ТОП просматриваемых книг сайта:
Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738079319
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Mit offenem Mund lauschte Sarah seinen Worten.
»Es ist bekannt und wird akzeptiert, dass ich viel im Ausland lebe. Dass ich dort Geschäften nachgehe, die mich angeblich zu einem schwerreichen Mann gemacht haben. Dieser Besitz ermöglicht es mir, auf vieles Einfluss zu nehmen, und keiner zweifelt meinen Status an.« Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Vor allem weil ich wesentliche Anteile an wirtschaftlich wichtigen ägyptischen Unternehmen halte.«
Sarah klappte den Mund zu, und in ihrem Kopf ging alles wirr durcheinander.
»Ich versteh gar nichts mehr«, sagte sie resigniert.
»Ich werde versuchen, dir alles zu erklären, doch das braucht Zeit, und du musst offen sein, für viele unglaubliche Dinge.«
»Das bin ich schon seit unserer ersten Begegnung, doch immer, wenn ich denke, ich habe eine Erklärung, kommt etwas Neues dazu, mit dem alles nur noch komplizierter erscheint.«
»Ich weiß und bewundere, wie du bisher damit umgehst.« Er lächelte sie an. »Doch jetzt erst einmal zu dem, was wichtig ist. Ich habe dich als eine bedeutende deutsche Mitarbeiterin angekündigt, die mich begleitet, weil wir eine begonnene Arbeit noch nicht abgeschlossen haben. Alle werden dich mit Respekt behandeln, doch in meiner Gegenwart solltest du einiges beachten. Viele, mit denen wir zu tun haben werden, sind Muslime, und du solltest, wenn wir gemeinsam auftreten, angemessen gekleidet sein. Also möglichst ein Kleid, was Knie und Ellenbogen bedeckt und ein Kopftuch tragen.«
Sarah schnappte nach Luft, und Günter warf einen kurzen Blick in ihr entrüstetes Gesicht.
»Du musst das nicht machen, aber dann kann ich dich nicht überallhin mitnehmen. Es würde meine Position untergraben, wenn ich mit einer westlich gekleideten Frau auftrete. Es muss auch nicht allzu züchtig ausfallen. Nicht jedes Haar muss unter dem Kopftuch verschwinden, denn die meisten, denen wir begegnen, haben eine tolerante Einstellung Ausländern gegenüber. Versuche, dich für eine begrenzte Zeit anzupassen, doch ohne dein Inneres aufzugeben«, fügte er mit einer Anspielung auf seine japanische Geschichte hinzu.
Gerade diese Worte machten es ihr leichter, seinem Wunsch zu entsprechen. »Ich besitze aber keine solche Kleidung«, bemerkte sie zaghaft.
»Das dachte ich mir schon, und wir werden das Passende besorgen, wenn wir in Kairo sind.«
Günter ließ ihr Zeit, das eben Gehörte zu verarbeiten, und auch er überlegte, ob es richtig war, sie mitzunehmen und all das von ihr zu verlangen. Er erinnerte sich an viele Situationen, in denen es ihm selbst schwergefallen war, sich auf ein neues Umfeld einzustellen. Schweigend legten sie eine große Strecke zurück, und Günter war so mit sich beschäftigt, dass er nicht bemerkte, wie Sarah ihn mehrfach musterte. Sie schwankte zwischen Ablehnung, Neugier, Angst und Vertrauen, doch eine mächtige Stimme in ihr half, die Zweifel zu vertreiben.
»Was muss ich noch beachten, wenn wir in Ägypten sind?«
Die Unterbrechung der Stille riss Günter aus seinen Grübeleien, und er brauchte einen Moment, um seine Gedanken zu ordnen. Sarah deutete es anders und fragte weiter:
»Muss ich dann hinter dir gehen? Darf ich dich ohne Weiteres ansprechen? Oder ...«
Er lachte leise auf.
»Du wirst für alle eine hochgestellte Mitarbeiterin sein, die sich nicht im Hintergrund verstecken muss. Ich werde dich nach Möglichkeit immer mit einbeziehen und wenn möglich, übersetzen oder Englisch sprechen. Das beherrschst du doch, oder?«
»Leidlich, wenn es ohne Dialekt und nicht zu schnell gesprochen wird.«
Sarah blickte diesen jetzt ein wenig fremd erscheinenden Mann nachdenklich an.
»Wie geht das mit mehreren Identitäten, und wie bist du zu ihnen gekommen?«, fragte sie nach einiger Zeit.
Günter holte tief Luft.
»Ich habe diese Frage fast erwartet und weiß nicht, wie ich sie dir in Kürze auf eine zufriedenstellende Art und Weise beantworten soll.« Er holte noch einmal tief Luft und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Es wäre mir lieber, ich könnte dir meine Geschichte auf die gleiche Art wie bisher von Anfang bis Ende erzählen, denn dann erklärt sich alles von selbst. Aber das ist jetzt nicht möglich.«
Er machte eine kleine Pause und suchte nach dem passenden Anfang. Sarah wartete ruhig, denn in seinem Gesicht konnte sie einen Augenblick lang wieder diesen tief sitzenden Schmerz sehen, der sein Leben zu begleiten schien.
»Bleiben wir jetzt erst einmal bei meiner ägyptischen Staatsangehörigkeit. Günter Kaufmann hat schon am Beginn seiner Geschäftstätigkeit, einen ertragreichen Teil seines Handels in und über Ägypten abgewickelt. Der Mann, der das ermöglicht hat und eigentlich auch die Grundlagen für die Firma geschaffen hat, ist der Mann, dessen Pass du in deinen Händen hältst.«
Sarah bemerkte, dass sie die Ausweispapiere immer noch krampfhaft festhielt. Sie sah sich das Passbild noch einmal an und legte dann alles ins Handschuhfach zurück.
Günter fuhr unterdessen unbeirrt fort.
»Der Name dieses Mannes, oder wenn du so willst, mein arabische Name ist: Karim bin Azmi bin Halim Al-Kismetbahr.«
Sarah stöhnte auf, und Günter lachte leise.
»Ja, ich weiß, was für eine endlos erscheinende Namensfolge. Meist bleibt es auch bei Karim Al-Kismetbahr, und nur bei speziellen Anlässen wird er komplett verwendet. Der letzte Teil dieses Namens ist sehr alt. Seine Bedeutung geht auf ein Ereignis zurück, das mit unserer jetzigen Reise zusammenhängt. Übersetzt bedeutet der Name: Karim Sohn von Azmi Sohn von Halim Al-Kismetbahr – vom Schicksalsfluss.«
»Vom Schicksalsfluss?«
»Ja, vor vielen Generationen wurde dieser, wir würden sagen Familienname, von den Beduinen kreiert, weil das Schicksal des Namensträgers, des Stammes und des Flusses miteinander verbunden sind.«
»Das verstehe ich nicht. Dein deutscher Name ist Kaufmann, und du sagst selbst, du bist als Deutscher geboren, wie kannst du da einen solch alten arabischen Namen haben?«
»Weil es eine Zeitlang nicht nur einen Günter Kaufmann gab und weil manches nicht so ist, wie es zu sein scheint«, sagte er mit bedrückter Stimme.
Sarah fuhr sich mit der Hand über die Augen und sagte