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Wimper“, verteidigte er sich.

      „Darf man sich dann nicht was wünschen?“

      Er guckte skeptisch.

      „Du liest zu viele romantische Gedichte…“

      „Gar nicht! Die sind wunderschön“, widersprach sie ihm und sich gleichzeitig und sah nun selbst auf die an ihr Grundstück grenzenden Wiesen.

      „Wie stehst du dazu?“

      Karl überlegte. Seine Blicke schweiften in die Dämmerung ab.

      „Ich fürchte mich davor, dass uns die Sache über den Kopf wächst.“

      „Dass es zu viel wird?“

      „Ja. Wenn ein Ende in Sicht wäre – aber das ist es ja nicht... Und dann Ernst und Jörg – das was Jörg zu viel macht, macht Ernst zu wenig und beide werden immer extremer, habe ich den Eindruck…“

      „Hat er sich wieder über Mojo aufgeregt?“

      „Ja, hat er, wobei Mojo bei ihm Mayo heißt“, berichtete Karl.

      „Meinst du, es liegt daran, dass er schwarz ist?“

      „Nein, das glaube ich bei Ernst nicht. Die Farbe ist ihm ziemlich egal“, lachte er ob seiner Formulierung. „Er hätte – meine ich – lieber jemanden für seine Tochter gehabt, der aus dem hiesigen Kulturkreis kommt.“

      „Würde dich das stören, wenn unsere Marie einen afrikanischen Freund mitbrächte“, lugte sie nach links zu ihm herüber.

      „Nein, die Enkel wären sicher niedlich. Nur bei einem Indianer hätte ich Probleme. Als Marie die Masern hatte, sah sie grässlich aus. Stell dir mal vor, die Kinder hätten rote Punkte!“

      „Hahaha! Du bist unmöglich“, schlug sie ihm auf die Brust.

      Er beugte sich zu ihr und küsste sie.

      „‚Mein Kuss ist jung, mein Kuss ist alt, Ich küss mit weisen Listen.‘“

      „Da hat wohl jemand ebenfalls Brentano gelesen“, stellte sie fest und setzte noch einen drauf:

      „‚Kaum hörst du auf, so fang ich an; Versäumnis muss ich büßen‘.“

      Sie neigte sich zu ihm, doch er wich ihr aus.

      „Ich geh schlafen. Bis später, Gute Nacht“, berührte Karl ein letztes Mal ihre Wangen, bevor er sich erhob.

      „‚So lebe wohl, verzeihe dir! Die keusche Bahn zu wandlen‘.“

      „‚Ich lebe wohl, verzeihe mir, Im Traum Dich zu misshandlen‘“, antwortete er.

      Mit einem schelmischen Lächeln stieg Karl ins Haus.

      „Hach,“, klagte Elsa, „dafür hat man einen Mann…“

      Sie nahm den Brentano aus ihrem Schoß, blätterte ein wenig darin und fing an, zu lesen. Es dauerte nicht lange, ehe sie das Buch beiseitelegte. Gemächlich kroch die Kälte der Nacht aus ihrem Versteck hervor, in dem sie tagsüber gekauert hatte. Fledermäuse jagten nach Faltern. Elsa zog sich ins Haus zurück.

      1.3

      In Verbandsbürgermeister Wortreichs Amtszimmer roch es miefig. Sie saßen zu dritt am Besprechungstisch. Mit von der Partie war Michaela Plauda, die Integrationsbeauftragte. Vor ihnen die obligatorischen Tassen Kaffee und Trockengebäck. Nach dem üblichen Begrüßungsgeplänkel kam Wortreich recht zügig auf den eigentlichen Grund des Treffens: „Wie ich dir ja schon telefonisch mitgeteilt habe, steht uns wieder eine Lieferung ins Haus… Wir sind der Ansicht, dass diese in Quelmbach untergebracht werden müsste…“

      Er guckte kurz zu Michaela, die mit zustimmender Miene den Gesprächsfaden aufnahm: „Die Stadt hat inzwischen zweihundertdrei. Weil ihr bisher dreiundsiebzig habt, wäre es ganz gut, wenn wir das nächste Kontingent bei euch quartieren könnten.“

      Sie stierte Karl durch ihre dickrahmige Brille an und strich sich eine rote Haarsträhne von der Stirn.

      „Was ist mit den anderen Ortschaften? Die mangelnde Infrastruktur ist für mich zunehmend kein Argument mehr“, wandte dieser ein.

