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er aber auch selbst unter dem Gespräch mit Diego nicht einen Blick von dem Trupp der indianischen Frauen verwandt, die die Gefangene in das für sie bestimmte Zelt geleiteten. Er wußte deshalb auch genau, in welchem derselben die künfnge Gattin des Häuptlings ihre vorläufige Wohnung aufgeschlagen, und es blieb nur vor allen Dingen zu untersuchen, ob es möglich sein würde, heimlich dort hinein zu kommen.

      „Euch raubt die Besorgniß um Josefa, wenn auch nicht den Muth, doch die volle Besonnenheit. Wollt Ihr mir folgen?" fragte Felipe.

      „Wenn Du sie mit mir befreien willst, als Dein Diener, als Dein Sclave, alter Patron," versicherte Diego.

      „Wir wollen zusehen, was ein Gaucho vermag, der kein /74/ Neuling in den Schlichen und Ränken Eurer lieben Verbündeten ist," gab Felipe in seiner trocknen Weise zurück und betrachtete mit ruhiger Aufmerksamkeit die Gegend und die Lagerplätze der Indianer. Danach traf er seine Maßregeln.

      Er suchte zuvörderst einen Lagerplatz zu finden, wo sich ihre Thiere ordentlich erholen und reichlich weiden könnten. Starke, flinke Pferde mußten sie haben, wenn sie irgend etwas Entscheidendes unternehmen wollten. Ein solcher Lagerplatz war auch bald gefunden: Klee und Gras wuchs überall in Masse; ein kleiner Bach schlängelte sich mitten durch die Pampas, und führte wenigstens so viel Wasser mit sich, die Pferde davon zu tränken. Lebensmittel hatte Diego, Dank der Vorsorge des Wirthes zu Altacruz, ebenfalls genügend in seiner Satteltasche, selbst noch für den nächsten Tag auszuhalten, und die Satteldecken auf den nackten Boden gebreitet, die Sättel als Kopfkissen, die Ponchos als Decken, legten sie sich, nachdem sie ihr Abendbrod verzehrt, zur Ruhe nieder. -

      Osantos selber hatte sich gar nicht mehr um sie gekümmert, ihnen nicht einmal ein Zelt anweisen lasten, aber Felipe sah nichtsdestoweniger, daß einzelne dunkle Gestalten den von ihnen gewählten Lagerplatz umkreisten, und hielt diese wohl mit Recht für von dem Häuptling ausgesandte Spione, die jede ihrer Bewegungen zu überwachen hätten.

      Für den Augenblick war deshalb nichts auszurichten. Die Pferde mußten rasten, und am besten konnten sie die Wachsamkeit der Wilden einschläfern, wenn sie jetzt gar nicht thaten, als ob sie an irgend etwas anderes als Schlaf und Ruhe dächten. Wie nothwendig brauchten sie auch wirklich beides, Schlaf und Ruhe!

      X.

      So verging die Nacht. Die Indianer, denen kein Befehl zu frühem Aufbruch gegeben worden, lagen noch, theils in ihren Zelten, theils um einzelne niedergebrannte Feuer zerstreut, in tiefem Schlaf, und gar nicht weit vom Lager heulten /75/ die Steppenwölfe ihren Morgengruß, mit dem sie sich vor dem dämmernden Tage in ihre Schlupfwinkel zurückzogen. Diego erwachte und fuhr nach seinen Waffen greifend empor. Sein erster Blick war auch nach Felipe, aber dieser hatte sein „Bett" schon verlassen. -War er heimlich entwichen? - nein, sein Sattel lag noch dort, und während Diego, unschlüssig was jetzt ohne ihn zu beginnen, in die Dunkelheit hinausstarrte, kehrte der alte Gaucho schon mit leichtem, vollkommen geräuschlosem Schritt zurück.

      „Du warst im Lager?"

      „Ja," flüsterte der Alte - „Alles steht gut. Die rothen Schufte schlafen wie die Ratzen; ich war in dem Zelt."

      „In Josefens Zelt?"

      „Nicht so laut; es braucht keiner von ihnen zu wissen, daß wir munter sind. Ja wohl, ich hatte mir gestern Abend den Platz genau gemerkt, und sie glauben auch schwerlich, daß wir keck genug sind, den Ort zu betreten. Wenn die Dirne nur eine Ahnung davon hätte."

      „Sie weiß, daß wir mit der Morgendämmerung versuchen wollen zu entfliehen."

      „Gut, dann wird sie sich auch jetzt bereit halten - wenn sie's eben nicht verschläft. Sattelt die Pferde und haltet Euch fertig; ich will versuchen, das Mädchen abzuholen. Ihr Sattel liegt neben dem Zelt, den bring' ich mit."

