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sage die Wahrheit, Mister. Sie werden noch ein paar Fragen haben, ich nehme die Antworten vorweg. Sie wollen wissen, weshalb ich Marsha mitgenommen habe. Ich lebe bei meinen Alten. Da ist es schwer, seine Puppe mitzubringen. Ich sah eine feine Möglichkeit, mit Marsha hier ein paar ungetrübte Stunden zu verbringen. Als Sie an der Tür klingelten, hat sie sicherlich geglaubt, ich sei vom Einkauf zurückgekommen...“

      „Genauso ist es“, assistierte das Mädchen eifrig. „Sonst hätte ich gar nicht geöffnet.“

      „Wo hat Gloria die Schlüssel für Sie hinterlegt?“

      „Unten in der Tiefgarage, eine Handbreit unter dem Sand des Löscheimers.“

      „Demnach muss sie hier gewesen sein.“

      „Sie wohnt schließlich in diesem Haus.“

      „Gegen wen sollen Sie die Wohnung verteidigen?“, wollte Cantrell wissen.

      „Keine Ahnung!“

      „Finden Sie nicht selbst, dass Ihre Geschichte reichlich unglaubwürdig klingt? Sie kreuzen hier mit Ihrem Mädchen und dieser Kanone auf, um das Apartment einer Jugendfreundin gegen unbekannte Angreifer zu sichern. Wer sind diese Angreifer, was können sie hier wollen? Geld vielleicht? Oder etwas anderes von Wert?“

      „Kann schon sein. Diese Geschichte ist jedenfalls wahr, das genügt.“

      Cantrell trat ans Telefon. Er wühlte Rocco Grandinis Nummer. Es dauerte einige Zeit, ehe der Teilnehmer sich meldete. Seine Stimme klang unwirsch, besänftigte sich aber rasch, als er Cantrells Stimme erkannte. Cantrell berichtete, wo er sich befand, was er in Glorias Wohnung vorgefunden hatte, und mit welchen Argumenten Luigi und Marsha ihr Handeln verteidigten.

      „Marsha?“, sagst du?“, fragte Grandini. „So um die Zwanzig herum und rotblond? Kenne ich nicht. Auch dieser Luigi ist mir nicht bekannt. Ich wette, die beiden binden dir einen Bären auf. Lass dir die Ausweise von ihnen zeigen. Es wird am besten sein, ich stehe auf und komme hin, das schaffe ich in zehn Minuten. Bis gleich.“

      Es klickte in der Leitung. Grandini hatte aufgehängt.

      „Rocco kennt uns nicht“, sagte Luigi.

      „Aber Sie kennen ihn?“

      „Wer kennt ihn nicht?“, fragte der Mann mit einem Anflug von Bitterkeit. „Sein Bild ist fast täglich in den Zeitungen zu sehen. Ein großer Mann, nicht wahr? Reich, sozial und wohltätig, dabei gutaussehend, der Liebling aller Frauen. Ist es nicht so?“

      „So ist es“, bestätigte Cantrell.

      „O ja. Nur spricht niemand von den vielen gebrochenen Herzen, die er ständig hinter sich lässt, von seiner skrupellosen Art, Hoffnungen und Leben zu zerstören. Oder glauben Sie im Ernst, er könnte sich mit ein paar Stiftungen freikaufen? Für ihn sind das doch nur Almosen, steuerlich absetzbar...“

      „Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen“, meinte Cantrell. „Rocco macht keinen Hehl daraus, Mädchen zu lieben. Er kann nicht jede heiraten. Meines Wissens sorgt er sogar sehr nachdrücklich dafür, dass in dieser Hinsicht keine Zweifel auf kommen. Versuchen Sie also bitte nicht, mit Ihrer melodramatischen Vorstellung vom Thema abzulenken. Rocco wird herkommen und einige Fragen an Sie und Ihre Freundin richten. Wenn die Antworten nicht befriedigend ausfallen, müssen Sie damit rechnen, dass...“

      Weiter kam er nicht.

      Das Mädchen erhob sich unruhig. Cantrell wandte den Kopf, um zu sehen, was sie vorhatte.

      Das war für Luigi das Signal zum Angriff. Er schnellte nach vorn, direkt auf Cantrell zu. Cantrell zuckte instinktiv zur Seite, verzichtete aber darauf, zu schießen. Diesmal war es Luigi, der einen Handkantenschlag anbrachte. Er traf Cantrells Hals.

