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bin ich ein ein­fluss­rei­cher Fi­nanz­ma­gnat, der auch Wur­zeln bei ei­nem Be­dui­nen­stamm hat, des­sen Ge­biet an das west­li­che Nil­del­ta grenzt.«

      Mit of­fe­nem Mund lausch­te Sa­rah sei­nen Wor­ten.

      »Es ist be­kannt und wird ak­zep­tiert, dass ich viel im Aus­land lebe. Dass ich dort Ge­schäf­ten nach­ge­he, die mich an­geb­lich zu ei­nem schwer­rei­chen Mann ge­macht ha­ben. Die­ser Be­sitz er­mög­licht es mir, auf vie­les Ein­fluss zu neh­men, und kei­ner zwei­felt mei­nen Sta­tus an.« Er zwin­ker­te ihr ver­schwö­re­risch zu. »Vor al­lem weil ich we­sent­li­che An­tei­le an wirt­schaft­lich wich­ti­gen ägyp­ti­schen Un­ter­neh­men hal­te.«

      Sa­rah klapp­te den Mund zu, und in ih­rem Kopf ging al­les wirr durch­ein­an­der.

      »Ich ver­steh gar nichts mehr«, sag­te sie re­si­gniert.

      »Ich wer­de ver­su­chen, dir al­les zu er­klä­ren, doch das braucht Zeit, und du musst of­fen sein, für vie­le un­glaub­li­che Din­ge.«

      »Das bin ich schon seit un­se­rer ers­ten Be­geg­nung, doch im­mer, wenn ich den­ke, ich habe eine Er­klä­rung, kommt et­was Neu­es dazu, mit dem al­les nur noch kom­pli­zier­ter er­scheint.«

      »Ich weiß und be­wun­de­re, wie du bis­her da­mit um­gehst.« Er lä­chel­te sie an. »Doch jetzt erst ein­mal zu dem, was wich­tig ist. Ich habe dich als eine be­deu­ten­de deut­sche Mit­ar­bei­te­rin an­ge­kün­digt, die mich be­glei­tet, weil wir eine be­gon­ne­ne Ar­beit noch nicht ab­ge­schlos­sen ha­ben. Alle wer­den dich mit Re­spekt be­han­deln, doch in mei­ner Ge­gen­wart soll­test du ei­ni­ges be­ach­ten. Vie­le, mit de­nen wir zu tun ha­ben wer­den, sind Mus­li­me, und du soll­test, wenn wir ge­mein­sam auf­tre­ten, an­ge­mes­sen ge­klei­det sein. Also mög­lichst ein Kleid, was Knie und El­len­bo­gen be­deckt und ein Kopf­tuch tra­gen.«

      Sa­rah schnapp­te nach Luft, und Gün­ter warf einen kur­zen Blick in ihr ent­rüs­te­tes Ge­sicht.

      »Du musst das nicht ma­chen, aber dann kann ich dich nicht über­all­hin mit­neh­men. Es wür­de mei­ne Po­si­ti­on un­ter­gra­ben, wenn ich mit ei­ner west­lich ge­klei­de­ten Frau auf­tre­te. Es muss auch nicht all­zu züch­tig aus­fal­len. Nicht je­des Haar muss un­ter dem Kopf­tuch ver­schwin­den, denn die meis­ten, de­nen wir be­geg­nen, ha­ben eine to­le­ran­te Ein­stel­lung Aus­län­dern ge­gen­über. Ver­su­che, dich für eine be­grenz­te Zeit an­zu­pas­sen, doch ohne dein In­ne­res auf­zu­ge­ben«, füg­te er mit ei­ner An­spie­lung auf sei­ne ja­pa­ni­sche Ge­schich­te hin­zu.

      Ge­ra­de die­se Wor­te mach­ten es ihr leich­ter, sei­nem Wunsch zu ent­spre­chen. »Ich be­sit­ze aber kei­ne sol­che Klei­dung«, be­merk­te sie zag­haft.

      »Das dach­te ich mir schon, und wir wer­den das Pas­sen­de be­sor­gen, wenn wir in Kai­ro sind.«

      Gün­ter ließ ihr Zeit, das eben Ge­hör­te zu ver­ar­bei­ten, und auch er über­leg­te, ob es rich­tig war, sie mit­zu­neh­men und all das von ihr zu ver­lan­gen. Er er­in­ner­te sich an vie­le Si­tua­tio­nen, in de­nen es ihm selbst schwer­ge­fal­len war, sich auf ein neu­es Um­feld ein­zu­stel­len. Schwei­gend leg­ten sie eine große Stre­cke zu­rück, und Gün­ter war so mit sich be­schäf­tigt, dass er nicht be­merk­te, wie Sa­rah ihn mehr­fach mus­ter­te. Sie schwank­te zwi­schen Ab­leh­nung, Neu­gier, Angst und Ver­trau­en, doch eine mäch­ti­ge Stim­me in ihr half, die Zwei­fel zu ver­trei­ben.

