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Pfoten gehabt?«

      »Offiziell nicht.«

      »Dann hat der Brief obenauf in Ihrer Schublade gelegen?«

      »Richtig, mein Sohn, bei der verschwundenen Karte.«

      »Dann hat«, sagt Thiel atemholend, »auch ein Setzer die Karte geklaut. Da sind Fingerabdrücke drauf auf dem Brief von Druckerschwärze.«

      »Wenn es weiter nichts ist«, sagt Henning. »Das hätte ich dir längst sagen können, daß alle Setzer rot sind. Die sind alle in so einer Gewerkschaft.«

      »O du Goldjunge!« spottet Padberg. »Was du nicht alles weißt. Im Buchdruckerverband sind sie. Aber deswegen klauen sie noch lange keine Postkarte, noch dazu eine so bedeutungslose, auf der mir irgendein Herr schreibt, er möchte mich mal sprechen.«

      Der Graf kämmt seinen Fußsack mit den Nägeln. »Also, ich denke, wir haben auch noch anderes zu reden. Machen Sie's kurz, Herr Padberg.«

      »Also kurz und schlecht: wir haben in der Setzerei einen Kerl, der auf Anweisung mit tadellosen Nachschlüsseln bestimmte Schriftstücke stiehlt. Der Kerl ist ein bißchen doof, sonst hätte er erstens an die Fingerspuren gedacht und zweitens nicht vergessen, das Fach abzuschließen.

      Der die Anweisung erteilt hat, muß genau Bescheid wissen. Sonst wäre nicht heute schon der Perduzke im Anmarsch.«

      Langsam sagt der Bauer Rehder in die beklommene Stille: »Ich weiß, der Franz Reimers wäre dagegen gewesen. Ich bin dagegen gewesen. Der Rohwer ist dagegen gewesen. Wir drei bestellten Führer von der Bewegung sind dagegen gewesen. Und du hast es doch getan, Henning!«

      »Gut, daß ich es getan habe! Was glaubst du, denen geht der Arsch mit Grundeis!« sagt rasch und trotzig Henning.

      »Wir haben eine gute Sache«, sagt langsam der Bauer Rohwer aus Nippmerow. »Du hast Krach um sie gemacht und Gestank. Was meinst du, wie das Land voll ist von Gerede, seit die Küche in die Luft flog?«

      »Und du hast gelogen«, sagt Rehder wieder. »Es war nur Glück, daß nichts wie die Küche in die Luft ging. Du hattest es anders gewollt.«

      Henning sieht böse auf Thiel: »Es gibt eben Weiber, die den Sabbel nicht halten können.«

      Thiel wird rot und wendet das Gesicht ab.

      »Ich bin anderer Ansicht«, sagt Padberg geläufig. »Ich bin Zeitungsmensch. Zeitung ist Reklame, von der ersten bis zur letzten Zeile. Reklame für eine bestimmte Sorte Politik oder Waschseife. Aber immer Reklame. Ich verstehe etwas von Reklame. Ihre Bewegung war gut, aber sie war im Luftleeren. Es geschah nichts, sie hatte keine Wirkung. Der Regierung war sie piepe. Dem Finanzamt war sie piepe. Der Schupo war sie piepe. Dem Bürger in der Stadt war sie schnurz.

      Henning hat Reklame gemacht. Es hat geknallt. Ich gebe zu, es war große Reklame, hundertprozentige, es hat sehr laut geknallt. Aber plötzlich ist Leben um die Bewegung, alle horchen: was tun die Bauern? Ihre Bewegung wird beachtet. Ihre Bewegung wird gefürchtet. Ihre Bewegung kann etwas durchsetzen.«

      »Wir Bauern wollen das nicht«, sagt Rohwer. »Wir mögen so etwas nicht.«

      Der Graf sagt: »Und Sie haben nichts damit zu tun. Keiner von Ihnen war beteiligt, keiner hat etwas gewußt. Es sind Fremde«, sagt er mit erhobener Stimme, »wenn es zum Schlimmsten kommt, sind es Fremde gewesen, Abenteurer, Dunkelmänner.«

      »Es ist«, sagt Padberg beifällig und grinsend, »das unvermeidliche Geschmeiß, von dem nicht energisch genug abgerückt werden kann.«

      »Wir danken«, sagt Henning und grinst ebenfalls. »Das Geschmeiß schmeißt weiter. Bomben.«

      »Aber was machen wir mit der Kripo?«

      »Ich«, erklärt Henning, »habe im Augenblick keine Zeit, mich verhaften zu lassen. Ich muß zur Demonstration.«

