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und es tut mir so leid, dass ich dir … mein Geheimnis … also, dass du nun etwas Unerfreuliches erfährst.“ Sie räusperte sich. „Okay, dann sag ich es jetzt einfach. Tim, ich … bin lesbisch.“

      Er verfiel in schallendes Gelächter.

      „Ich meine es ernst, Tim. Ich stehe auf Frauen. Habe ich schon immer getan, nur … mich nie getraut, etwas zu sagen. Es tut mir leid.“ Tränen rannen ihre Wangen hinab.

      „Das soll doch wohl ein Scherz sein, oder? Du stehst auf Frauen? Und diese Erkenntnis ist plötzlich über dich geschwappt?“ Er ruderte wild mit den Armen, ja fast schon hysterisch.

      „Nein“, wimmerte sie. „Ganz und gar nicht. Ich weiß es, seit dem ich ein Mädchen war.“

      „Ach … Aber in unserer Hochzeitsnacht hattest du das ausgeblendet, oder was?“

      „Tim, bitte. Es ist so schon schwer genug.“

      Er schnellte hoch und marschierte fassungslos im Zimmer auf und ab. „Das glaube ich einfach nicht. Sag mal, was verlangst du von mir? Dass ich das einfach so hinnehme? Aber wenn es dir schlecht geht, dann bin ich gut genug für dich.“

      „Nein, so ist es doch überhaupt nicht.“

      „Wie ist es dann, Jasmine? Sag's mir. Wie ist es dann?“

      „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie das ist“, weinte sie. „Ein Leben zu leben, das man nicht leben will. Ich habe mich all die Jahre verstellt, habe mir selbst die Schuld gegeben. Aber damit ist jetzt Schluss. Ich will die Zeit, die mir noch bleibt einfach so gut es geht genießen. Ich will mich so geben, wie ich bin. Einfach nur so sein, wie ich wirklich bin. Ich selbst sein. Mehr nicht.“

      Tim resignierte. Er krallte sich seine Bettwäsche und verließ mit hochrotem Kopf das Zimmer.

      8

      Einundfünfzig Jahre. Mirko und Vesna waren nun schon einundfünfzig, trotz vieler Tiefen, wundervolle Jahre verheiratet. Zumindest dachte sie das. Bis heute Morgen.

      Obwohl in seinem Alter längst in Rente, arbeitete ihr Mann immer noch sporadisch bei Petar i Sin, dem Familienunternehmen für Dachbedeckungen, das Mirko Petar mit seinem Sohn betrieb. Sein Sohn Branko hatte das florierende Geschäft bereits vor zehn Jahren übernommen, doch Mirko fiel es schwer, loszulassen. Schon immer lebte er nur für die Firma. Montags bis sonntags, unter dem Jahr mal vier Tage frei, die er dann aber lieber im Bett als mit seiner Familie verbracht hatte.

      Ihre Tochter Gabrijela war Zahnärztin geworden, sie hatte noch nie Interesse gezeigt, eines Tages mit in den Betrieb einzusteigen. Ihr Jüngster hingegen schon, der war bereits am Start. Doch zunächst musste sein Großvater endlich einmal das Zepter aus der Hand geben.

      Vesna hatte immer gedacht, Mirko wäre ein treuer Ehemann. So loyal wie er stets zu seiner Firma gewesen war, hätte er mal ihr gegenüber sein sollen.

      Heute früh war er von einer mehrtägigen Geschäftsreise aus Split zurückgekehrt. Eigentlich hatte sie gewollt, dass ihr Sohn Branko die Reise antrat, aber Mirko wollte unbedingt. Noch am Tag der Abreise hatte er gesagt: „Weißt du, das wird meine letzte Reise sein, die ich von den Steuern abziehen kann. Und das brauche ich einfach noch, um endgültig loszulassen.“

      Und so fuhr er mit seinen beiden Freunden und Geschäftspartnern Roland und Ivan in den Süden. Auf einen Anruf hatte Vesna vergebens gewartet, sie hatte nur eine knappe SMS erhalten: Bin angekommen. Muss gleich wieder los. Mirko.

      Seinen Namen hätte er weglassen, dafür seiner Frau mit einem Ich liebe dich eine Freude bereiten können.

      Als er heute früh zurückgekehrt war, hüpfte er unter die Dusche, nur um das Haus gleich wieder zu verlassen. Er wäre mit Roland und Ivan zum Frühschoppen verabredet.

