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kommen die“, war Ernst offenbar wieder bei seinem Lieblingsthema.

      „In rund einem Monat“, antwortete Karl. „Habt ihr euch das noch einmal überlegt? Wollt ihr es tatsächlich auf die Spitze treiben mit euren Initiativen?“

      „Freilich,“, klang Jörg beinahe erbost, „wir müssen den Menschen helfen! Es hat bisher dermaßen gut geklappt, dass ich glaube, dass die dreißig kein Problem sein werden! Ich will die Quelmbacher besser einbinden. Jeder soll seinen Beitrag leisten, damit sich unsere Gäste hier wohl fühlen.“

      „Was du willst! Und meine Gäste sind es schon gar nicht“, keifte Ernst.

      „Wie kann man bloß so verbittert sein“, wunderte sich Jörg.

      „Pass auf, was du sagst, mein Lieber! Seit wir die im Dorf haben, ist nur Chaos!“

      „Na, Ernst, so schlimm ist es jetzt aber auch nicht“, schlug Karl sich auf Jörgs Seite.

      „Du hast ja von denen keinen zu Hause hocken“, erwiderte Ernst.

      „Mhmmm… Paul hat sich mit Bojan angefreundet“, wandte Karl ein.

      „Wie schön“, meinte Jörg. „Das ist der Bosnier? Bojan Petrović?“

      „Ja, das ist der Bosnier“, bestätigte Karl. „Der ist ab und zu bei uns. Scheint aber in Ordnung zu sein. Sie verstehen sich sehr gut und Bojans Deutsch ist ausgezeichnet. Bis auf einen kleinen Akzent merkt man ihm nicht an, dass er kein Deutscher ist. Er hatte es wohl da unten in der Schule.“

      „Und wovor soll der geflüchtet sein“, sprangen Ernst fast die Augäpfel aus dem Schädel.

      „Ich gehe davon aus, dass sein Antrag abgelehnt werden wird“, schloss sich Karl indirekt seinem cholerischen Freund an.

      „Eine Schande! Dort hat er doch keine Zukunft“, entrüstete sich Jörg.

      „Natürlich! Monsieur Généreux würde alles und jeden nehmen, der kommt! Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, giftete Ernst.

      „Wenn du in jener Situation wärst, würdest du’s ihnen gleichtun“, unterstellte ihm Jörg.

      „Ich?! Wenn es da unten mehr von meiner Sorte gäbe, sähe es da überhaupt nicht so aus“, behauptete Ernst.

      Karl musste kichern: „Das vermute ich auch. Willste nicht mal für’n Jahr da runter?“

      „Das würde noch fehlen! Was soll ich zu denen da runter? Die kommen doch alle zu uns hoch und ich hab sie dann im Haus. Kann lediglich hoffen, dass meine Jüngste bei Verstand bleibt und sich einen ausm Dorf sucht. Stellt euch vor“, schlug er sich auf die Knie, „dieser Mayo hat die Nacht bei meiner Tochter gepennt! Ihr könnt euch nicht ausmalen, wie flott der draußen war, als ich die beiden morgens erwischt hab‘ und meinem Frolleinchen hab‘ ich ordentlich den Marsch geblasen! Gibt so viele Jungs in ihrem Alter bei uns in Quelmbach – was muss die sich ausgerechnet ‘nen Nigerianer angeln?!“

      „Oha, Rassenschande im Hause Bolz“, stichelte Jörg.

      Ernst stützte sich nach wie vor auf seine Knie: „Provozier mich nicht!“ Er sprach dies mit einer solchen Überzeugung, dass Jörg kurz zusammenzuckte und in der Tat wohlweislich schwieg.

      „Der ist Kongolese, meine ich“, flocht Karl ein.

      „Das ist mir ziemlich egal, was der ist, solange der die Flossen von meiner Tochter lässt“, sagte Ernst und lehnte sich nun endlich zurück. „Kommt die mit so einem Habenichts“, sprudelte es nach einer Minute nochmals aus ihm hervor. Schließlich schien er sich zu beruhigen.

      „Muss der Gemeinderat nicht zustimmen, wegen des alten Schulhauses“, erkundigte sich Jörg.

      „Ja. Hab die Sitzung auf Mittwochabend gelegt. Ich gehe davon aus, dass er zustimmen wird“, gestand Karl.

      „Sei dir da nicht so sicher“, merkte Ernst an.

