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Ich habe nur ...«

      »Das können Sie nachher sagen. Bekennen Sie sich schuldig?« wiederholte der Vorsitzende nochmals ruhig, doch bestimmt.

      »Nein, das kann ich nicht, weil ich nämlich ...«

      Wiederum sprang der Nuntius auf Simon Kartinkin zu und brachte ihn mit seinem tragischen Flüstern zum Schweigen.

      Der Vorsitzende, dessen Miene deutlich zeigte, daß dieser Punkt jetzt für ihn erledigt sei, gab seinem Körper eine kleine Wendung und wandte sich nun an die Angeklagte Botschkowa.

      »Euphemia Botschkowa, Sie sind angeklagt, am 17. Januar 18.. im Gasthof ›Mauretania‹ gemeinsam mit Simon Kartinkin und Jekaterina Maslowa dem Kaufmann Smjelkow aus seinem Reisekoffer bares Geld sowie einen Ring entwendet und nach Verteilung des Raubes, um die Spuren des Verbrechens zu verwischen, dem Kaufmann Gift eingegeben zu haben, an dem er gestorben ist. Bekennen Sie sich schuldig?«

      »Nicht im geringsten,« erwiderte die Angeklagte keck und bestimmt. »Ich bin nicht einmal in seinem Zimmer gewesen ... Wenn diese gemeine Person da drin gewesen ist, so wird sie es wohl getan haben ...«

      »Das können Sie nachher sagen,« versetzte der Vorsitzende sanft, doch zugleich entschieden. »Sie bekennen sich also nicht schuldig?«

      »Ich habe das Geld nicht genommen, und hab' ihm auch nichts zu trinken gegeben, und war überhaupt nicht in seinem Zimmer. Wäre ich drin gewesen, dann hätte ich die Person hinausgeworfen.«

      »Sie bekennen sich nicht schuldig?«

      »Niemals!«

      »Sehr gut.«

      »Jekaterina Maslowa,« begann der Vorsitzende, zu der dritten Angeklagten gewandt – »die Anklageschrift behauptet, Sie seien mit dem Schlüssel zum Reisekoffer des Kaufmanns Smjelkow nach dessen Zimmer im Gasthof ›Mauretania‹ gekommen, und Sie hätten aus diesem Koffer bares Geld und einen Ring« – hier unterbrach er für einen Augenblick seine mechanisch hergeplapperte Rede, um sein Ohr dem links von ihm sitzenden Richter zuzuneigen, der ihm soeben zugeflüstert hatte, daß von den in den Akten verzeichneten Beweisstücken ein Weinglas fehle – »aus diesem Koffer bares Geld und einen Ring entwendet« – wiederholte der Vorsitzende – »hätten den Raub mit den beiden andern Angeklagten geteilt, wären dann noch ein zweites Mal mit dem Kaufmann Smjelkow nach dem Gasthof ›Mauretania‹ gekommen und hätten ihm vergifteten Wein zu trinken gegeben, an dem er gestorben sei. Bekennen Sie sich schuldig?«

      »Ich bin nicht im geringsten schuldig,« entgegnete die Angeklagte rasch und lebhaft – »was ich von Anfang an gesagt habe, das sage ich auch jetzt wieder: ich habe nichts, nichts, nichts genommen, gar nichts genommen, und den Ring hat er mir selber gegeben.«

      »Sie bekennen sich also bezüglich des Raubes der 2500 Rubel in barem Geld in keiner Weise schuldig?« sagte der Vorsitzende.

      »Ich sage, daß ich nichts genommen habe außer den 40 Rubeln.«

      »Nun, und daß Sie dem Kaufmann Smjelkow Gift in den Wein geschüttet haben – das gestehen Sie ein?«

      »Ja, das gestehe ich ein. Nur glaubte ich, es sei ein Schlafpulver, das ihm nicht schaden könne, wie man mir's eben gesagt hatte. Ich dachte nicht daran, ihn zu vergiften, ich wollte es nicht. Gott ist mein Zeuge: ich wollte es nicht,« sagte sie.

      »Sie bleiben also dabei, daß Sie an dem Raube des Geldes und des Ringes des Kaufmanns Smjelkow nicht schuldig sind,« sagte der Vorsitzende, »gestehen jedoch, daß Sie ihm das Pulver eingegeben haben?«

      »Ja, das gestehe ich, nur meinte ich, es sei ein Schlafpulver. Ich wollte nur, daß er einschlafen möchte – vergiften wollte ich ihn nicht, nicht im Traum dachte ich daran.«

      »Sehr gut,« sagte der Vorsitzende, offenbar zufrieden mit dem erzielten Resultat. »Erzählen Sie nun, wie die Sache sich zutrug,« sagte er, sich in den Sessel zurücklehnend und beide Hände auf den Tisch legend. »Erzählen Sie alles so, wie es gewesen ist. Durch ein offenes Geständnis können Sie Ihre Lage sehr erleichtern.«

      Die Maslowa sah den Vorsitzenden nach wie vor gerade und offen an und schwieg.

