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Davon, dass Ava sich mittlerweile weiter entfernt hatte, nahm er keinerlei Notiz.

       Seine Gedanken waren mit diesem Fahrzeug in eine andere Richtung gegangen und es schien, als würde er darin stecken bleiben.

       Wozu sollte ich ihm denn nun raten? Durfte ich ihm überhaupt raten?

       »Hanna, das, was Britt und ich am Stein eben erlebt haben, das bleibt bitte zunächst einmal unter uns. Das ist eine Sache zwischen ihr und mir und…,«, nachdenklich rieb er sich das Kinn.

       »Und dir natürlich, denn wie es scheint, hast du mal wieder den richtigen Riecher für Entwicklungen, die nicht der Norm entsprechen. Bitte sprich mit niemandem darüber. Ich muss mich darauf verlassen können.«

       Fast bettelnd wie ein kleiner Junge bat er mich um diesen Gefallen.

      »Wo denkst du hin? Bin ich eine Klatschtante und hausiere überall mit euren ständigen Gefühlsverwirrungen?»

       Sichtlich erbost konterte ich diesem, immer noch jugendlich wirkenden Blondschopf.

       »War nicht so gemeint. Weißt du Hanna, ich wurde eben am Stein von einer Welle in mir förmlich überflutet. Dieser historische Ort hat so viel zerstört in meinem Leben, die Liebe in der Jugend zu Britt zerstört, und nun sah ich heute zum wiederholten Male diese Frau, die dort an diesem Stein erneut einen so richtig vor den Bug bekommen hat. Das ist alles zu viel für einen Menschen.

       Als mir das dort eben klar wurde, da blendete ich alles aus was in der Zeit zwischen unserer Jugend und dem heutigen Tag geschehen war. Ich sah nur noch sie, die junge Britt damals unter dem Apfelbaum mit den Gänseblümchen in der Hand, spürte, wie sie mich umarmte und mich küsste. Und dann…,« Sven stockte und sah mich etwas verschüchtert an.

       »Und da umarmten wir uns und alles war so wie früher. Da kamen Emotionen hoch, das kannst du dir kaum vorstellen. Ich bin mir nun sicher, dass ich sie immer noch liebe. Natürlich hatte ich erkannt, dass ihre Liebe zu Flo sehr intensiv ist, ich akzeptierte auch, dass es für sie kein Zurück in unsere Richtung geben konnte.«

       Genau das hatte ich befürchtet und es ihm angesehen. Schade, dass ich mal wieder recht hatte mit meiner Intuition. Mir wäre es lieber gewesen, Sven hätte mit Ava nun endlich sein verdientes Glück bekommen. Das war eine Entwicklung, die wieder Wege für jemanden mit Schmerz pflastern würde. Ich dachte dabei explizit an Ava, drehte mich etwas herum und beobachtete sie, wie sie einsam unten am Steg saß und so verloren aussah.

       Sven folgte meinem Blick und da erst sah er, dass seine Partnerin gegangen war. Er schluckte betroffen und ich erkannte, wie unwohl er sich fühlte.

       »Du solltest ihr folgen,«, flüsterte ich fast heiser.

       »Sage ihr die Wahrheit, sage ihr, wie es in dir aussieht. Findet einen Weg, aber vor allem keinen, der darauf aufgebaut ist, dem anderen zuliebe sich etwas vorzumachen. Irgendwann holt einen das wahre Empfinden ein und dann ist es zu spät. Flo ist das beste Beispiel dafür wie man es nicht leben sollte.«

       »Ich werde mir erst einmal etwas Trockenes anziehen gehen. Danach spreche ich mit Ava. Sie hat es nicht verdient, dass ich ihr etwas vormache. Was Britt und mich anbelangt, so sehe ich keine Chance mehr, obwohl…!«

       »Obwohl was, Sven?« Mir wurde es etwas anders, denn mir zeigten seine Worte, dass wir wieder da angekommen waren, wo wir im Februar aufgehört hatten. Fehlte nur noch Flo, der nun auch wieder in die Nebenbuhlerrolle zurückkatapultiert würde und dann wäre das Chaos wieder perfekt.

       Zum Glück würde aber von seiner Seite aus keine Gefahr mehr bestehen, denn er war zurückgekehrt zu seiner Familie - ihn hatte man auf den Boden der Tatsachen geholt.

       Was Britt anbelangte, so konnte ich da noch gar keine Prognose abgeben. Sie hatte mir noch nicht einmal die Möglichkeit gegeben, wenige Sätze mit ihr zu sprechen.

