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Wilden würden sich schwerlich so weit in deren Nähe wagen."

      „Sie haben sie noch nicht bemerkt," rief Diego - „der Strich, den sie jetzt durchreiten, liegt tiefer als der, auf dem wir uns im Augenblick befinden. Aber ihre Ueberraschung wird desto größer sein. Wenn unsere Pferde nur noch eine halbe Stunde aushalten, so sind wir geborgen."

      Josefa strengte ihre Augen an, die sich vor ihnen entwickelnde Schaar zu erkennen. Wenn es am Ende, anstatt einer Gauchotruppe, nur eine andere Horde von Wilden war, so blieb ihnen nichts übrig, als Unterwerfung unter ihr Schicksal. Näher und näher kamen indeß die Feinde, aber Diego hatte schon den rothen Schein der argentinischen Ponchos, das Blitzen der Sonne auf den Karabinern erkannt, und dachte jetzt an die Rettung seiner eigenen Person und an die Mittel, Josefa vor der Rückkehr in Rosas' Gewalt zu bewahren.

      Sobald die Indianer nämlich das Militär entdeckten, was in den nächsten Minuten geschehen mußte, so hoffte er, daß sie Halt machen und die Verfolgung aufgeben würden: die Soldaten warfen sich ihnen dann entgegen, und diese Zeit eben hatte er zu benutzen, um sich mit seiner schönen Schutzbefohlenen dem einen wie dem andern Trupp zu entziehen. Waren ihm doch beide so ziemlich in gleichem Grade gefährlich. Noch aber hielten die Wilden nicht in ihrer tollen Hetze ein, und als er den Blick jetzt wieder nach den Argentinern hinüberrichtete, war die Schaar wie in den Boden hinein verschwunden.

      Diego indessen, zu gut mit der Steppe und den Gebräuchen derselben bekannt, errieth sofort den Plan der Soldaten, die, von den Indianern vielleicht noch nicht entdeckt, jetzt dieselbe List gegen die gebrauchen wollten, die ihnen gestern verderblich geworden. Sie hatten es hier aber mit einem viel zu schlauen Feind zuthun, der nicht so leicht in eine ihm gelegte Falle ging. /83/

      Allerdings waren es die heranrückenden Soldaten gewesen, welche die ansprengende Horde, und zwar durch eine aufwirbelnde Staubwolke entdeckten, als sie gerade einen trockensandigen Landstrich passirte. Rasch warfen sie sich daher von ihren Pferden, die braunen Reiter so dicht als möglich heranzulassen, oder gar zwischen sich und die Ansiedelungen zu bringen. Von den beiden Flüchtigen zwischen den einander begegnenden Schaaren hatten die Argentiner bis dahin noch nichts bemerkt. Osantos dagegen folgte diesen auch jetzt noch in voller leidenschaftlicher Hast und glaubte seine Bente schon erreicht zu haben, als er plötzlich die in einem dichten Trupp zusammenstehenden Pferde gewahrte, von denen die Argentiner abgesprungen.

      Allerdings benutzten diese Thiere den ihnen gegönnten freien Moment alsbald dazu, das ihnen zunächst liegende Futter abzuweiden. Aber der scharfe Blick des Indianers fand das geschlossene Beisammensein derselben verdächtig. Eine Anzahl reiterloser Pferde hätte sich in den Pampas, außer vielleicht von Wölfen bedrängt, nicht so dicht vereint gehalten, und nur erst einmal aufmerksam gemacht, wurde sein Verdacht bald zur Gewißheit.

      Was Osantos' Argwohn bestätigte, war, daß die von ihm Verfolgten, denen die jenseitige Schaar längst in die Augen gerathen sein mußte, dorthin ihren Weg gelenkt hatten. Der schrille Ruf des rothhäutigen Führers bannte also die sich um ihn sammelnden Genossen plötzlich an die Stelle.

      „Sie halten!" sprach Josefa aufathmend, die mit immer ängstlicher klopfendem Herzen um sich geblickt hatte, je mehr sich die Entfernung zwischen ihnen und den nachsetzenden Wilden verringerte. „Sie halten - wir sind gerettet - wir sind frei."

      „So frei," murmelte Diego vor sich hin, „wie man es in argentinischer Gefangenschaft nur irgend sein kann. - Aber zügelt Euer Pferd ein, Senorita," setzte er lauter hinzu „wir müssen die Thiere verschnaufen lassen, denn von den Indianern haben wir in der That nichts mehr zu fürchten."

      „Aber von den Soldaten?"

      „Es steht jetzt bei Euch, Josefa, Euch in ihren Schutz zu /84/ begeben, oder mit mir noch eine weite wüste Strecke der Pampas zu durchreiten - wenn es nämlich gelingt, daß wir der Aufmerksamkeit jener Leute entgehen. Wählt, denn die Zeit ist kostbar."

      „Ich verabscheue Rosas - ich hasse seine Schergen! Führt mich zu meinem Bruder," lautete die Bitte der Jungfrau, während hohe Räthe ihre Züge übergoß.

