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      Gabriele Engelbert

      Wege zum Großvater

      eine Reise nach West- und Ostpreußen

      Dieses ebook wurde erstellt bei

      

      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       2. Der “Osten“ war immer weit weg - eine Annäherung

       3. Wo sie damals ihre Sommerträume feierten - Mühle Slupp, Schloss Peterhoff

       4. Er war nicht ganz Bismarck - in Osterode

       5. Eine Grenze zur Vergangenheit - Bis zur Bernsteinküste

       6. Sind wir in Ostpreußen? - Cranz

       7. Ein altes Foto wird lebendig - Labiau

       8. Holger und der Hund - Gilge

       9. Zu Hause am Meer - Kurische Nehrung

       10. Der Beginn einer Freundschaft - Tilsit, Ragnit, Instertal

       11. Die Reichen, die Schönen und wir - Bernsteinküste

       12. Königsberg? - Das neue Kaliningrad

       13. Heidruns morsche Baumborke - Grenz-Erfahrung

       14. Nie wieder Krieg - Frisches Haff

       15. Christophs Bad an der Grenze im Meer - Frische Nehrung

       16. Wasser, Licht und Weite - An der Weichsel

       17. Erlebnisse mal vier - Abschied

       Impressum neobooks

      2. Der “Osten“ war immer weit weg - eine Annäherung

      1. Wie es anfing

      Für die meisten Kinder sind Oma und Opa lebendige Menschen. Bei uns gab es nur ein kleines Schwarzweiß-Foto unserer Großmutter, sowie ein paar blasse Erinnerungen – und das Bild eines alten Schul-Rektorhauses.

      Das Foto dieses Rektorhauses von Labiau hing immer unauffällig an der Wand. Wir waren so gewöhnt an den Anblick, dass wir nicht mehr hinzugucken brauchten, denn es war längst in einen der Erinnerungswinkel unserer kindlichen Gehirne eingraviert.

      Dieses Foto zeigte ein schmuckes Haus, weiß mit Fensterläden zwischen den vier hohen, geteilten Fenstern, welche zur Straßenfront hinausgehen. Ein Haus mit gemütlich breitem Ziegeldach, welches das Obergeschoss zur Straße hin und das Dachgeschoss ganz bedeckt. Zwei niedrige, geschwungene Dachgauben lugen wie halb geöffnete Augen zur Straße und betonen mit dem gewölbten Giebelabschluss an den Stirnseiten die Jugendstilbauweise. Charakteristisches Schmuckwerk bilden die beiden Kugelknäufe als obere beidseitige Dachfirstabschlüsse. Ebensolche sind auf dem dahinter sichtbaren hohen Schulgebäude erkennbar, dessen Dach die gleichen Formen und Stilelemente aufweist. Eine Mauer, deren obere Hälfte durch weiße Holzlatten aufgelockert ist, zeigt die klare Begrenzung zur Straße hin und setzt sich offenbar nach rechts vor dem gesamten Schulgelände hin fort.

      Vor dem Haus, unter dem mit Ziegeln überwölbten Torbogen der Mauer, stehen unsere Großeltern. Für ein seltenes Foto sind sie da stehengeblieben, vielleicht vor einem Spaziergang, sehr gerade in langen Wintermänteln, der Großvater mit Hut. Sie blicken uns an, sind aber so klein, dass ihre Gesichtszüge nicht deutlich werden. Das sind sie also: unser Großvater Paul Zimmermann, bis 1935 Rektor der damals größten Mittelpunktschule Ostpreußens, und Großmutter Magdalena, Lehrerin für alte Sprachen, - sie ist uns fast nur noch vom Hörensagen bekannt als „Gromo“. Es ist ein Winterbild mit kahlen Büschen ums Haus und zwei hohen Bäumen vorn im Sand des Bürgersteigs.

      Dieses Großelternhaus kannten wir nur vom Foto. Ostpreußen war immer unerreichbar weit weg gewesen, ebenso wie die Kindheit unseres Vaters dort. Aber bis zum plötzlichen Tod unseres Großvaters Paul spielte sich das Kinder- und Jugendleben unseres Vaters, des kleinen Georg, fast 15 Jahre lang dort ab.

      Vater war nicht übermäßig daran interessiert, die Fäden seiner Vergangenheit festzuhalten. Das Gewebe aus Kindheit schmeckte ihm vielleicht bitter. Er erzählte so gut wie nichts. Auch später wollte er den Ort nie wiedersehen. Nirgendwo in unserem Elternhaus stand ein Foto unseres unbekannten Großvaters Paul Zimmermann. Ein solches musste man schon in alten Alben suchen.

      Es war fünf Jahre nach dem Tod unseres Vaters, als Christoph die Idee mit der Reise hatte.

      „Ich möchte da mal hin. Und zwar mit euch zusammen.“ Es war der Wunsch zu seinem 60. Geburtstag. Wir anderen Geschwister waren verblüfft.

      „Was? Da willst du hin? Da soll alles hässlich und schrecklich sein! Also nie wär‘ ich auf so ‘ne Idee gekommen! Gerade da? Nee, überall sonst, aber nicht dorthin! – Mit euch zusammen, - naja, - unter der Bedingung, meinetwegen.“

      „Ich hab‘ so wenig Zeit! - Aber ohne mich fahrt ihr doch nicht? – Also, neugierig bin ich schon…“

      „Ach, das ist ja so weit weg! Eine nebelhafte Vergangenheit, die uns gar nicht mehr betrifft. – Aber - wir sind eigentlich noch nie zusammen verreist. Nicht, seit wir als Kinder mit den Eltern immer an der See waren, oder?“

      „Ja, seht ihr: Das sollten wir unbedingt mal machen!“

      Bis wir eine gemeinsam mögliche Zeitspanne ausgeguckt und festgemacht hatten, dauerte es seine Zeit. Inzwischen aber fassten wir den Plan näher ins Auge. Und wurden neugierig.

      Was ist das für ein Ort im nördlichen, russischen Ostpreußen, den Vater so konsequent verschwieg und nicht wiedersehen wollte?

      Wie mag es jetzt dort aussehen?

      Was ist das überhaupt für ein Land, aus einer Kriegswüste entstanden, alle Wurzeln gekappt? Frühere Menschen sind weg, ihr Grundbesitz ist weg, ihre Kultur, ihre Sprache. Ist irgendetwas noch da außer Erinnerungen und Erde?

      Und was entsteht da jetzt Neues?

      Was ist mit einem Land los, das vielleicht, also aus unserem heutigen, vagen Blickwinkel, zwischen gestern und morgen stehenbleibt wie in einem Schockzustand?

      Und unterwegs, naja, würden wir da nicht auch durch Polen, durch das ehemalige Westpreußen kommen? Lebten dort nicht auch Vorfahren unseres Vaters, unserer Großeltern? Könnten wir dort nicht auch gleich mal vorbeifahren und einiges auskundschaften? Es gab doch irgendwo Chroniken, oder nicht?

      Wir gingen auf die Suche. Gruben in sorgfältig bewahrten Unterlagen,

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