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Sie war in Beita, um ihre Schwester zu besuchen. Ich nehme an, sie hat meinen Eltern auch erzählt, dass ich noch lebe.“

      „Sie wären sicher stolz, wenn sie wüssten, dass ihr Sohn Soldat in der Garde des Königs ist“, befand Mara.

      „Ich weiß nicht, vielleicht. Aber ist zum Verzweifeln! Immer wieder gerate ich in solche Situationen. Sie sind alle so nett und …“

      „Die meinst, die Frauen?“, hakte sie nach.

      „Ja. Und es fällt mir schwer, Nein zu sagen, auch wenn ich weiß, dass die eine oder andere verheiratet ist. Wahrscheinlich habe ich mittlerweile einen ziemlich schlechten Ruf.“ Er klang nicht wirklich betrübt.

      „Hört sich nicht so an, als würdest du das allzu schrecklich finden.“

      „Es gibt schlimmeres“, erwiderte Jula und grinste. „Wenigstens ist das, was über mich geredet wird, in den meisten Fällen zutreffend.“

      Irritiert schüttelte Mara den Kopf. „Du sprichst von Reik?“

      „Ja, ich meine diese wirklich lächerliche Geschichte über ihn und die Frau des königlichen Hofmeisters Turam. Du hast davon gehört?“

      „Aber ja! Was Gerüchte anbelangt, sind wir im Tempel bestens informiert.“

      „Jedenfalls, das ist alles nicht wahr, ich weiß es. Du darfst das nicht glauben, Mara.“ Seine Stimme klang geradezu beschwörend.

      Mara musste lachen. „Verteidigst du ihn etwa? Vor mir? Jula, was Reik tut oder nicht tut, ist allein seine Sache.“

      „Vermisst du ihn?“

      „Nein, eigentlich nicht. Das mag herzlos klingen, aber ich bin wirklich sehr beschäftigt, und dabei denke ich nicht an andere Dinge oder Menschen. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es ganz und gar, da ist kein Platz für … anderes. Und ich habe inzwischen gelernt, dass das richtig so ist.“

      „Alles eine Frage der Konzentration?“, fragte Jula neckend, während sie langsam den Hang des Tempelberges hinaufstiegen. „Der Hauptmann drückte sich einmal ganz ähnlich aus. Er meinte, bei einem Kampf gäbe es nur uns und das Schwert, nichts sonst, selbst der Gegner sei unwichtig.“

      „Kluger Mann, dein Hauptmann“, bemerkte sie.

      „Du hältst ihn also für klug?“ erwiderte Jula. „Und wofür noch?“

      „Es wäre unpassend, dir jetzt von Reik vorzuschwärmen, wo ich doch viel lieber dich küssen würde, Jula.“

      „Sag das doch gleich. Aber du würdest von ihm schwärmen, das…“

      Mara ließ ihn nicht ausreden, sondern küsste ihn leidenschaftlich.

      „Mara, du …“

      „Psst, nicht reden, Jula, wir sind sowieso gleich da. Küss mich lieber noch einmal.“

      Er küsste sie, zugleich zart und fordernd; einen Augenblick gab es nur sie zwei.

      „Schlaf gut, Mara, und gib Sina einen Kuss von mir. Ich bin ihr etwas schuldig.“

      „Mache ich. Auf bald.“

      Hartnäckig widerstand Mara der Versuchung, zu Jula zurückzukehren. Doch nach wenigen Schritten wurde sie schwach. Sie drehte sich um und rannte wieder zu ihm – er hatte sich nicht von der Stelle bewegt, fiel ihm um den Hals und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. „Oh, Jula … Danke!“

      Anschließend ging sie gemessenen Schrittes zum Nordeingang des Tempelbezirks, wo Sina sie bereits ungeduldig erwartete.

      (Ende 70. Tag, Frühling)

      Kapitel 4 – Besuch im Palast

      Feiner Dunst und das milde Licht der Nachmittagssonne hüllten die Stadt in einen goldenen Schleier.

      Eigentlich ein wundervoller Anblick, doch Mara fühlte sich unruhig und nicht sehr wohl. Gemeinsam mit Réa weilte sie in ihrem Schlafzimmer; die Priesterin half ihr, sich für den Besuch bei der Königin anzukleiden.

