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geschlossenen Wolkendecke. Über ihm strahlte die Sonne am tiefblauen Firmament.

      Es war 16:00 Uhr an diesem Donnerstag und seine nächste Verabredung fand bereits in drei Stunden statt und war diesmal privat.

      Er liebte Florenz im Frühling, und freute sich auf die nächsten vier Tage, um in seinem Lieblingshotel in

      Siena, 70 Kilometer südlich von Florenz unterzutauchen, denn genau dies brauchte er gerade jetzt, da die Dinge eine Wendung nahmen, die niemand auch nur in seinen kühnsten Träumen sich vorzustellen vermocht hatte. Seit Wochen hatte sich ausschließlich alles um sein Projekt gedreht und er freute sich wie ein kleiner Junge auf sein Treffen mit Fiorenza. Als Professor für Nuklearphysik an der Universität Hamburg und Auckland pendelte er immer ein wenig zwischen den Welten. Es bereitete ihm Freude, die unterschiedlichen Kulturkreise in seinen Forschungsteams zu beobachten und interessante Schlußfolgerungen aus deren Sichtweisen weiter zu verfolgen. Aber hier in Europa war er wirklich zu Hause. Hier in Italien traf er sich immer gerne mit seiner Frau auf deren elterlichen Anwesen in Siena, in der Villa Scacciapensieri die schon seit vielen Jahren zum Hotel umgebaut worden war. Dies war auch heute wieder sein Ziel auf dem Flug von Hamburg nach Florenz.

      Er schaltete den Autopilot aus, ging auf Kurs 180, und folgte den Anweisungen des Towers, der ihn auf 6000 Fuß sinken ließ. Nun sah er unter sich München in einem seltsam schönen Nachmittagslicht.

      Nachdem er die Stadt überflogen und hinter sich gelassen hatte, ging er wieder, den Anweisungen folgend, in den Steigflug und beendete diesen in Flugfläche 230. Nun war es nicht mehr weit bis Florenz und er überprüfte noch einmal alle Instrumente und übermittelte die geschätzte Ankunftszeit an die Flugsicherung.

      Er landete planmäßig und rollte langsam zu der ihm zugewiesenen Parkposition. Nachdem er die Maschine auf Florenz Amerigo Vespucci abgestellt hatte, fuhr er direkt nach Siena in die Villa seiner Schwiegereltern. Fiorenza, seine Frau hatte die Suite für ihn reservieren lassen, da zu dieser Jahreszeit das Hotel immer sehr gut besucht war. Heronimus hatte auch schon einmal mit einem kleinen Zimmer im Dachgeschoss vorlieb nehmen müssen, was ihm allerdings besser gefiel als Stella seiner Schwiegermutter. Ihr war so etwas immer sehr unangenehm und sie entschuldigte sich mehrmals bei Heronimus für dieses Ungemach, wie sie es nannte. Den obligatorischen Obstkorb brachte man ihm aber auch auf seine Kammer im Dachgeschoss, was ihm dann auch ein wahres Schmunzeln entlockte, er fühlte sich auch hier oben wohl. Aber davon einmal abgesehen, die Suite war eben doch ein wenig komfortabler.

      „Signore Faun, herzlich willkommen in der Villa Scacciapensieri – hatten Sie einen angenehmen Flug?“

      Fiorenza selbst war nicht anwesend aber ihre Mama, Stella, und sie verstand es immer wieder ihn innerhalb kürzester Zeit ins Italienische „umzustellen“ wie sie es nannte.

      Auch daß sie ihn hin und wieder mit Signore ansprach, fand er inzwischen ganz normal.

      „Grazie, liebste Stella, die Reise in diese schöne Stadt bereitet mir immer wieder große Freude.“

      „Wir haben die Zimmer schon richten lassen und der Kaffee steht auf deiner Terrasse bereit.“

      „Vielen Dank, ich darf mich auch direkt zurückziehen?!“

      „Aber natürlich, Heronimus.“

      Antwortete Stella während sie ein paar Teller, die sie aus der Küche mitgebracht hatte, auf der Anrichte abstellte.

      Er nahm von seinem Gepäck nur seine Aktentasche und begab sich in den ersten Stock, wo er immer die gleichen Zimmer erhielt, wenn er hier wohnte.

      Die Terrassentür stand weit offen, und die frühabendliche Luft strich sanft in den Raum.

      Heronimus begab sich, nachdem er sein Jackett über den Stuhl gelegt hatte, auf die Terrasse seiner Suite und erfreute sich an dem wundervollen Anblick der alten Stadt, die im Sonnenuntergang so friedlich ausgebreitet vor ihm lag.

