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der Arretierung nach unten, doch auch er schien in Ordnung zu sein, also aktivierte sie ihn wieder. Sie hätte genauso unter die Motorhaube eines Wagens schauen können. Mit ähnlichem Erfolg. Was technische Dinge betraf, verfügte sie nicht gerade über erwähnenswerte Kenntnisse. Sie würde wohl oder übel zum Hausmeister hinuntergehen müssen, um ihn zu bitten, sich der Sache anzunehmen. Sie würde es nicht gerne tun, da er in ihren Augen ein Chauvinist erster Güte war. Lisa hörte ihn schon jetzt seine anzüglichen Bemerkungen machen, aber sie brauchte Strom und beschloss daher, in den sauren Apfel zu beißen und alle Demütigungen tapfer hinzunehmen.

      Nachdem sie Blue Jeans und ein T-Shirt übergezogen hatte, wusch sie sich oberflächlich das Gesicht und bürstete ihr kinnlanges, blondes Haar durch. Als sie mit dem Ergebnis zufrieden war, ging sie zur Wohnungstür und trat auf den Flur hinaus. Dieser roch angenehm neutral. Zum allerersten Mal blickte sie auf die Armbanduhr und stellte erstaunt fest, dass es schon viertel vor zwölf war. Sie wusste nicht, was sie mehr beunruhigen sollte; Die Tatsache, dass es schon fast Mittag war, und sie den ganzen Vormittag verschlafen hatte, oder der Umstand, dass sie keinerlei Geräusche wie klapperndes Geschirr oder schreiende Kinder vernehmen konnte.

      Wahrscheinlich ist der Strom im ganzen Haus ausgefallen und jetzt steht alles still. Das kommt davon, wenn man sich zu sehr auf die Elektrizität verlässt. Wenn der Saft einmal für längere Zeit abgestellt wird, bricht das ganze System zusammen, dachte sie.

      Lisa hatte schon einige Katastrophenfilme im Nachtprogramm gesehen und sich gewundert, ob sich in Wirklichkeit ebenfalls eine Schar unerschrockener Helden finden würde, die allen Schwierigkeiten zum Trotz einen Weg aus dem Schlamassel findet und als Draufgabe ganz nebenbei den Rest der Menschheit rettet. Sie persönlich glaubte da schon eher an die Chaos-Theorie, jeder gegen jeden, und dass das Ende der Menschheit anders aussehen würde, als man sich das in Hollywood vorstellte.

      Sie tastete sich an der Wand vorsichtig den Flur entlang, an den stillen Nachbarwohnungen vorbei. Der Gang lag im Inneren des Gebäudes und besaß keine Fenster. Die natürliche Beleuchtung bestand lediglich aus einer gläsernen Dachluke im Dachgeschoss, die in einem sechsstöckigen Haus, das ohne Strom war, natürlich zu wenig Licht spendete. Lisa lauschte in die Dunkelheit und versuchte möglichst flach zu atmen, was ihr durch das Stufensteigen relativ schwer fiel. Sie musste vier Stockwerke ins Parterre hinab überwinden, wobei es immer dunkler wurde, je weiter sie vorankam.

       Eigenartig. Normalerweise sollte man viel sensibler auf Geräusche reagieren, wenn man sich im Dunkeln aufhält. Ich höre nichts, außer meinem Herzschlag und meinen eigenen Schritten.

      Eine weitere Tatsache begann sich bei ihr bemerkbar zu machen. Man bekommt im Dunkeln leichter Angst. Lisa ärgerte sich über sich selbst, weil sie nicht daran gedacht hatte, eine Kerze oder Taschenlampe mitzunehmen, doch umdrehen wollte sie auf halbem Weg auch nicht. Als sie die Stufen vom ersten Stock ins Erdgeschoss hinabstieg, wurde es wieder ein wenig heller, da durch die Glaselemente im Eingangsbereich genügend Licht hereinfiel, um den Rest des Flurs bis zur Hausmeisterwohnung zu beleuchten. Sie hielt kurz an der Wohnungstür inne und betrachtete das Schild über dem Guckloch.

      HAUSWART, stand in großen, weißen Buchstaben darauf, die in der Düsternis unheimlich fluoreszierten. Dennoch bewirkte dieser zarte Schimmer, dass sie sich ein wenig wohler fühlte, trotz des schwarzen Lochs, das sich hinter ihrem Rücken ausbreitete. Lisa atmete noch einmal durch, bevor sie klopfte.

       Er soll nur ja nicht glauben, ich hätte Angst. Das macht solche Kotzbrocken wie ihn nur noch unverschämter, als sie ohnehin schon sind.

      Sie klopfte. Zuerst noch leise und zaghaft, wartete, bevor sie nochmals mit den Fingerknöcheln auf das Holz schlug. Dieses Mal heftiger. Sie stand still und horchte. Dann hämmerte sie ihre Faust gegen die Tür. Nichts rührte sich. Mist!

      2.