       Mein Handy klingelte und ich entschuldigte mich kurz bei Sven. Ich nahm das Gespräch an und hörte aufmerksam zu.

       »Es war die Autovermietung am Flughafen. Mein Auto ist wieder abholbereit.«

       Kurze Zeit später erhielt ich dann noch Britts SMS, dass wir sie alle erst einmal nicht mehr anschreiben oder anrufen möchten.

       In Svens Kopf arbeitete es mächtig.

       »Das geht doch nicht. Wir haben Aufträge, die erfüllt werden müssen. Sie muss mit mir reden und weiterhin mit mir zusammenarbeiten.«

       Mitleidig blickte ich ihn an.

       Ich wünschte mir in dem Moment, dass Britt in Deutschland wieder ihre nötige Ruhe fand und dann auch wieder den normalen Alltag meistern würde.

       »Also Hanna, ich werde mich nun umziehen und dann mit Ava sprechen. Sei mir bitte nicht böse, wenn ich heute schon zurück nach Nynäshamn fahre. Ich benötige wieder eine Normalität. Aber ich bedanke mich für diese Einladung und das schöne Hochzeitsfest, welches ihr hier ausgerichtet habt. Wenigstens habt ihr das wahre Glück gefunden.«

       Seine Worte kamen von Herzen und sie freuten mich, schien es mir ganz so, als wenn wenigstens er nun vernünftig mit allem umgehen würde und das sehr ehrlich.

       »Danke dir sehr Sven. Ja, es ist bestimmt besser so, denn je eher man wieder den Alltag lebt in eurem Fall, desto besser kommt man mit dieser Situation zurecht. Versuche einfach einmal in wenigen Tagen mit Britt Kontakt aufzunehmen. Sie wird dich schon nicht aus der Leitung kicken.

       Was mich anbelangt, so werde ich nach Deutschland reisen, zum Petersberg. Ich bespreche es gleich mit Björn. Das Buch wird geschrieben und in Deutschland angekommen, versuche ich den Kontakt zu Britt wieder aufzubauen.«

       Zustimmend nickte Sven und sein Blick fiel noch einmal in die menschenleere Allee, zumindest dachte ich, dass die Allee menschenleer war. Wer sollte dort auch unterwegs sein?

       »Machs gut Hanna,« meinte Sven dann plötzlich und lief los, als wäre ein Bär hinter ihm her.

       Neugierig beobachtete ich sein Tun und sah in die Richtung, in die er gespurtet war und das immer noch in nasser Bekleidung.

       Schnell erkannte ich den Grund seines eiligen Fortlaufens und entsetzt hielt ich die Hand vor dem Mund.

       »Ich fasse es nicht. Das ist nicht möglich.«, murmelte ich mir selbst zu.

       Kaum hatte ich das ausgesprochen beobachtete ich, wie er mit Elan einem Mann an den Arm ergriffen und herumgerissen hatte.

       Herauszufinden, dass es sich bei der anderen Person um Flo handelte, war nicht schwierig. Es gab nur einen Menschen, den Sven so dermaßen aus seinem Gleichgewicht brachte.

       Zudem war die nun folgende Kommunikation der Beiden kaum zu überhören.

       Kommunikation war vielleicht recht milde ausgedrückt, es war wohl eher ein wütendes Anschreien.

       »Eben mischte ich mit, weil sich hier jeder mit jedem in den Haaren hing,«, begann Sven den Dialog.

       »Doch nun geht es hier Auge um Auge, denn nun bist du auch noch dafür verantwortlich, dass Britt die Flucht ergriffen hat. Zufrieden?« Sven zischte ihn an wie eine Natter.

       Karsten war über den Angriff, der ihn urplötzlich aus seiner Trauer riss, so überrascht, dass er Svens Worte gar nicht richtig wahrnahm.

       Sollte ich hinübergehen und mich einmischen? Schnell verwarf ich diesen Gedanken, es würde die Beiden nicht davon abhalten sich nun endgültig den Garaus zu machen. Irgendwie war ich froh, dass sich all die anderen hier verflüchtigt hatten, um sich trockene Bekleidung anzulegen.

       »Eines sage ich dir mein Freund, jetzt ist der Punkt erreicht, an dem gar nichts mehr geht. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Du bist schachmatt. Verstanden?« Sven hatte nicht vor, mit Karsten wieder wälzend auf dem Boden zu landen, doch den Schlagabtausch in Worten, den würde er ihm nun bieten und das nicht zu knapp.

       Fast vermutete ich, dass sich in der letzten Zeit bei ihm viel an Themen angesammelt hatte.

      

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