      „Wieso kommst du nicht einfach mit?“, schlug Mara vor.

      „Weil die Einladung der Königin dir allein galt, deswegen“, erklärte Réa ruhig.

      Mara seufzte, Rea hatte ja Recht. Trotzdem wäre ihr lieber gewesen, die junge Priesterin, mittlerweile eine gute Freundin, würde sie in den Palast begleiten.

      „Mara, die Königin ist eine kluge und herzensgute Frau, kein Grund also, so aufgeregt zu sein“, versuchte Réa sie zu beruhigen.

      „Ja, wahrscheinlich.“

      „Nicht wahrscheinlich, sondern ganz sicher. So, fertig.“ Réa betrachtete sie lächelnd. „Du siehst außerordentlich hübsch aus in diesem Kleid, wie…“

      „Wie eine Fee, ich weiß“, fiel Mara ihr ins Wort. „Glaubst du, ich treffe Ondra?“

      „Gut möglich.“ Réa musterte sie ernst. „Mara?“

      „Ja?“

      „Was ist los mit dir?“

      „Was soll sein?“, fragte sie zurück.

      „Das frage ich dich. Du hast seit Tagen schlechte Laune, rennst mit einem grimmigen Gesichtsausdruck durch die Gegend, dass niemand es wagt, dich auch nur anzusprechen, weil du sofort aus der Haut fährst, bist furchtbar ungeduldig und unruhig. Hast du Kummer?“

      „Nein, ich … vielleicht würde ich einfach gern einmal wieder eine Nacht durchschlafen, ich bin müde“, gestand sie.

      „Du hast Alpträume?“, erkundigte sich Réa.

      „Fast jede Nacht. Erst glaubte ich, ich würde mich daran gewöhnen. Ich wache auch nicht mehr schreiend auf, aber …“ Mara seufzte. „Das macht es nicht besser.“

      „Und wenn jemand bei dir schliefe?“, versuchte es Réa.

      „Ich weiß nicht. Eigentlich möchte ich gar nicht, dass jemand bei mir schläft. Ich mag es, allein zu schlafen, diese Zimmer hier ganz für mich zu haben“, erklärte Mara. „Ich kannte das vorher nicht und genieße es nun sehr.“

      „Wie du möchtest. Aber du sollst wissen, dass du immer zu mir kommen kannst. Natürlich nur, wenn du willst, ich meine …“ Réa geriet ins Stocken und errötete.

      „Ich verstehe schon“, sprang Mara ihr bei. Dann fügte sie hinzu. „Kann ich dich etwas fragen, Réa?“

      „Du willst wissen, ob ich Reik liebe, stimmt's? Ja, ich liebe ihn, nur leider liebt er mich nicht, jedenfalls nicht … so.“

      Verblüfft sah sie Réa an. „Woher wusstest du, dass ich gerade das fragen wollte?“

      „Weil du das schon am ersten Abend wissen wolltest. Und dann der ganze Tratsch .... Ich habe mich gewundert, warum du nie nachgefragt hast. Du bist doch sonst nicht so rücksichtsvoll.“

      Den Vorwurf kannte Mara zur Genüge. Warum hatte sie gerade jetzt das Gefühl, dass Réa ihr genau das Gegenteil vorhielt?

      „Dafür aber jetzt, wo ich mir nichts sehnlicher wünsche“, fuhr Réa hastig fort. „Mara, ich würde gern mit dir über ihn reden, über meine … Empfindungen. Die anderen Frauen hier … Sie verstehen es nicht!“

      Mara schüttelte den Kopf und sah sie fragend an: „Was verstehen sie nicht?“

      „Sie haben geradezu schwärmerische Vorstellungen von ihm, dabei haben die wenigsten auch nur mit ihm geredet. Außer Sina vielleicht, und natürlich Malin. Sie gehen wie selbstverständlich davon aus, dass ich mit ihm … Weil ich häufig im Palast bin, vermuten sie …“ Réa brach mitten im Satz ab, biss sich auf die Lippen und blickte betreten auf ihre Hände.

      „Was aber nicht stimmt“, erklärte Mara für sie.

      „Nein,

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