      Robert Lang bewohnte ein Appartement direkt am Donaukanal. Es war eigentlich viel zu groß für einen Junggesellen, doch er hatte es vor vier Jahren günstig angeboten bekommen. Die Familie, die vorher darin gewohnt hatte, musste dringend umziehen und hatte keine Zeit zu verlieren gehabt. Daraus resultierte eine relativ niedrige Ablöse.

      Er benutzte gar nicht alle Zimmer und hatte sogar schon an Untervermietung gedacht, doch er wollte keine Fremden in der Wohnung haben, und so hatte er die Idee wieder verworfen. Der Vorteil einer großen Wohnung liegt darin, dass man sich ungebremst ausbreiten kann, ohne das Risiko eingehen zu müssen, ständig über irgendwelche Dinge zu stolpern. Lediglich sein Arbeitszimmer hatte sich seit dem Einzug in ein heilloses Durcheinander von Aktenordnern, Schnellheftern, Papierstapeln, Computerzubehör und vielen anderen Utensilien, die er für die Arbeit als Journalist benötigte, entwickelt.

      Robert kam eben aus jenem Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich. Kein Strom in der ganzen Wohnung. Schweinerei!

      Er warf einen Blick aus dem Wohnzimmerfenster zu den gegenüberliegenden Häusern. Obwohl diese gut zweihundert Meter entfernt waren, konnte er normalerweise in der Morgendämmerung den schwachen Schein der Lichter in den Wohnungen deutlich erkennen. Doch heute waren die Fenster dunkel. Er kam zu dem Schluss, dass der Strom in größerem Umfeld ausgefallen sein musste.

      Bevor er sein Appartement verließ, kontrollierte er den Sicherungskasten neben der Wohnungstür, konnte jedoch wie erwartet keinen Defekt feststellen. Also trat er auf den Flur hinaus und verharrte einen Augenblick, bis sich seine Augen an das Zwielicht gewöhnten. Er verstaute den Wohnungsschlüssel in einer kleinen Tasche seiner Fitnesshose und schlurfte vorsichtig auf den Stiegenabgang zu, wobei die Sohlen seiner Laufschuhe leise quietschten. Geistesabwesend drückte er den Lichtknopf, doch im Stiegenhaus blieb es dunkel, und so tastete er sich weiter vorwärts bis ins Erdgeschoss.

      Das Eingangstor knarrte beim Öffnen, wie sie es jeden Tag tat, nur dieses Mal kam ihm das Geräusch lauter vor als sonst. Er trat ins Freie und blickte auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach sechs. Am Straßenrand angekommen, schaute er automatisch nach links. Als er keinen Wagen auf der Einbahnstraße heranbrausen sah, setzte er sich in Bewegung.

      Robert war begeisterter Jogger, und als solcher pflegte er jeden Morgen und bei jedem Wetter vor dem Frühstück in der Prater Hauptallee zu laufen. Während er im lockeren Laufschritt die Fahrbahn überquerte, die dem Verlauf des Donaukanals folgte, kam ihm die Luft besonders schwül vor. Jedenfalls für diese Uhrzeit. Er lief zur Rotundenbrücke, über den Donaukanal zur anderen Seite in den zweiten Bezirk hinüber, von wo es nur noch ein Katzensprung zur Allee war.

      An einer Ampel, die ebenfalls ausgefallen war, hielt er nach sich nähernden Fahrzeugen Ausschau und setzte auf die andere Seite der Fahrbahn über. Er rannte weiter in Richtung Prater, in der sicheren Gewissheit, dass die Luft im Schatten der Kastanien kühler sein würde. Die nächste Stunde würde er nun nicht mehr anhalten müssen, somit konnte er sich auf seinen Rhythmus konzentrieren und das Joggen ungestört genießen.

      3.

      Lisa gab die Hoffnung auf, den Hausbesorger daheim anzutreffen. Er hatte auf ihr Klopfen nicht reagiert. Sie stieg die Treppen zum Keller hinunter und öffnete die schwere Eisentür, deren rostige Scharniere mit lautem Quietschen protestierten. Es erinnerte sie an das Knarren von Türen in Gruselfilmen.

      „Herr Schwarz? ... Hallo! ... Sind sie da?“, rief sie mit zitternder Stimme ins Dunkel hinein.

      Als Antwort kam ein Schwall muffiger Luft zurück.

      „Herr Schwarz“, probierte sie es nochmals und machte einen Schritt vorwärts. Lisa lugte um die Ecke in den ersten Quergang und lauschte mit angehaltenem Atem in die Stille. Kein Laut. Sie drehte sich um und hastete die Treppen zum Erdgeschoss empor. Dieser Keller hatte wie immer etwas Bedrohliches an sich, doch heute spürte sie diese Bedrohung intensiver als sonst. Lisa konnte nicht sagen, woran das lag. Es war einfach nur dieses Gefühl, dass irgendetwas Eigenartiges vor sich ging. Beim Fahrradabstellraum, gleich neben dem Fahrstuhl, blieb sie stehen. Sie warf einen Blick hinein. Einige kleine Reflektoren - Katzenaugen - blitzten auf. Sie erschrak und fühlte plötzlich, wie ihr Magen eine Etage tiefer rutschte.

       Beruhige dich! Es sind nur Fahrräder!

      Trotzdem

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