      „Felipe, wenn Du -"

      „Bst - weiteres Reden ist nicht nöthig und sogar gefährlich. Fort, die Zeit vergeht; drüben im Osten färbt sich schon der Himmel, in einer halben Stunde haben wir Hellen Tag -" und ohne weiter eine Antwort abzuwarten, glitt der alte Bursche von Diego's Seite fort und wieder mitten zwischen die düsteren Zelte der Feinde hinein. Diego kannte aber ebenfalls die Gefahr, der sie sich aussetzten, vollkommen und wußte, wie wenig Zeit ihnen zu ihrer Flucht bleiben würde. Ohne deshalb auch nur einen Augenblick zu verlieren, griff er seinen Lasso auf und schritt rasch in die Pampas hinaus, wo er sein Pferd wußte. Das treue Thier, wenn es sich auch in der Nacht noch so weit entfernt haben mochte, kam gegen Morgen jedesmal zu dem Lagerplatz seines Herrn zurück. Kaum hatte /76/ dieser ihm auch das wohlbekannte Zeichen gegeben, als sein freudiges Schnauben schon die Stelle verrieth, an der es sich befand. Mit ihm weidete Felipe's Pferd, und Diego hatte in wenigen Minuten die beiden gesattelt und gezäumt. So vorsichtig er aber auch zu Werke ging, war er doch nicht im Stande, ein drittes einzufangen, denn die Pferde der Indianer hielten sich scheu von dem Weißen zurück. Wie er sich ihnen näherte, wichen sie schnaubend zur Seite, und er mußte es aufgeben, ihnen zu folgen, weil ihn das Geräusch, das sie machten, sonst sicher verrathen hätte.

      Noch schwierigeren Auftrag hatte indessen Felipe, der wohl leicht genug das Zelt erreichte und den Damensattel mit seinem Zaum bei Seite legte, dann aber unschlüssig an der Zeltwand hielt, weil er nicht wußte, auf welcher Seite das weiße Mädchen lag. Weckte er aber eine ihrer Wächterinnen, dann konnte er sich fest darauf verlassen, das ganze Lager in wenigen Secunden alamirt zu haben - und was dann? Vorsichtig bog er endlich die Ecke des einen von der Sonne gedörrten Felles zurück, und es war ihm fast, als ob er im Innern sich etwas hätte bewegen sehen, doch ließ ihn die Dunkelheit nichts Deutliches erkennen. Sollte er zurückweichen? - War es eine der Indianerinnen, so hatte er doch nichts mehr zu hoffen, heimliche Flucht blieb dann unmöglich, war es aber Josefa, so mußte er ihr ein Zeichen geben, daß Freunde in der Nähe seien, und leise ahmte er den schilpenden Ton der kleinen Steppeneule nach, die zu Tausenden die Pampas beleben und Nachts besonders herüber und hinüber streichen. - Nichts antwortete, aber er konnte erkennen, daß der Zeltcingang geöffnet wurde - einen Moment war er im Stande, den helleren Himmel zu erkennen. Geräuschlos bewegte er sich zurück, und draußen neben ihm stand eine weibliche Gestalt.

      „Don Diego?" flüsterte sie mit weicher, zitternder Stimme. Aber hier blieb keine Zeit zu Erklärungen. Der alte Gaucho ergriff die gegen ihn ausgestreckte Hand des Mädchens, und den neben ihm liegenden Sattel aufhebend, zog er sie rasch der nicht entfernten Stelle zu, wo er Diego mit den Pferden zu finden hoffte. /77/

      „Josefa!" jauchzte der junge Mann, ihr entgegen springend, „gerettet - gerettet!"

      „Noch lange nicht," zürnte der Alte, während die Jungfrau ängstlich den Blick nach den Zelten zurückwarf. „Das sind nur zwei Pferde und wir brauchen drei."

      „Ich war nicht im Stande ein drittes zu bekommen," erwiderte Diego. „Scheu wichen sie vor mir zurück und schnauften so laut, daß ich Verrath durch ihre Unruhe fürchtete.

      Ich nehme Josefen auf mein Pferd."

      „Daß uns die rothen Schufte in der ersten Stunde einholen, nicht wahr?" brummte der Gaucho, indem er seinen Sattel abschnallte und zu Boden warf, um dem Damensattel aufzulegen.

      „Und weshalb das?" frug Diego erstaunt.

      „Hinweg mit Euch!" sagte darauf der Alte. „Ihr habt keine Secunde übrig. An den sieben Kreuzen find' ich Euch wieder. Kennt Ihr den Platz?"

      „Eine Legua von Altacruz."

      „Ja, und fort, sag' ich. Ich komme nach!" und wie ein Kind griff er das junge Mädchen auf und hob es in den Sattel, während Diego schon fertig an ihrer Seite hielt. Ein eigenthümliches Schnalzen mit der Zunge gab zu gleicher Zeit dem Pferd des alten Gaucho ein Zeichen zu voller Flucht, und Josefa konnte nur eben den Zügel richtig fassen, als auch schon das muthige Thier mit ihr die Steppe entlang flog. Diego war trotz Sporen und Peitsche kaum im Stande, an ihrer Seite zu bleiben.

      Noch stand der alte Bursche und horchte den verhallenden Schlägen der Hufe, wobei er kopfschüttelnd murmelte:

      „Alter Esel, der ich bin; was geht's mich eigentlich an, ob das junge Ding einen kupferbrauncn oder weißen Mann bekommt, daß ich mich

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