      »Was du nicht denkst«, höhnt Padberg. »Offen im Demonstrationszug auf Altholms Straßen. Daß wir eine hübsche Verhaftung am Tageslicht haben? Nein, mein Jungchen, du bleibst hier.«

      »Und ich gehe mit. Und ihr braucht mich.«

      »Wieso brauchen? Keiner ist unersetzlich.«

      »Kommt Ich werde euch was zeigen.«

      »Was denn?«

      »Ihr werdet schon sehen. Kommt nur.«

       3

      Henning führt die fünf Mann über den Hof in die Scheune. Auf der halbdunklen Tenne, in die von außen ein breiter Streifen Sonnenlichts schießt, zeigt er das Machwerk seiner Tage freiwilliger Haft: eine Fahne.

      Es ist ein weißer ungehobelter Schaft, ein Stiel, wie für eine Heugabel, sehr lang, der in eine aufrecht stehende Sense ausläuft. Das Fahnentuch –

      Henning erklärt eifrig: »Ich habe mir alles überlegt. Das Fahnentuch ist schwarz. Das ist das Zeichen unserer Trauer über diese Judenrepublik. Drin ist ein weißer Pflug: Symbol unserer friedlichen Arbeit. Aber, daß wir auch wehrhaft sein können: ein rotes Schwert. Alles zusammen die alten Farben: schwarzweißrot.«

      »Was für ein Junge du bist«, sagt Padberg spöttisch.

      »Wieso Junge?« fragt Henning eifrig. »Ist das nicht gut? Sagen Sie? Rehder? Was meinen Sie, Rohwer? Machen Sie doch den Mund auf, Thiel! Wie denken Sie, Herr Graf? Es ist eigentlich, natürlich mit Abänderungen, die Fahne von Florian Geyer. Ihr wißt«, sagt er erläuternd zu den Bauern, die es nicht wissen, »Florian Geyer war der Führer in den Bauernaufständen. Im Mittelalter.«

      »Gegen den Großgrundbesitz, freilich«, spottet Padberg. »Aber das alles ist Unsinn. Womit vertrödeln wir unsere Zeit?«

      »Erlauben Sie mal«, sagt Rohwer. »Die Fahne ist gut. Schwenke sie mal, Henning.«

      »Nein, nicht auf dem Hof«, sagt der Graf hastig. »Hört!«

      Das rasende Gebell der Hunde ertönt.

      »Das ist der Perduzke, laßt sehen.« Thiel schielt durch einen Türspalt auf der andern Seite der Tenne.

      Unterdes schwenkt Henning die Fahne. Flatternd, knatternd entfaltet sie sich. Stolz steht er da. Schwenkt sie, läßt sie kreisen.

      »Du mußt«, sagt begeistert Rehder, »unser Fahnenträger sein am Montag.«

      Thiel berichtet: »Der Perduzke streicht über den Graben.«

      »Wo ich doch verhaftet werden soll«, sagt Henning.

      »Der kann lange suchen, bis er einen Eingang auf den Hof findet«, bemerkt spöttisch Graf Bandekow.

      »Diese Fahne im Zug«, erklärt energisch Padberg. »Und ihr seid in fünf Minuten aufgelöst.«

      Rehder: »Wir stellen Jungbauern in die Spitzengruppe. Wehe dem, der die Fahne antastet.«

      Rohwer: »Aber die Sense muß stumpf gemacht werden. Sonst richtet sie Unheil an.«

      Henning: »Meinethalben. Ich nehme die Schneide mit einer Blechschere weg.«

      Und Padberg erstaunt: »Ihr Bauern scheint ja für dieses Requisit zu sein?«

      Der Graf: »Ich finde es sehr gut. Das macht kolossale Wirkung.«

      Und Thiel: »Ich glaube, es wird fabelhaft wirken.«

      Und wieder Padberg: »Wer trägt sie? Da doch der Henning verhaftet wird.«

      Rehder energisch: »Henning ist unser Fahnenträger.«

      Padberg, sehr ungeduldig: »Aber seid nicht blöd. Den Henning verhaften sie doch in der ersten Minute. Sie wissen doch, er hat die Bilder kaufen wollen von dem Tredup. Und war vorm Präsidium, als der Tredup mit dem Frerksen reinging. Und wird schon der gewesen sein, der angerufen hat und von der Bombe gequatscht Und wer von der falschen Bombe weiß, wird auch die echte gelegt haben. – Also?«

      »Ich wüßte schon einen Ausweg«, sagt der Henning langsam.

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