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beobachten, die diese Worte auf die Umstehenden machen würden.

      „Der Klabautermann?" rief der Schneider erstaunt und lachend, denn es war das erste Mal in seinem Leben, daß er den Namen auch nur erwähnen hörte - „wer heißt Klabautermann? Nennt Ihr einen von Euern Masten so?"

      „Kennt Ihr den Klabautermann nicht?" rief der Koch, auf's Aeußerste erstaunt - „na Gott sei Dank, weiß nicht einmal, wer der Klabautermann ist, und geht zur See; Ihr Passagiere seid noch schrecklich dummes Volk." /79/

      „Na, Donnerwetter, woher sollen wir denn in Preußen erfahren haben, wer der Klabautermann ist?" brummte der Schuster - „heraus mit ihm denn, was ist mit ihm los, und wo ist er hin?"

      „Fort ist er," sagte der Koch wieder mit unterdrückter Stimme - „fort und vom Schiff, und nun ist die Geschichte aus."

      „Aber wer ist der Klabautermann?" rief der Lohgerber, jetzt auch ungeduldig werdend - „schwafelt der Mensch da in den Tag hinein, daß keine Seele daraus klug wird, und antwortet auf keine vernünftige Frage. Was haben wir mit dem Klabautermann zu thun?"

      „Was Ihr mit dem Klabautermann zu thun habt?" wiederholte der Koch, „das wird Euch bald klar werden. Der Klabautermann ist der Schiffsgeist, ein kleines kurzes Männchen, ganz wie ein Matrose angezogen, der unten im Raum der Fahrzeuge seine Wohnung hat, und das Schiff, wenn ihm ein Unglück bevorsteht, warnt, sobald es aber nicht mehr zu retten ist, von Bord geht und nicht wiederkommt. Wenn die Ratten und der Klabautermann ein Schiff verlassen, dann gnade Gott der Mannschaft!"

      „Na, die Geschichte muß uns der Koch nachher einmal ein bischen näher auseinandersetzen," sagte der Instrumentenmacher, der ungemein gern Geschichten erzählen hörte, „jetzt macht nur, daß Ihr mit Eurer Mischung fertig werdet, denn der Schreck vorhin und die Nässe sind mir dermaßen in die Glieder geschlagen, daß mich's ordentlich wie im Fieber schüttelt. Dagegen ist ein guter Grog die beste Medicin, und ich habe hier auch noch eine famose Flasche Rum."

      „Bravo," sagte Heidelberger, „solche milde Beiträge lassen wir uns gefallen - der Wohlthätigkeit werden keine Schranken gesetzt, und Eure Becher her, Ihr Leute. Wer ist denn da hinten noch so seekrank? Herr Du meine Güte, würgt der Mensch-“

      „Das ist der Nadler aus Nummer Sieben," lachte der Lohgerber; „so wie sich das Schiff anfängt zu bewegen, liegt der auf der Nase."

      „So gebt ihm einen Schluck von der Mischung hier," /80/ meinte der Instrumentenmacher gutmüthig, „das wird ihn wieder auf die Beine bringen."

      Des Nadlers Frau wurde gerufen, um ihrem Mann etwas von dem Grog zu bringen, der aber stöhnte und ächzte, und weigerte sich zu trinken, und bat, man solle ihn lieber über Bord werfen. Die Anderen lachten und nahmen weiter keine Notiz von dem Seekranken.

      Die Becher wurden indeß fleißig gefüllt und geleert; der Schreck von heut Abend war Manchem in die Glieder geschlagen, und von allen Seiten kamen Flaschen und Krüge mit Rum gefüllt aus den verschiedenen Kojen vor, daß der Koch noch zweimal in die Cambüse mußte, mehr heißes Wasser herbeizuholen. - Der Steuermann trank ebenfalls gern ein Glas, und wenn es ihm auch nicht einfiel, das mit den Zwischendecks-Passagieren zu thun, ließ er es doch geschehen, daß ihnen der Koch gefällig sein durfte - noch dazu an dem heutigen Abend. Auch Meier hatte sich bei der Bowle eingefunden, von der er aber oft fort und nach oben ging, um nach dem Wetter und Wind zu sehen.

      Der Koch, der dem Grog fleißig zugesprochen, übrigens eine sehr bedeutende Quantität davon vertragen konnte, hatte indeß den aufmerksam und vergnügt lauschenden Passagieren die Sage vom Klabautermann ausführlich erzählen müssen. Es war ein kleiner gemüthlicher Geist, ein Ueberbleibsel noch der alten Heinzel- oder Wichtelmännchen, der im Innern des Schiffes, aber immer nur einzeln und einsam, sein Quartier aufgeschlagen und die weitesten Reisen mit dem einmal erwählten Fahrzeug machte. Bei gutem Wetter ließ er sich dabei weder hören noch sehen, und kam nicht vor; wenn aber dem Schiff Gefahr drohte, rief er aus den Masten herunter den Leuten zu, zu reefen, oder warnte sie auch wohl vor drohenden Klippen und Bänken, und nur wenn das Schiff rettungslos verloren war, nahm er sein kleines Matrosenkistchen, das er, wie jeder andere Seemann, bei sich führte, unter den Arm und zeigte sich gewöhnlich noch einmal, ehe er ging, denen an Bord, die er während seiner Anwesenheit am liebsten gehabt. Nachher war er fort, und was aus ihm wurde, konnte Niemand sagen.

