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ihnen unsre Einbildungskraft verliehen hatte.

      Das Ding, woran wir unser Herz gehängt hatten und das gestern in unsern Besitz gelangt ist, das ist heute nicht mehr dasselbe Ding. Es verschafft uns das Vergnügen nicht, das wir uns davon versprochen haben, und wir fühlen uns der Befriedigung nicht näher denn zuvor. Aber unsre Aufmerksamkeit ist sofort von etwas anderem gefesselt, das uns, wie wir überzeugt sind, für unsre Enttäuschung entschädigen wird, und wir greifen begierig danach – nur um erneut dieselbe Erfahrung zu machen. Auch dieses Neue füllt die Leere in unserm Herzen nicht aus, immer bleibt ein unbefriedigtes Sehnen zurück, das wir vergebens zu stillen versuchen.

      Einerlei, was wir auch an greifbaren Dingen erlangen, und ob sie uns auch ein gewissen Maß von Behagen und Vergnügen zu gewähren vermögen, den Hunger unsrer Seele stillen sie doch nicht. Sie gleichen den verschiedenen Getränken, die wir an einem heißen Tag statt reinen kalten Wassers zu uns nehmen, um unsern Durst zu löschen. Wir meinen, wenn wir nur Sodawasser, oder Fruchteis, oder geeisten Tee oder Kaffee bekommen könnten, dann wäre unser Sehnen gestillt, aber es ist nicht der Fall. Nichts als reines Wasser kann unsern Durst wirklich löschen. Allen Ersätzen für dieses einfachste und im Überfluss vorhandene Getränk fehlt etwas; sie alle lassen uns unbefriedigt mit einer bleibenden Sehnsucht nach noch etwas anderem.

      Das Glück gleicht dem Wasser: es ist durch nichts andres zu ersetzen.

      Zu den sonderbarsten Dingen im Leben gehören die überall herrschenden falschen Gedanken über die Natur des Glücks. Die allgemeine Ansicht scheint zu sein, dass es auf Dingen beruhe, die für Geld gekauft werden können. Je mehr Geld, umso mehr Dinge, und je mehr Dinge, umso mehr Vergnügen, umso größer das Glück.

      Aber mit Geld ist noch niemals Glück gekauft worden. Noch niemand hat das Glück erhascht, und wenn er ihm auch über die ganze Erde nachjagte.

      Es ist das Glück ein flüchtig Ding,

      Und war’s zu allen Tagen.

      Und jagtest du um der Erde Ring,

      Du möchtest es nicht erjagen.

       Geibel.

      

      Das Glück findet sich nicht in unsrem Essen und nicht in unsrem Trinken, nicht in unsern Kleidern und nicht in unsern irdischen Gütern, es findet sich nicht in Aufregungen und Vergnügungen. Das Glück wird geboren aus rechtem Leben. Es ist das Kind des rechten Denkens, des rechten Handelns, der Hilfsbereitschaft. Ein selbstsüchtiges Leben bietet niemals wahres Glück; Geiz und Neid erlangen es nie. Die Hälfte allen Unglücks in der Welt rührt daher, dass die Menschen den Segen verlieren, den sie aus dem ziehen könnten, was sie besitzen, weil sie andre beneiden und haben möchten, was ihnen gehört. „Die Hälfte der Menschheit ist auf falscher Fährte bei ihrer Jagd nach dem Glück“, sagt Henry Drumond. „Wir meinen, es bestehe im Haben und Erhalten und im bedient werden von andern. Aber es besteht im Geben und darin, andern zu dienen.“

      Das Glück ist etwas, das durch unsre Taten, durch unsre Gedanken entbunden, freigemacht wird. Hier ein bisschen und dort ein bisschen wird freigemacht durch unsre guten Taten, unser selbstloses Dienen, unsre rechten Handlungen und edlen Gedanken. Ein wenig wird freigemacht, so oft wir einer andern Menschenseele beistehen und sie ermutigen, so oft wir denen, die unter ihrer Last zusammengebrochen sind, eine helfende Hand reichen. Ein wenig wird freigemacht durch die Opfer, die wir andern bringen. Wir sammeln das Glück ein, wie die Biene den Honig. Sie findet ihn nicht fertig vor, sie muss hart darum arbeiten und erhält nur ein winziges Tröpfchen von jeder Blume, die sie besucht. Auch wir finden das Glück nicht fertig vor. Wir saugen es aus den Blumen des Lebens, und wie die Biene müssen wir hier ein Tröpfchen Glückshonig erhaschen und dort ein Tröpfchen bei unserm Wandel durch den Garten des Lebens. Wer die meisten Taten tut, durch die das Glück entbunden und freigemacht wird, hat auch das meiste Glück zu genießen.

      Jede edle Tat, jede selbstlose Handlung, jede Hilfeleistung, jeder der Menschlichkeit geleistete Dienst, jedes hohe Streben und jeder hilfreiche Gedanke, jede harte Arbeit, mit Liebe vollbracht, bringt unbedingt ein Maß von Glück mit sich, das der Selbstlosigkeit und dem guten Willen bei der einzelnen Tat genau entspricht.

