Скачать книгу

Fähigkeiten ihrer Schöpfer gut zu Gesicht steht, nicht aber der Natur, die sie eigentlich erklären soll.

      Und wenn man sich die Mühe macht, alle Theorien und Modelle der modernen Wissenschaft in einen Zusammenhang zu stellen, so als würden sie einen einheitlichen Prozess beschreiben wollen, kann man den Anspruch der modernen Naturwissenschaft, uns das Universum zu erklären, noch nicht so ganz ernst nehmen. Wenn sich die Entwicklung des Universums so vollzogen hätte, wie es uns die moderne Naturwissenschaft bisher beschreibt, sind starke Zweifel angebracht, ob es dann den Menschen oder überhaupt das Universum gäbe.

      Auch die moderne Physik ist erst auf dem Weg. Das darf sie auch. Aber sie darf nicht so tun, als hätte sie uns alles erklärt. Die Physiker sollten bescheidener auftreten, Irrtümer auch mal zugeben, offene Fragen benennen, Widersprüche offenlegen und uns nicht das Gefühl geben, unser intellektuelles Niveau sei halt nicht ausreichend, die genialen Theorien der Wissenschaftler zu verstehen.

      Da es die Physiker höchst selten machen, will ich im Folgenden versuchen, den Finger auf die offenen Wunden der modernen Physik zu legen, vielleicht sogar ein wenig darin herum zu bohren. Schmerzensschreie erwarte ich nicht, höchsten mild-überlegenes Lächeln.

      Aber sei's drum.

      Bei allen philosophischen und erkenntnistheoretischen Abwägungen oder metaphysischen Zweifeln, eines steht zweifelsfrei fest: Das Universum ist Realität.

      Diese einfache Selbstverständlichkeit ist aber mit der wohl prinzipiellsten Frage verbunden, die sich der Mensch stellen kann: Warum?

      Warum gibt es das Universum? Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nichts? Woher kommt dieses Etwas? Wie gelangte es in die Existenz?

      Wenn man nichts vom Universum und seiner Geschichte weiß, vom Urknall hat bestimmt jeder schon gehört. Er gehört inzwischen ganz selbstverständlich zu unserer Vorstellung von der Welt. Die Kosmologen reden von ihm, als wären sie dabei gewesen und hätten ihn mit eigenen Augen gesehen oder doch glaubwürdige Augenzeugenberichte gelesen. Jedenfalls sei er, der Urknall, hinreichend bewiesen und daher kaum in Frage zu stellen, wird gesagt.

      Dabei war der Urknall zunächst nur ein lockerer Scherz, eine Blödelei. Fred Hoyle, der große britische Physiker, hatte ihn geprägt, als er sich in einer Rundfunksendung über die sich gerade verfestigende Vorstellung vom explosiven Beginn des Universums lustig machte.

      Wenn die Wissenschaftler heute über den Urknall oder den Beginn des Universums reden oder schreiben, machen sie das allerdings mit einem solchen Ernst, als wäre das schon lange kein Modell mehr und keine Theorie, sondern ein vom Allwissenden persönlich beglaubigter Eintrag im Grundbuch des Universums.

      Aber man muss das schon mal wieder sagen: Die Vorstellung vom Urknall ist ein Modell. Es gibt 2 bis 3 kosmologische Beobachtungen, die man als Indizien für einen stattgefundenen Urknall werten kann, aber, auch wenn das immer wieder behauptet wird, zweifelsfreie Beweise sind sie nicht. Und es gibt eine Anzahl von Theorien, die die Epoche des Urknalls beschreiben; aber Beschreibungen sind – auch wenn sie mit zahlreichen Tatsachen und glaubhaften Faktoren operieren – keine Beweise.

      Der Urknall ist noch immer keine historische Tatsache, sondern eine Konstruktion.

      Das Problem mit dem Urknall beginnt schon mit dem Begriff. Ein Knall ist in der allgemeinen Konvention der Begriffsbedeutung ein Geräusch, das ein Beobachter wahrnimmt; also etwas, was im Gehirn eines Beobachters realisiert wird. Das Gehirn übersetzt eine von den körpereigenen Sensoren aufgenommene Druckwelle in eine spezifische Form der Wahrnehmung, den wir als Knall bezeichnen. Ein Beobachter kann die Druckwelle auch anders wahrnehmen, als Druckempfindung der Haut etwa. Ein Gehörloser Beobachter würde keinen Knall wahrnehmen, trotzdem aber eine Druckwelle spüren.

      Ich möchte hier keine Krümelkackerei veranstalten, sondern lediglich darauf aufmerksam machen, dass wir mit dem Begriff Urknall vorsichtig umgehen sollten. Er ist jedenfalls nicht das, was wir uns unter einer Explosion im Allgemeinen so vorstellen. Ein Vorgang, der zu einer Zeit oder an einem Ort ohne Beobachter stattfindet, kann Druckwellen erzeugen, aber keinen Knall. Und wenn da in einer Frühphase des Universums etwas stattfand, was Druckwellen auslöste, Beobachter, die diese als Knall wahrnehmen konnten, gab es bestimmt nicht.

