mit Gefühlen beschäftigt, daß er den Einwurf gar nicht beachtete. „Ich habe ein Wesen gefunden – Kurt, ich sage Dir, ein Wesen, das dieser Erde gar nicht anzugehören, sondern den überirdischen Sphären entstiegen zu sein scheint.“

      /82/ „Natürlich,“ nickte Kurt lächelnd vor sich hin.

      „Lache nicht,“ rief aber Alfred gekränkt, „wenn Du sie gesehen hättest, würdest Du mir in jeder Silbe beistimmen und vielleicht eben so bewegt und ergriffen darüber sein, als ich selber.“

      „Und wo hast Du dieses Wunder gefunden?“

      „Hier im Walde!“ rief der junge Mann erregt; „denke Dir nur, es sind jetzt etwa fünf Tage, als ich, von dem kleinen Forellenbach von Ludwigsroda aus hinaufgehend und meinen eigenen Träumen nachhängend, einen tiefschattigen Bergkessel erreiche, in dem der Bach eine scharfe Biegung macht, und hier plötzlich ein Wesen vor mir sehe, das nichts Irdisches an sich hatte und nur aus Blüthenduft und Sonnenstrahl gewoben schien.“

      „Alfred,“ sagte Kurt lächelnd, „thu’ mir den Gefallen und sprich – so weit Dir das irgend möglich ist, wie ein vernünftiger Mensch. Denke Dir einmal ein Wesen aus Blüthenduft und Sonnenstrahl gewoben! Was ist das? – ein heißer und dadurch unangenehmer Blumengeruch; ich kann mir darunter kein überirdisches Wesen denken.“

      „Weil Du ein kalter, calculirender und prosaischer Mensch bist!“ rief Alfred heftig aus; „aber Du sollst mich nicht außer Fassung bringen und die genaue Schilderung jenes Engels hören. Sie trug ein hellblaues, mit kleinen rosa Blümchen überstreutes Barègekleid, um den zarten Hals einen weißen dünnen Shawl von chinesischem Crêpe, einen ebensolchen, wenigstens weißen Gürtel mit einem emaillirten Knopf als Schnalle, eine Korallenschnur um den weißen Nacken und ebensolche Armbänder, und die zierlichsten braun lackirten Saffianschuhe, die sich ein Mensch nur denken kann.“

      „Nun, für eine

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