      »Erzählen Sie, wie die Sache sich zutrug!«

      »Wie sie sich zutrug?« begann die Maslowa plötzlich rasch und lebhaft. »Ich kam in das Gasthaus, und man führte mich in ein Zimmer, in dem er sich befand; er war aber schon sehr betrunken.« Jedesmal, wenn sie das Wort »er« aussprach, machte sie große Augen und schaute ganz erschrocken drein. »Ich wollte fort, er ließ mich jedoch nicht gehen.«

      Sie schwieg, als hätte sie plötzlich den Faden der Erzählung verloren, oder als dächte sie an etwas anderes.

      »Nun, und dann?«

      »Was – dann? Dann blieb ich doch bei ihm und fuhr später nach Hause.«

      In diesem Augenblick erhob sich der Staatsanwaltsgehilfe zur Hälfte von seinem Platze, wobei er sich in unnatürlicher Weise auf den einen Ellbogen stützte.

      »Sie möchten eine Frage stellen,« sagte der Vorsitzende, und als der Staatsanwaltsgehilfe bejahend antwortete, bedeutete er ihm durch eine Handbewegung, daß er fragen dürfe.

      »Ich möchte eine Frage stellen: war die Angeklagte schon vorher mit Simon Kartinkin bekannt?« fragte der Staatsanwaltsgehilfe, ohne die Maslowa anzusehen.

      Nachdem er diese Frage gestellt hatte, preßte er seine Lippen fest aufeinander und setzte eine finstere Miene auf.

      Der Vorsitzende wiederholte die Frage. Die Maslowa blickte erschrocken auf den Staatsanwaltsgehilfen.

      »Mit Simon? Gewiß war ich mit ihm bekannt,« sagte sie.

      »Ich möchte nun noch wissen, welcher Art die Bekanntschaft der Angeklagten mit Kartinkin gewesen ist? Haben Sie sich öfters gesehen?«

      »Die Bekanntschaft? Welcher Art die gewesen ist? Er führte mich nur den Gästen zu, eine eigentliche Bekanntschaft war es nicht,« antwortete die Maslowa, während ihre Augen unruhig von dem Staatsanwaltsgehilfen zum Vorsitzenden und von diesem wieder zu jenem zurückirrten.

      »Ich möchte wissen, warum Kartinkin den Gästen immer nur die Maslowa zuführte, und nicht auch andere Mädchen?« fragte der Staatsanwaltsgehilfe, die Stirn runzelnd, doch zugleich mit einem feinen, mephistophelisch-pfiffigen Schmunzeln.

      »Ich weiß es nicht. Woher soll ich das wissen?« antwortete die Maslowa, ließ den erschrockenen Blick in die Runde gehen und für einen Moment auf Nechljudow haften. »Er führte ihnen eben zu, wen er wollte.«

      »Ob sie mich erkannt hat?« dachte Nechljudow voll Angst, wobei er fühlte, daß das Blut ihm jäh zu Kopfe stieg. Aber die Maslowa sah ihn ganz so oberflächlich und unbestimmt an wie die andern, wandte sich gleich wieder ab und schaute mit erschrockener Miene auf den Staatsanwaltsgehilfen.

      »Die Angeklagte leugnet also, daß sie irgendwelche näheren Beziehungen zu Kartinkin gehabt hat? Sehr gut. Ich habe weiter keine Frage zu stellen.«

      Und der Staatsanwaltsgehilfe nahm sogleich seine Ellbogen vom Pult fort und begann irgend etwas zu notieren. In Wirklichkeit aber notierte er gar nichts, sondern fuhr nur mit der trockenen Feder über das vor ihm liegende Blatt Papier hin. Er hatte das den wirklichen Staatsanwälten und den Advokaten abgeguckt, die jedesmal nach einer geschickten Fragestellung sich eine Bemerkung für ihr Plädoyer machen, die den Gegner zerschmettern soll.

      Der Vorsitzende wandte sich nicht sogleich wieder zu der Angeklagten, da er gerade dabei war, den Richter mit der Brille zu fragen, ob er mit der im voraus festgestellten und aufgezeichneten Fragestellung einverstanden sei.

      »Was geschah dann also weiter?« fuhr der Vorsitzende darauf in dem Verhör fort.

      »Ich fuhr nach Hause,« erzählte die Maslowa, die nun schon ein wenig sicherer geworden war und nur den Vorsitzenden ansah – »gab der Wirtin das Geld und legte mich schlafen. Kaum war ich eingeschlafen, als das Stubenmädchen Berta mich weckte: ›Komm rasch, dein Kaufmann ist wieder da!‹ Ich wollte nicht

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