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Frequenzwechsel. Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski
Читать онлайн.Название Frequenzwechsel
Год выпуска 0
isbn 9783847683377
Автор произведения Hans Patschke - Herausgeber Jürgen Ruszkowski
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Leichtmatrose (OS) auf SS „POLZELLA“ alias „ESSEX COUNTY“
Ergo schnürte ich gegen Ende Januar 1927 erneut mein Bündel‚ um wieder in die unbestimmbare Weite außerhalb der heimatlichen Grenzen zu ziehen. Das nächste Schiff ließ diesmal wider Erwarten nicht lange auf sich warten, Anfang März musterte ich in Hamburg als Leichtmatrose (OS) auf dem englischen SS „POLZELLA“, einem Trampschiff mit Heimathafen London an. Mit einiger Seefahrterfahrung wäre ich vermutlich von besagtem Pott nach kurzer Visite gleich wieder abgestiegen, aber damals fand ich wahrscheinlich sein verworfenes „Image“ geradezu erregend und eher unbekannte Abenteuer versprechend, als ein „Linienreiter“. Tatsächlich war POLZELLA, im nachhinein gesehen mein erbärmlichster See-Untersatz, hässlich, heruntergewirtschaftet, unhygienisch, verbaut, unkomfortabel sogar nach damaligen humangültigen Gesichtspunkten und Normen, sie bewegte sich außerdem wie eine Laus vorwärts, bzw. ihre Maschine hatte hochgradiges Asthma. Dass ihr Unterleib hernach im einzig angelaufenen Ladehafen Bahia Blanca / Argentinien à cto mehrwöchiger Warte-Ankerzeit mit Bewuchs gänzlich verkrautete, war zweifellos weder ein ihr zusätzlich anzulastender Schönheitsfehler, noch ein angeborenes Gebrechen, aber es ließ wiederum ihren Laufschritt noch kürzer als zuvor werden und ihre Gangart der einer Raupe gleichen. Trotz aller Mängel konnte man dieses Zerrbild von Schiff vielleicht noch gerade für ein Butterbrot an einen neuen Eigentümer verkaufen und die Mannschaft sozusagen gratis dazu‚ wir gingen jedenfalls unter dem Namen POLZELLA nur von Hamburg nach North Shields, nahmen dort als Ballast Kohlen in Luk 3, 4 und auf Deck und erhielten für unseren Wellenreiter den neuen stolzen Namen „ESSEX COUNTY“. Aber damit wurde ja der Kahn nicht besser als zuvor, noch weniger und karger vielmehr das, was man allgemein unter dem Begriff der Beköstigung von Seeleuten versteht, und die war an sich schon damals auf Engländern ein Kreuzworträtsel. Im Übrigen fuhren unter der neuen Reedereiflagge bei 32 Köpfen Besatzung Vertreter von 17 Nationen mit einziger Verständigungsmöglichkeit im Englischen, ganz abgesehen von den diversen Nationalitäten der ebenfalls, seit längerer Zeit vermutlich, eingeschifften unzählbaren Ratten. In welchem Kauderwelsch sich letztere untereinander verständigten, kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass diese mehr oder weniger geschätzten Nager an Bord nach Sonnenuntergang überall und nirgendwo präsent waren und das Rattenfangen während der ganzen Folgezeit der Mannschaft liebste Freizeitbeschäftigung blieb. Aber irgendwie lässt es sich ja auch mit Ratten zusammen leben, denn anders hätte ich wohl nicht mehr meine Weisheiten der Nachwelt überliefern können. Wirkliche Angst vor den Ratten hatten wahrscheinlich nur unsere drei Bordkatzen und vielleicht, aber nur vielleicht, der Terrier, ein Produkt aus einer Unzahl von Kreuzungen, den der dänische Bootsmann von seinem letzten Hamburger Landgang mit an Bord brachte in der edlen Absicht, das Selbstbewusstsein der vom Arbeitsstress geplagten Katzen durch den vermutlich zu erwartenden Tatendrang dieses Köters wieder auf Vordermann zu bringen. Immerhin waren wir Mannen der ESSEX COUNTY einsichtig genug, die Überforderung unserer echten Haustiere einerseits anzuerkennen, den Vielbeschäftigten andererseits von uns aus volle Unterstützung mit ausgeklügelten Jagdprogrammen zu geben. Ratten von beachtlicher Größe und in heller Überzahl können durchaus, einmal in die Enge getrieben, ernsthafte Gegner auch für den Menschen sein. Unsere figürlich zierlichen Katzen, wahrscheinlich „made in Italy“, wussten längst, was eine Konfrontation mit den frechen, gewieften Nagern heißt, nachts krochen sie daher lieber unter die Bettdecken der ruhenden sailors - und sahen und hörten nichts. Der Terrier, soweit er diese Bezeichnung überhaupt verdiente, blieb an Deck. Im Laufe der Zeit stank er nämlich wie ein Skunk, und angesichts des üblichen undefinierbaren Miefs in einem Massenlogis verzichtete jeder auf eine weitere Duftkomponente im Raum. Wir in Rauheit geschulten Seemänner waren im Übrigen im Umgang mit den Ratten auch nicht gerade zart. Die in Fallen gefangenen Viecher wurden zur Abschreckung ihrer Artgenossen mit Petroleum übergossen und verbrannt, die Kadaver dann ihren Brüdern und Schwestern zum Begräbnis überantwortet. Das soll angeblich die beste Abwehrmethode sein, sie soll sogar Ratten zum Verlassen ihrer