      Das Glück ist nicht ein Sonderrecht; niemand kann es für sich allein mit Beschlag belegen. Es ist auf dem Markt des Lebens feil für jedermann, der willig ist, den Preis dafür zu bezahlen, und das ist ein Preis, den jeder bezahlen kann.

      Die Dinge, die das Leben wirklich lebenswert machen, sind ganz allgemein und jedermann zugänglich. Wie oft hören wir die Armen über die Reichen schelten, die sie beneiden, und das grausame Schicksal bejammern, das ihnen alles, das zu haben der Mühe wert ist, vorenthalte. Aber wenn wir die Dinge im Leben zusammenrechnen, die wirklich wertvoll, die am höchsten zu schätzen sind, dann stehen wir alle so ziemlich gleich.

      Der große Chemiker selbst hat die Luft so gemischt, dass sie allen Menschen gleichmäßig Kraft und Gesundheit für Körper und Geist und frohes Lebensgefühl zu spenden vermag. Das Sonnenlicht mit seiner wunderbaren Chemie tut jeden Augenblick Millionen von Wundern an Wurzeln und Würzelchen, Pflanzen, Blumen und Bäumen, an tierischem und menschlichem Leben und malt daneben Bilder der großartigsten Farbengebung, Blumenstücke und Landschaften. Es wirkt begeisternd und hat einen wohltätigen Einfluss auf alles Lebendige. Es spendet Freude der ganzen Natur und erwärmt die Seele des Menschen. Und diese herrliche Sonne ist allen Menschen geschenkt.

      Herz, was willst du weiter?

      Ist die Luft nicht heiter

      Und der Himmel blau,

      Frühlingsgrün die Au?

       Rückert.

      

      Ebenso ist es mit der Zeit. Das ärmste, das bescheidenste Menschenkind hat dieselbe Menge kostbarer Zeit wie der stolzeste Herrscher oder der reichste Börsenbaron. Carnegie hat gesagt, er würde zehn Millionen dafür geben, wenn er sein Leben um zehn Jahre verlängern könnte; aber mit all seinem Geld kann er sich nicht einen einzigen Augenblick erkaufen. Und die besten Güter des Lebens, Liebe, Freundschaft, Teilnahme, lassen sich niemals durch Geld erlangen. Die köstlichsten, wünschenswertesten Dinge, die wir kennen, sind nur durch Mühe zu bekommen, durch richtiges Handeln, richtiges Denken, richtiges Streben. „Die Menschen sind genau so glücklich, als sie es sein wollen“, sagt Lincoln, und die Erfahrung vieler Menschen lehrt, dass das Glück nicht an den Dingen und ihrem Besitz hängt, dass das Glück nicht außer uns ist, sondern in uns.

      Überall sehen wir Menschen die Welt durchjagen nach dem, was tatsächlich in ihnen selbst liegt, denn alles wird gefärbt, verändert, umgeformt durch unsern Seelenzustand, durch unsre Denkart, die wir dazu mitbringen. Bringen wir Schönheit mit, so finden wir die Dinge schön; bringen wir einen hässlichen Gemütszustand mit, dann finden wir sie hässlich und abstoßend. Die Quelle allen Glücks ist im Innern jedes Einzelnen. Die Schönheit, die wir in der Natur sehen, und die Harmonie, die wir in der Musik fühlen, sind in unserm eigenen Innern. Wir alle wissen, wie die ganze Natur, die Landschaft um uns her uns anlacht, wenn wir fröhlich sind, sich mit unsrer Freude zu freuen scheint, und die Sonne und die Blumen sind die Spiegel unsrer Lust.

      Die Welt ist eine Flüstergalerie, in der wir das Echo unsrer eigenen Stimme vernehmen. Sie ist ein Spiegel, der das hineinschauende Gesicht zurückwirft. Wenn wir lachen, so lacht es auch, runzeln wir die Stirn, so schaut es uns finster an. Das Glück ist die Folge unsres geistigen Zustandes und unsrer Handlungen andern gegenüber. Was von diesen auf uns zurückgeworfen wird, das macht uns glücklich oder elend. Die Tür zwischen uns und dem Himmel, das heißt dem Glück, kann nicht offen sein, wenn die Tür zwischen uns und unsern Nebenmenschen geschlossen ist.

      Richtiges Denken heißt auch richtiges Handeln. Wenn wir nur jeden Tag die richtigen Gedanken hätten, die aufbauenden Gedanken, die glücklichen Gedanken, die freudvollen Gedanken, die hilfreichen, die selbstlosen Gedanken, dann wären wir bald alle grenzenlos glücklich, denn das Glück ist im Grunde nichts als ein Gemütszustand. Das Maß deines heutigen Glückes oder Elends ist nur die Folge deiner Gedanken. Wenn nicht ein großer Teil unsrer Tage, uns selbst vielleicht nur halb bewusst, mit

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