      Karl räumte ein, dass es einige Gegenstimmen geben dürfte, jedoch letztlich kein Weg daran vorbeiführe.

      Die Rinder hatten sich eins nach dem anderen langsam wieder umgedreht und es mutete an, als genössen sie – wie die drei Herren auf der Bank – den abendlichen Blick auf Quelmbach, das dort geradezu malerisch am Hang klebte und dessen Häuser lange Schatten warfen. Der Wetterhahn des Kirchturms schimmerte golden und wies in Richtung Westen. Der Wind kam von Osten und war kalt.

      1.6

      Karl hatte endlich Urlaub, zumindest, was seinen Hauptberuf als Archivar anging. Auf sein Ehrenamt – das des Ortsbürgermeisters – traf dies selbstredend nicht zu. Zu viel harrte noch auf seinem Schreibtisch, was er neben Familie und Arbeit nicht immer zeitig erledigen konnte. Gerade hatte er den beiden Gemeindearbeitern Ben Deutsch und Oskar Migré Arbeitsanweisungen erteilt und sortierte einige Ordner, als es an die offenstehende Tür klopfte. Karl sah auf. Faruk und Nahom standen im Türrahmen und strahlten ihn an.

      „Moin,“, grüßte er sie, „ist euch wieder langweilig?“

      Die zwei lachten.

      „Ja, ein bisschen“, gab Faruk zu. „Urlaub schön?“

      „Ich habe nicht viel Urlaub. Alles Arbeit“, zeigte Karl auf den Schreibtisch mit den Stapeln.

      „Hast du auch für uns Arbeit“, fragte Nahom.

      „Wenn ihr wollt, könnt ihr nachher Ben und Oskar zu Hand gehen“, bot Karl ihnen an.

      Sie nickten.

      „Was machen sie“, wollte Faruk wissen.

      „Die montieren die Latten der gemeindeeigenen Bänke ab, dann werden die abgeschliffen und neu gestrichen. Dabei könntet ihr ihnen helfen. Streichen?“

      „Was ist streichen“, kannte Nahom die Vokabel anscheinend nicht.

      Karl guckte zuerst zu Faruk, doch auch der zuckte mit den Achseln und schob ein „Ich weiß nicht“ hinterher.

      „Streichen bedeutet neue Farbe draufmachen… malen…“, Karl führte ihnen die typischen Streichbewegungen vor.

      „Malen ist gut“, lachte Nahom.

      „Wenn ihr wollt, kann ich euch mit in den Baumarkt nehmen. Ich hatte vor, in der Zeit, während die die Latten abmontieren, die Farbe zu besorgen.“

      Sie schauten ihn erneut ein wenig verwirrt an. Karl glaubte, das Wort ausmachen zu können, welches ihnen nicht geläufig war: „Baumarkt?“

      Faruk und Nahom schüttelten die Köpfe.

      „Ein Baumarkt ist ein Supermarkt für Holz, Steine, Farbe…“

      „Das ist gut“, befand Nahom zufrieden.

      „Wir kommen mit“, bekräftigte Faruk.

      „Gut. Geht schon einmal zum Auto, ich bin gleich dort“, trug Karl ihnen auf.

      Die beiden gehorchten mit einem freudigen „Ok“ und warteten vor dem Bürgermeisteramt an Karls Wagen, den sie in den vier Wochen, die sie nun bereits in Quelmbach lebten, häufiger dort oder vor Karls Haus gesehen hatten. Karl war davon ausgegangen, dass sie ihn nach einer Beschäftigung fragen würden. Auf dem Land ist oft nicht viel los und was sollten sie sich nicht ins Gemeindeleben einbringen? Sinnvoller als träge in ihren Wohnungen zu sitzen und die Zeit zwischen den einzelnen Integrationskursen mit irgendwelchen Dummheiten zu überbrücken, war es allemal. Karl bemühte sich, ihnen stets etwas anbieten zu können, wenn sie fragen kamen. In der Regel geschah das abends, wenn er Sprechstunde hatte, dann sprachen sie ihn darauf an. Dass er einige Tage Urlaub haben werde, war offenbar bei ihnen hängen geblieben, denn gewöhnlich begegnete man ihm montagmorgens nicht in seiner Amtsstube. Er platzierte schnell die Ordner im Regal, ehe er sich nach draußen begab.

      Der Ausflug in den Baumarkt entpuppte sich für Faruk und Nahom

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