      Cantrell stürzte zu Boden wie ein gefällter Baum. Irgend etwas traf seine Schläfe. Ein heißer, scharfer Schmerz durchzuckte ihn. Der Schlag wiederholte sich. Plötzlich stürzte sein Bewusstsein in einen tiefen, schwarzen Schacht, und er hörte auf, etwas zu fühlen oder zu denken.

      4

      Eine Stimme sickerte in sein Empfinden.

      Eine männliche Stimme.

      Cantrell kannte diese Stimme, aber er verstand nicht die Worte, die sie formulierte.

      Er stemmte sich mit aller Kraft gegen das lähmende Gewicht, das wie ein schwarzer, erdrückender Felsblock auf ihm zu lasten schien. Er hob mit unsäglicher Mühe die Augenlider und sah Roccos Gesicht über sich.

      „Bist du verletzt?“, fragte Grandini. Er sah besorgt aus.

      Cantrell schloss die Augen. In seinem Mund war ein Geschmack wie Rost und Eisen. Er stemmte sich hoch. Grandini half ihm dabei. Cantrell ließ sich in einen Sessel fallen und schaute sich um. Er war immer noch in Glorias Wohnung. Seine Erinnerung begann zu funktionieren.

      „Wie bist du hereingekommen?“, fragte er.

      „Durch die Tür. Sie war nur angelehnt. Wo sind die beiden?“

      „Abgehauen.“

      „Was denn, du hast sie entkommen lassen? Ich denke, sie waren in deiner Gewalt?“

      „Bring mir ein Glas, bitte. Klares Wasser.“

      Grandini ging hinaus und kehrte mit dem Gewünschten zurück. Cantrell leerte das Glas mit wenigen Zügen. Danach fühlte er sich etwas besser, aber das Schädelbrummen blieb. „Eine kleine Panne“, erklärte Cantrell. „Es war so leicht, den Burschen auszuschalten, dass ich den Fehler beging, ihn für ungefährlich zu halten. Davon hat er profitiert.“

      „Du hast dich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, mein Junge“, sagte Grandini.

      Cantrell grinste. „Weiß ich. Aber das gibt mir Auftrieb. So ist es immer, weißt du. Ich brauche einen Ansporn. Jetzt habe ich ihn.“

      „Soll ich die Polizei rufen?“

      „Du fragst immer mich. Das ist immer noch dein Fall“, sagte Cantrell.

      Grandini zuckte mit den Schultern. „Wenn du meine Meinung hören willst, muss ich zugeben, dass mir das Einschalten der Behörde zutiefst zuwider wäre. Sieh dir die Bilder an den Wänden an. Lauter Aktzeichnungen, gekonnt gemacht, aber auch ziemlich frech. Magst du sie?“

      „Ich würde sie mir nicht ins Wohnzimmer hängen“, sagte Cantrell. „Ich fürchte, ich würde damit nicht Carols Geschmack treffen.“

      „Sie entsprechen auch nicht meiner Geschmacksrichtung, aber Gloria schätzt sie. Zumindest behauptet sie das, aber ich habe sie im Verdacht, dass es ihr nur darum geht, sich mit einem Rahmen zu umgeben, der so sexy ist wie sie selbst. Wie dem auch sei: Polizisten und Reporter in dieser Wohnung würden aus den harmlosen Bildern eine Orgienhölle machen, und ich wäre mal wieder in den Schlagzeilen der Herzensbrecher vom Dienst. Nein, keine Polizei.“

      Cantrell stand auf und betastete sich vorsichtig die Schläfe. „Er hat mir mit dem Revolverschaft auf die Birne gehauen“, sagte er. „Saubere Arbeit. Es war eine richtige Vollnarkose.“

      „Soll ich dich nach Hause bringen, oder willst du dich hier noch ein wenig umsehen?“

      „Das erledige ich morgen“, sagte Cantrell und stand auf. „Kommst du mit?“

      „Ja“, sagte Grandini und verließ mit Cantrell das Wohnzimmer. „Ich würde ja gern hierbleiben, um die eventuelle Rückkehr der beiden Hübschen abzuwarten, aber Dany wäre damit kaum einverstanden, ich kann sie nicht allein lassen und eben sowenig kann ich sie bitten, herzukommen. Gloria würde das zu Recht als Affront betrachten.“

      „Luigi und Marsha haben die Schlüssel mitgenommen, sie können also jederzeit zurückkehren“, stellte Cantrell fest. „Ich habe eine Idee. Ich rufe bei mir zu Hause an und bitte Silk oder Butch darum, hier Quartier zu beziehen. Die beiden können sich ablösen, bis das Rätsel um Glorias Verschwinden geklärt ist.“

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