      Heut Abend aber war er fortgegangen. Er, der Koch, der ihm immer die gebührende Ehrfurcht erwiesen, und dem er deshalb auch gut geblieben war, hatte ihn mit eigenen Augen gesehen, und wenn Einer von ihnen wieder das Land sehe - meinte der Mann mit leiser, unheimlich flüsternder Stimme - sei es ein Wunder des Himmels.

      Die Passagiere, die den Koch dicht umdrängten, hatten im Anfang über das „Märchen" gelacht und ihren Spaß damit gehabt; als der Mann aber so gar ernsthaft dabei blieb und das überdies finstere und faltige Gesicht noch weit mehr zusammenzog und die Kunde, die auch sie so nahe betraf, so geheimnißvoll flüsterte, daß man ihm wohl ansehen konnte, wie er selber jede Silbe glaube, wurden doch auch Manche der vorher noch ganz Beherzten und Ungläubigen stiller — das Lachen verstummte, und die noch immer unheimlich durch die Nacht tönenden Schläge der Schiffsglocke über ihren Häuptern mahnten sie dabei, daß allerdings nicht Alles an Bord sei, wie es eigentlich sein solle.

      „Aber es giebt doch keine Geister," sagte endlich der Instrumentenmacher, der das ihm fatale Grausen zuerst abzuschütteln suchte mit einem allgemeinen Beweisgrund gegen jede derartige Erzählung.

      „So? - giebt es nicht?" erwiderte ihm der Koch, ohne von seinem Becher aufzuschauen - „und mich haben sie wohl nicht einmal an der Weser drüben zehn Meilen in's Land hinein gesetzt, ohne daß ich wußte wie?"

      „Zehn Meilen in's Land?" rief der Schneider erstaunt.

      „Zehn Meilen in's Land," bestätigte der Seemann, den Becher jetzt bis auf den letzten Tropfen leerend und wieder zum Füllen gegen Heidelberger vorstreckend, „und die Geschichte war merkwürdig genug. Wir lagen mit dem Robert Fulton, einem andern deutschen Schiff, auf dem ich damals meine erste Reise als Koch machen sollte, unter Bremerhafen vor Anker und warteten auf den letzten Lichter, der mit Fracht von Bremen herunter kommen mußte. Abends nach dem Essen schickte mich der Capitain mit dem Kajütsjungen und zwei Leuten an Land, um in dem nächsten Dorf eine Partie Eier und Hühner und andere Sachen für die Kajüts /82/Passagiere und den Capitainstisch einzukaufen. Der Eine von den Leuten, die ich mithatte, war aber ein alter Matrose, der damals schon seine sechzig Jahre auf dem Rücken haben mochte und die ganze Zeit, von Kindheit auf, zur See zugebracht hatte, und der behauptete, daß ihm an dem nämlichen Abend der schwarze Mann an Bord erschienen sei."

      „Der schwarze Mann?" rief der Lohgerber, der mit offenem Munde der Erzählung lauschte.

      „Ja, der schwarze Mann," bestätigte der Koch, „auch so ein Wesen, das sich nur sehen läßt, wenn es mit Einem von uns zu Ende geht, und der alte Bursche, sonst immer einer der Flinksten und Muntersten von Allen, ließ den Kopf hängen und sprach kein Wort. Wir anderen jungen Burschen lachten ihn jetzt aus, neckten ihn, daß er einen Schluck zu viel genommen und den Pumpstock für den schwarzen Mann angesehen habe, und ich - ein junger Kehrdichannichts, der ich damals war - trieb es am tollsten, ja behauptete zuletzt sogar, es gäbe gar keine Geister, weder schwarze noch Klabautermänner, und rief, wenn wirklich welche da wären, sollten sie sich mir auch einmal zeigen, und dann wollte ich an sie glauben. Der Alte bat mich nun zwar, ich möchte still sein; wenn ich älter würde, erfuhr' ich das Alles überdies noch zeitig genug; mit ein paar Gläsern Grog im Kopf machte ich mir aber aus der ganzen Sache nichts und trieb es toller als vorher. Unter der Zeit war es ziemlich dunkel geworden; das Dorf lag jedoch keine fünfhundert Schritt vom Fluß ab und ein breiter Fahrweg lief von der Landung gerade daraus zu, so daß wir gar nicht irre gehen konnten. Wir machten also unser Boot fest, stiegen an's Land und fanden auch glücklich den Platz, wo wir kauften, was wir brauchten, und dann mit den Sachen den Rückweg antraten.

      „Ziemlich schwer zu tragen hatten wir übrigens und gingen deshalb einzeln hintereinander her auf der Straße, ich hintennach, weil ich auf das Ganze sehen mußte. Gerade halbweg zwischen dem Dorf und Fluß lag ein kleines Erlendickicht, vielleicht hundert Schritt breit, wie denn überhaupt die ganze

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