      „Auf die werden wir wahrscheinlich bald stärker zurückgreifen müssen. Aber so lange, wie es irgendwie geht, bevorzugen wir – natürlich im Interesse der Flüchtlinge – die Unterbringung in Ortschaften mit halbwegs vorhandener Infrastruktur, sprich: Lebensmittel, Ärzte und so weiter. Die haben ja kein Auto und im Winter kannst du die Strecken mit dem Fahrrad häufig nicht fahren. Zwei Familien leben übrigens bereits in kleineren Dörfern, ist jedoch wirklich eher die Ausnahme“, erläuterte Plauda.

      „Das leuchtet mir ja alles ein, aber zum einen sind die Busverbindungen selbst aufm Land gar nicht so übel und zum anderen: Wohin? Soweit mir bekannt, gibt es in Quelmbach keinen freien Wohnraum mehr. Ganz davon abgesehen: Habt ihr inzwischen genauere Zahlen?“

      „Etwa dreißig, mehr wissen wir vorerst nicht. Ich habe beim Kreis nachgefragt, aber von da kam ebenfalls nix“, sagte Plauda.

      Wortreich nahm sich einen Keks und schwieg. Michaela fuhr fort: „Wir sind uns über die Lage auf dem Wohnungsmarkt völlig im Klaren. Wir hatten da allerdings eine Idee…“

      Sie drehte sich zu Wortreich, der genüsslich an seiner Tasse schlürfte, hustete und dann meinte: „Ja, richtig, wir dachten an das alte Schulhaus.“

      „Das alte Schulhaus? Da kriegst du doch keine dreißig Leute unter“, kritisierte Karl.

      „Es hat sechs Räume, davon vier Klassenräume, die man teilen könnte, sodass man auf zehn bis vierzehn käme. Zwei bis drei Personen pro Raum. Plus die zwei Sanitärräume. Müssen halt noch Duschen rein“, rechnete Plauda ihm vor.

      „Ihr solltet zuerst den vorhanden Wohnraum in den anderen Dörfern nutzen, statt alte Gebäude umzubauen“, beharrte Karl.

      „Machen wir, hab ich doch eben gesagt. Und so wie es zurzeit aussieht, werden wir das ohnehin demnächst häufiger tun müssen“, strich Plauda heraus, während Wortreich sich den nächsten Keks zuführte.

      „Außerdem ist das alte Schulhaus im Eigentum der Gemeinde Quelmbach. Ich kann euch nicht ohne Weiteres gestatten, dort Umbauten vorzunehmen“, protestierte Karl.

      „Deshalb sollte der Gemeinderat von Quelmbach dem zustimmen“, flocht Wortreich kauend ein.

      „Wann sollen die denn kommen“, erkundigte sich Karl.

      „Wir rechnen grob etwa mit einem Monat, aber das verschiebt sich oft vorher noch einmal“, gestand Plauda. „Bis dahin könnten die kleinen Umbauten abgeschlossen sein, wenn wir alle ein bisschen auf die Tube drücken. Ist ja nicht viel.“

      „Das sagst du so leicht. Ich müsste zuerst den Gemeinderat drüber abstimmen lassen, ob wir dem Verband das Gebäude zur Verfügung stellen. Das ginge frühestens nächsten Mittwoch, damit ich die gesetzliche Frist einhalte…“

      „Würde reichen. Wenn wir von unserer Seite alles vorbereiten, könnte es übernächste Woche losgehen. Gibst du uns dann am Mittwoch Bescheid“, fragte Plauda.

      „Bleibt mir was anderes übrig? Wisst ihr schon was über die Zusammenstellung? Nicht, dass die mir die Bude zertrümmern“, befürchtete Karl.

      „Nee, bisher nichts. Darauf können wir ohnehin keine Rücksicht mehr nehmen. Anfangs ging’s, aber bei dann über zweihundertachtzig Menschen auf elftausend Einwohner, zumal der Wohnungsleerstand bei uns im Vergleich zu den Nachbargemeinden ziemlich bescheiden ausfällt, ist das nicht mehr zu machen. Wie ist denn bei euch generell die Stimmung“, wollte Plauda wissen.

      „Fuffzig-fuffzig, würde ich sagen… Vor allem die Safić-Brüder haben keinen unbedeutenden Anteil daran. Das können dann die nicht wenigen positiven Beispiele nicht mehr aufwiegen“, erzählte Karl.

      „Was

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