      Und mit den Druckwellen ist es auch so eine Sache. Eine Explosion setzt Druckgradienten voraus und schließt sie ein. Etwas kann nur explodieren, wenn es zwischen innen und außen Druckunterschiede gibt. Aber wo war beim Urknall außen? Wenn der Urknall der Beginn des Universums war, dann gab es für dieses kein außen; jedenfalls keines in dem Sinn, den wir für gewöhnlich etwas außerhalb Stehendem zubilligen würden. Wollte man gehässig-konsequent sein, könnte man nun rigoros sagen: Liebe Wissenschaftler, hört bitte auf, uns dieses Zeugs zu erzählen. Einen Urknall gab es nicht, fertig.

      Würde ich es aber dabei belassen, ließe ich mir eine ganze Anzahl interessanter und spannender Überlegungen entgehen. Das möchte ich dann doch nicht. Deshalb sage ich mir, gut, es muss da etwas gegeben haben, einen Beginn von allem, einen besonderen Prozess der ursprünglichen Entstehung dessen, was wir als Universum bezeichnen. Wenn das in einem allgemeinen Konsens als Urknall bezeichnet wird, gut, dann soll es halt so sein. Ich werde mich nicht querstellen und den Begriff, zunächst nur als solchen, akzeptieren; wohl wissend, dass alle Vorstellungen, die wir mit einem Knall oder einer Explosion verbinden, für diese frühe Phase des Universums nicht zutreffen.

      Aber dann beginnt schon das nächste Problem. Was meinen wir genau, wenn wir vom Urknall sprechen? Das ist nämlich keineswegs so eindeutig definiert, dass darüber sofort Einigkeit herrschen würde. Der Begriff wird verschiedentlich auf sehr verschiedene Perioden oder Vorgänge bezogen, je nachdem, worüber man gerade referiert.

      Der Urknall kann so die Periode sein, in der sich aus einer extrem heißen und dichten Ursuppe die materielle Basis für das uns bekannte Universum entwickelte. Eine Periode, die etwas 380 000 Jahre dauerte und endete, als sich Strahlung und Materie entkoppelten und die Materie beginnen konnte, sich großräumig zu strukturieren. 380 000 Jahre sehen nicht gerade nach einem kurzzeitigen Ereignis aus, wie es ein Knall für gewöhnlich ist. Aber gemessen am Gesamtalter des Universums sind sie auch nur ein Wimpernschlag.

      Das kann man zeitlich noch einengen, indem man den Urknall als jene Periode betrachtet, in der sich im Chaos der ursprünglichen Quarks, Elektronen, Positronen, Photonen und Neutrinos die ersten stabilen Atomkerne formieren konnten. Das dauerte etwa 3 Minuten, was auch nicht eben nach einem Knall, also einem plötzlichen Ereignis aussieht. Aber immerhin war es schon eine überaus turbulente Periode, in der sich in extrem kurzen Zeitabständen vielfältiges Geschehen abspielte.

      Noch mehr Knall-Fall wäre dann die Periode der Inflation. In ihr vergrößerte sich das Universum in einer Zeit zwischen 10^-38 und 10^-35 Sekunden auf das 10^100fache oder das 10^50fache, kann auch sein nur um das 10^30fache; die Angaben der Fachleute variieren. In jedem Fall wäre es jedoch ohne jeden Zweifel ein, auf die Zeit bezogen, außerordentlich explosiver Beginn.

      Am Häufigsten wird freilich mit dem Urknall noch etwas anderes gemeint; keine mehr oder weniger lange oder kurze Periode, sondern ein räumlich und zeitlich punktuelles, plötzliches und extrem kurzzeitiges Ereignis: Der Beginn des Universums, der Moment, da es in seine Existenz trat, der absolute Anfang von allem.

      Und da gehen die Probleme mit dem Urknall erst richtig los.

      Wenn uns die Wissenschaftler erklären wollen, was es mit diesem Beginn auf sich hat, geraten sie – ohne es sich sonderlich anmerken zu lassen – in ziemliche Not. Es sei darauf verwiesen, warum die Idee, das Universum habe einen Anfang gehabt, überhaupt auftauchte. Das war den Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins, nein eigentlich denen von Alexander Friedmann und den Überlegungen des Priesters Georges Lemaître, schließlich den Beobachtungen der galaktischen Rotverschiebungen durch Edwin Hubble zu verdanken.

      Die Gleichungen, ihre Interpretationen und die Beobachtungen zeigten ein dynamisches Universum, das entweder in sich zusammen fällt oder sich ausdehnt. Einstein hätte lieber ein statisches, schon immer existierendes Universum konstruiert. Aber das

Скачать книгу