      Kaum hatte er das Haus verlassen, kippte sie seinen kleinen Koffer aus, um seine Kleidung zu waschen. Da flog ihr eine Karte aus dem Esplanade Hotel in Zagreb entgegen. Argwöhnisch und mit flauem Gefühl in der Magengegend entfaltete sie sie.

      Sehr geehrte Frau Obalski, sehr geehrter Herr Petar, es freut uns außerordentlich, Sie ein weiteres Mal in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.

      Zagreb? Frau Obalski? Ein Zimmer? Ein weiteres Mal?

      Eine Zeitlang starrte Vesna fassungslos die kahle, weiße Wand in ihrem Schlafzimmer an. Unfähig zu weinen, zu fluchen, sich zu bewegen. Als sie sich wieder etwas gefangen hatte, griff sie nach dem Telefonhörer und wählte die Nummer ihres Sohnes.

      „Molim.“

      Molim war das kroatische Pendant zum italienischen Pronto.

      „Branko, Liebling, hier ist deine Mutter.“

      „Hallo, Mama. Ich weiß doch, dass du es bist, es steht auf meinem Display.“

      „Sag mal, mein Junge, hast du dich vielleicht in den vergangenen Tagen mit deinem Vater gehört?“

      „Mit Papa? Nein, der ist doch mit Roland und Ivan in Split. Entschuldige bitte, Mama, Sandra und ich wollten dich eigentlich zum Essen einladen, aber ich habe momentan so viel zu tun…“

      „Ach, mach dir deswegen doch keinen Kopf.“

      „Aber weshalb fragst du? Was ist denn? Er müsste ja heute Morgen wieder zurückgekommen sein. Ist er das nicht?“

      Der Hörer glitt ihr fast aus der Hand. Sie mahnte sich zur Ruhe.

      „Alles in Ordnung, mein Junge. Er ist zurückgekehrt. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht mehr, warum ich überhaupt angerufen habe. Deine Mutter wird langsam alt, bitte entschuldige.“

      „Kein Problem, Mama. Grüß Papa von mir und richte ihm doch bitte aus, er müsse in den nächsten Tagen nicht herkommen, wir haben genug Leute. Er soll sich von seiner Reise erholen.“

      „Das werde ich, mein Junge. Also dann, mach’s gut und pass auf dich auf. Und komm mal wieder vorbei.“

      „Mach ich, Mama. Ciao.“

      „Ciao, mein Junge.“

      Er legte auf, und sie weinte.

      Nun musste sie sich die nächsten Schritte überlegen, war aber nur noch erschöpft. Sie packte alles wieder in den Koffer zurück, ging ins Wohnzimmer und sank trübsinnig in die Couch. Sie griff nach dem Telefon, rief ihre Freundin Maja an und bat um ein dringendes Treffen.

      9

      Und da saß Vesna nun auf der schwarzen Lederbank im Restaurant und wartete auf Maja. Die Tür schwang auf, und ihre Freundin trat ein. Optisch konnten die beiden Frauen unterschiedlicher nicht sein. Vesna saß einmal die Woche beim Frisör, ging regelmäßig zur Kosmetikerin und war stets darauf bedacht, adrett angezogen das Haus zu verlassen. Maja hingegen, eine zweiundsechzigjährige Frau, die Kamm und Bügeleisen nur von der Werbung im Fernsehen kannte. Während Vesna zu ihrem grau melierten Haar stand, färbte ihre Freundin sich den kurzen Busch braun. Nur machte sie das immer selbst, dafür beim Frisör Geld auszugeben wäre ihr zu teuer, wie sie einmal betont hatte. Ihr Geiz forderte allerdings jedes Mal seinen Tribut, denn auch vier Tage später waren in ihrem Gesicht noch dunkle Flecken sichtbar. Beim Gehen schwankte sie immer ein wenig hin und her, wie sie selbst zugab, aufgrund ihres Übergewichts. Aber daran etwas zu ändern kam dennoch nicht infrage. Sie schlenderte mit ihrer schwarzen Ledertasche unter dem Arm zu Vesna an den Tisch.

      Die Frauen Umarmten sich herzlich, Maja schälte sich aus der Jacke und schnaubte.

      „Und jetzt erzähl. Was gibt es denn so Dringendes?“

      Vesna beäugte die Schatten hinter den Ohren ihrer Freundin, dann seufzte sie und senkte ihren Blick. Bevor sie mit ihrer Erzählung anfangen konnte, bestellte Maja bei der bereitstehenden Kellnerin zwei Gläser des istrischen Weißweins Malvazija und je eine Portion Scampi.

      „Ich habe nicht gesagt, dass ich hungrig bin“, meinte Vesna.

      „Das, meine Liebe, sieht man

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