      Diego sprach kein Wort, aber seine ausgestreckte Aand ergriff die Hand Josefa's, sein Blick ruhte auf ihrem lieben Angesicht einige flüchtige Secunden, dann jedoch vollständig mit sich im Reinen, faßte er den Zügel ihres Pferdes und führte es langsam in einen muldenartigen Einschnitt der Steppe hinab, in dem sie für eine gute Strecke hin beiden feindlichen Trupps aus Sicht gebracht wurden.

      XI.

      Wahrscheinlich blieb es, daß die Soldaten noch eine kurze Zeit warten würden, bis sich entweder die Indianer zurückzogen, oder sie auf andere Weise ihre List mißlungen sahen; dann aber machten sie auch jedenfalls einen directen Angriff auf den Feind, den Ueberfall von gestern Morgen aus frischer That zu rächen, und ungehindert konnten die Flüchtlinge vielleicht die Zeit benutzen, beiden Theilen aus dem Weg zu kommen.

      Rechnete Diego indessen auf eine feige Flucht der Wilden, so hatte er sich darin vollständig geirrt, denn Osantos, noch siegestrunken von dein gestrigen Kampf, und zum Aeußersteu entschlossen, das schöne weiße Mädchen wieder in seine Gewalt zu bekommen, dachte nicht daran, sich die schon gesichert geglaubte Beute durch einen Trupp zufällig auftauchender Soldaten entreißen zu lassen. Aus der veränderten Richtung, die Diego einschlug, erkannte der schlaue Wilde sofort, daß Jener fürchte, mit den Argentinern zusammen zu treffen; sein Plan mußte dann sein, zwischen ihnen hindurch zu schlüpfen, und den gedachte ihm Osantos zu vereiteln. /85/

      Kaum daher, daß die beiden Flüchtigen in der muldenartigen Senkung des Landes verschwanden, nahm Osantos zwei von seinen Leuten zu sich, und bog mit diesen, nach einem dem Haupttrupp gegebenen kurzen Befehl, links ab, seine Gefangene wieder zu gewinnen, ehe die Soldaten einen Angriff auf ihn machen konnten. Hier begünstigte ihn auch nicht allein das Terrain, sondern die völlige Sicherheit Diego's, der nicht an die Möglichkeit dachte, im Angesicht eines argentinischen Reitertrupps von den Wilden überfallen zu werden. In der festen Ueberzeugung, beide Theile vollständig mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt zu wissen, hatte er die Thiere eingezügelt und ritt im Schritt die schmale Senkung hin, die ihn vollständig den Blicken seiner Feinde entzog.

      „Was ist das?" flüsterte da plötzlich Josefa an seiner Seite. „Das klang wie der Hufschlag eines galoppirendcn Pferdes, - gleich dort drüben."

      Diego behielt aber keine Zeit, ihr auch nur Antwort zu geben, denn aus dem hohen Gras hob sich ein brauner Kopf mit blitzenden Augen, ein Arm schwenkte darüber aus, und er war kaum im Stande, sich aus die rechte Seite vom Pferde zu werfen, als auch schon eine kurze Bola nach ihm flog und dicht über seinen Kopf hin zischte.

      Im nächsten Moment war er wieder im Sattel, und Josefens Pferd der andern, höheren Seite zudrängend, hatte er gerade seine Pistole gezogen und gespannt, als sich wieder ein brauner Arm mit geschwungenem Lasso erhob. Diego sah nur die unbestimmten düsteren Umrisse im Gras, aber sowie sein Schuß über die Steppe dröhnte, sank der Wilde zusammen. Die Gefahr war jedoch dadurch noch lange nicht beseitigt, denn in demselben Moment fast tauchte Osantos in eigener Person vor ihnen auf; ein anderer Wilder spornte sein Pferd in die flache Schlucht, gerade vor ihre Bahn, und streckte die Hand nach Josefens Zügel aus. Ein Sporendruck, und Diego's Thier schnellte sich in einem mächtigen Satz an seine Seite, und mit wildem Aufschrei stürzte der Indianer blutend aus seinem Sattel.

      Verderblich wäre dieser Sieg aber freilich für Diego geworden, hätte nicht eine andere Hand den gewissen Tod von /86/ ihm abgewandt. Osantos, der seine beiden Gefährten rechts und links von sich fallen sah, stieß einen Racheschrei aus, und seine lange Rohrlanze gesenkt, die scharfe Stahlspitze in zitternder Bewegung auf- und niederschwenkend, flog er gegen Diego an. Unmöglich hätte dieser dem sichern und tödtlichen Stoße ausweichen können, denn links war er durch Josefens, rechts durch des getödteten Indianers Pferd eingehemmt, und angstvoll streckte sich sein rechter, noch mit dem langen Messer bewehrter Arm aus, in der thörichten Hoffnung, so den Stoß zu pariren. Wohl sah er, wie ein anderer Reiter auf den Kampfplatz sprengte, sah, wie dessen Lasso ausflog - vielleicht nach ihm selber, ihn vom Pferd zu reißen, als sich die Lanzenspitze plötzlich, schon dicht vor seiner Brust, zu Boden senkte und der Häuptling auch in demselben Moment machtlos in's Gras geschleudert wurde.

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