      Wie würde es weitergehen, fragte er sich, während er es sich auf seinem Liegestuhl bequem machte und blickte versonnen über die Stadt – wird die Lawine, die er ins Rollen gebracht hatte, alles unter sich begraben oder würde das Eis rechtzeitig schmelzen?

      Das Telefon klingelte aber er beschloß die nächsten 30 Minuten für sich zu nutzen, um hier auch anzukommen, denn sein Flugzeug reiste meist schneller als er selbst es vermochte.

      So erging es ihm immer wieder einmal auf Reisen, er musste gar nicht um die halbe Welt fliegen, um dieses Phänomen zu erfahren, seine Seele benötigte meist etwas länger, um auch wirklich anzukommen, auch wenn er schon den einen oder anderen Tag an seinem Ziel angekommen war. Wenn er mit dem Zug unterwegs war, kam dieses Gefühl nicht auf, dies schien eine Geschwindigkeit zu sein, der sein Geist noch zu folgen imstande schien. Es amüsierte ihn immer wieder aufs Neue.

      Er empfand es als das Selbstverständlichste auf der Welt von einer leisen Begrüßung, die in sein Ohr gemurmelt wurde, seinem kurzen Schlaf entrissen zu werden. Fiorenza stand zu ihm heruntergebeugt, neben ihm, und hatte sich, wie es fast immer ihre Art war, in sein Zimmer geschlichen um ihn zu begrüßen.

      „Ciao Hero“, hauchte sie ihm ins Ohr.

      Sie betonte diese Abkürzung immer wieder aufs Neue bewußt falsch ins englische, was ihm so gar nicht behagte.

      „Habe mich sofort ins Auto gesetzt und bin von Milano hier hergefahren – wie lange bleibst du?“

      „Ich denke – vier Tage auf jeden Fall.“

      „Wunderbar, dann können wir ja am Wochenende bei den Castillianis vorbeisehen – du erinnerst dich, das schöne Bild von ihm – du wolltest es dir noch einmal überlegen.“

      „Fiorenza, ich weiß nicht, ob ich die Zeit finden werde.“

      Er richtete sich ein wenig auf, streckte sich und sah sie an. Ja das Bild. Diese wunderbare Darstellung einer Schlafenden, eingehüllt in ein zerfließendes Blau, so unvorstellbar blau, wie man es nur den Tiefen der Meere entringen könnte. Voll der Sinnlichkeit und doch so unberührbar. Ganz der Welt entrückt. So hatte er dieses Bild vor Augen. Wann immer er bei den Castillianis weilte, stand er lange vor diesem Werk und sog es regelrecht in sich auf, fühlte den unendlichen Frieden, den dieses Bild ausstrahlte. Schon so viele Jahre wollte er dieses Bild besitzen und nun stand es zum Verkauf, er brauchte nur ja zu sagen, kein anderer bekam den Zuschlag, solange er nicht abgelehnt hatte, dies hatten sie ihm versprochen. Aber es hatte einen stolzen Preis. Verhandeln konnte er in genau diesem Falle nicht – zu viel bedeutete es ihm, da war kein Verhandeln möglich. Das überließ er Fiorenza und sie machte es mit einer unvorstellbaren Leichtigkeit einfach so nebenbei.

      Alle in der Familie wussten, wie sehr Heronimus dieses Bild liebte. Es konnte sich nur noch um einen kurzen Zeitraum handeln, ehe der Handel abgeschlossen werden konnte.

      „Du siehst wunderschön aus, wer hat dich mit diesem neuen Haarschnitt geadelt?“

      „Paulini musste sich unbedingt wieder etwas Neues einfallen lassen – nur die Farbe empfinde ich ein wenig zu hart, meinst du nicht auch?“

      „Keinesfalls, sie ist wunderbar – Schwarz steht Dir nun einmal am besten.“

      „Sage, ist es wirklich so schlimm was du am Telefon erwähnt hast?“

      Sie ging ans andere Ende der Terrasse und nahm ihre unnachahmliche Haltung ein, wenn sie seinen Erzählungen gespannt lauschte. Das Kinn leicht auf die schräg nach hinten abgewinkelte offene Handfläche der linken Hand gelehnt, während der angewinkelte Arm immer den Eindruck bei ihm hinterließ jeden Moment wegzurutschen und doch Aufrecht und voll der Spannung ihres gesamten Oberkörpers in dieser Stellung verharrte.

      „Schlimm, nein schlimm ist es nicht, es ist eben nur ärgerlich wenn du Berechnungen, von denen du glaubtest, sie stimmen noch einmal machen mußt weil dem leider nicht so war. Hatte mit Felix gesprochen, der hielt das Ganze für so unglaublich, daß er darüber ein Buch verfassen möchte. Kannst du dir das vorstellen, Felix will einen Roman darüber schreiben!“

      Fragte Heronimus ihren Arm beobachtend,

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