      »Was muss ich noch be­ach­ten, wenn wir in Ägyp­ten sind?«

      Die Un­ter­bre­chung der Stil­le riss Gün­ter aus sei­nen Grü­belei­en, und er brauch­te einen Mo­ment, um sei­ne Ge­dan­ken zu ord­nen. Sa­rah deu­te­te es an­ders und frag­te wei­ter:

      »Muss ich dann hin­ter dir ge­hen? Darf ich dich ohne Wei­te­res an­spre­chen? Oder ...«

      Er lach­te lei­se auf.

      »Du wirst für alle eine hoch­ge­stell­te Mit­ar­bei­te­rin sein, die sich nicht im Hin­ter­grund ver­ste­cken muss. Ich wer­de dich nach Mög­lich­keit im­mer mit ein­be­zie­hen und wenn mög­lich, über­set­zen oder Eng­lisch spre­chen. Das be­herrschst du doch, oder?«

      »Leid­lich, wenn es ohne Dia­lekt und nicht zu schnell ge­spro­chen wird.«

      Sa­rah blick­te die­sen jetzt ein we­nig fremd er­schei­nen­den Mann nach­denk­lich an.

      »Wie geht das mit meh­re­ren Iden­ti­tä­ten, und wie bist du zu ih­nen ge­kom­men?«, frag­te sie nach ei­ni­ger Zeit.

      Gün­ter hol­te tief Luft.

      »Ich habe die­se Fra­ge fast er­war­tet und weiß nicht, wie ich sie dir in Kür­ze auf eine zu­frie­den­stel­len­de Art und Wei­se be­ant­wor­ten soll.« Er hol­te noch ein­mal tief Luft und schüt­tel­te kaum merk­lich den Kopf. »Es wäre mir lie­ber, ich könn­te dir mei­ne Ge­schich­te auf die glei­che Art wie bis­her von An­fang bis Ende er­zäh­len, denn dann er­klärt sich al­les von selbst. Aber das ist jetzt nicht mög­lich.«

      Er mach­te eine klei­ne Pau­se und such­te nach dem pas­sen­den An­fang. Sa­rah war­te­te ru­hig, denn in sei­nem Ge­sicht konn­te sie einen Au­gen­blick lang wie­der die­sen tief sit­zen­den Schmerz se­hen, der sein Le­ben zu be­glei­ten schi­en.

      »Blei­ben wir jetzt erst ein­mal bei mei­ner ägyp­ti­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit. Gün­ter Kauf­mann hat schon am Be­ginn sei­ner Ge­schäftstä­tig­keit, einen er­trag­rei­chen Teil sei­nes Han­dels in und über Ägyp­ten ab­ge­wi­ckelt. Der Mann, der das er­mög­licht hat und ei­gent­lich auch die Grund­la­gen für die Fir­ma ge­schaf­fen hat, ist der Mann, des­sen Pass du in dei­nen Hän­den hältst.«

      Sa­rah be­merk­te, dass sie die Aus­weis­pa­pie­re im­mer noch krampf­haft fest­hielt. Sie sah sich das Pass­bild noch ein­mal an und leg­te dann al­les ins Hand­schuh­fach zu­rück.

      Gün­ter fuhr un­ter­des­sen un­be­irrt fort.

      »Der Name die­ses Man­nes, oder wenn du so willst, mein ara­bi­sche Name ist: Ka­rim bin Azmi bin Ha­lim Al-Kis­met­bahr.«

      Sa­rah stöhn­te auf, und Gün­ter lach­te lei­se.

      »Ja, ich weiß, was für eine end­los er­schei­nen­de Na­mens­fol­ge. Meist bleibt es auch bei Ka­rim Al-Kis­met­bahr, und nur bei spe­zi­el­len An­läs­sen wird er kom­plett ver­wen­det. Der letz­te Teil die­ses Na­mens ist sehr alt. Sei­ne Be­deu­tung geht auf ein Er­eig­nis zu­rück, das mit un­se­rer jet­zi­gen Rei­se zu­sam­men­hängt. Über­setzt be­deu­tet der Name: Ka­rim Sohn von Azmi Sohn von Ha­lim Al-Kis­met­bahr – vom Schick­sals­fluss.«

      »Vom Schick­sals­fluss?«

      »Ja, vor vie­len Ge­ne­ra­tio­nen wur­de die­ser, wir wür­den sa­gen Fa­mi­li­enna­me, von den Be­dui­nen kre­i­ert, weil das Schick­sal des Na­mens­trä­gers, des Stam­mes und des Flus­ses mit­ein­an­der ver­bun­den sind.«

      »Das ver­ste­he ich nicht. Dein deut­scher Name ist Kauf­mann, und du sagst selbst, du bist als Deut­scher ge­bo­ren, wie kannst du da einen solch al­ten ara­bi­schen Na­men ha­ben?«

      »Weil es eine Zeit­lang nicht nur einen Gün­ter Kauf­mann gab und weil man­ches nicht so ist, wie es zu sein scheint«, sag­te er mit be­drück­ter Stim­me.

      Sa­rah fuhr sich mit der Hand über die Au­gen und sag­te

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