Скачать книгу

sie ihm ein, und Gün­ter blick­te sie mit wach­sen­der Ver­wun­de­rung an.

      »Ja, wo­her weißt du das?«

      Sie schüt­tel­te den Kopf, ver­schwen­de­te aber kei­ne Zeit, um wei­ter dar­über nach­zu­den­ken.

      »Ich habe kei­ne Ah­nung. Ich weiß es ein­fach.«

      Nach­dem sie auch ihre Tas­se bis zum Rand ge­füllt hat­te, setz­te sie sich und sah sin­nend auf den Tisch.

      »Mir ist, als wäre es schon im­mer so ge­we­sen. Als hät­te ich schon über vie­le Jah­re dei­ne Ge­wohn­hei­ten stu­diert. Ich war mir si­cher, dass ein sol­ches ge­mein­sa­mes Früh­stück, ei­ner dei­ner größ­ten Wün­sche ist.«

      Gün­ter nahm ihr ge­gen­über Platz und such­te den Blick­kon­takt. Er woll­te in ih­ren Au­gen se­hen, ob sie die Wahr­heit sprach oder nur gut ge­ra­ten hat­te. Sa­rah wich ihm nicht aus, und es er­schi­en Gün­ter, als hät­te er die­se Au­gen noch nie­mals ge­se­hen. Sie wirk­ten un­er­gründ­lich tief und er­zeug­ten eine ge­wis­se Be­klem­mung bei ihm. Er zuck­te zu­sam­men und dach­te: fast wie die Au­gen Ka­zu­kos. Be­schämt senk­te Gün­ter sei­ne Li­der, denn er war ver­sucht, in ihre Ge­dan­ken ein­zu­drin­gen.

      War das noch die­sel­be Frau, die er vor we­ni­gen Ta­gen mit Selbst­mord­ge­dan­ken ge­trof­fen hat­te? Es schi­en kaum mög­lich, denn ihm ge­gen­über saß eine selbst­be­wuss­te Per­sön­lich­keit, und er konn­te ihre kraft­vol­le Aura se­hen. Sein Blick wan­der­te über den Tisch und blieb an der Ker­ze hän­gen. Die klei­ne Flam­me zau­ber­te wie­der ein Lä­cheln auf sein Ge­sicht, und kurz be­vor die ein­ge­tre­te­ne Stil­le die Stim­mung zer­stör­te, griff er zu ei­nem Bröt­chen und sag­te:

      »Du hast recht, ein sol­ches Früh­stück habe ich schon lan­ge ver­misst. Wenn man al­lein ist, fällt es oft sehr spar­ta­nisch aus, und trüb­sin­ni­ge Ge­dan­ken ge­win­nen schnell die Ober­hand.«

      Beim Es­sen spra­chen sie nur über be­lang­lo­se Din­ge. Sa­rah ent­schul­dig­te sich, weil sie in sei­nen Schrän­ken nach Ge­schirr und an­de­rem ge­sucht hat­te, doch Gün­ter wink­te nur ab und er­kun­dig­te sich, bei wel­chem Bä­cker sie ge­we­sen sei. Bei der Er­ör­te­rung sol­cher all­täg­li­chen The­men lang­ten bei­de kräf­tig zu. Doch als sie ge­sät­tigt wa­ren und sich mit frisch ge­füll­ten Kaf­fee­tas­sen ge­gen­über­sa­ßen, such­te Gün­ter wie­der den Blick­kon­takt.

      »Warum hast du mir ver­schwie­gen, dass du Tai-Chi be­herrschst?«

      Sa­rah lach­te lei­se auf, schlürf­te, ohne den Blick zu lö­sen, an ih­rem hei­ßen Kaf­fee und ant­wor­te­te:

      »Zum einen habe ich bei un­se­rem bis­he­ri­gen Zu­sam­men­sein noch nicht viel sa­gen kön­nen, denn ich woll­te in dei­ne Ge­schich­te ein­tau­chen. Und zum an­de­ren wuss­te ich es bis zum heu­ti­gen Mor­gen auch noch nicht.«

      Mit un­gläu­bi­gem Blick lehn­te er sich, die Tas­se in der Hand, zu­rück. Er hat­te kei­nen Grund, an der Wahr­heit ih­rer Wor­te zu zwei­feln, und doch er­schie­nen sie ihm kaum glaub­haft.

      »Das sah aber an­ders aus. Die Grund­la­gen sind da, nur eine gute An­lei­tung scheint dir zu feh­len. Den­noch wa­ren die Be­we­gun­gen gut mit der At­mung ko­or­di­niert. Auch die Ab­läu­fe wa­ren wie die mei­nen, ex­akt so ...«

      Gün­ter ver­schüt­te­te fast den Kaf­fee bei dem Ge­dan­ken, der ihm eben ge­kom­men war. Zum zwei­ten Mal an die­sem Tag blick­te er die jun­ge Frau mit un­gläu­bi­gem Stau­nen an. Sie schi­en sei­ne Ge­dan­ken zu er­ra­ten, denn sie sag­te:

      »Ja, ich den­ke auch, dass du mir beim Er­zäh­len dei­ner Ge­schich­te mehr von dir ge­ge­ben hast, als dir be­wusst war. Nach­dem ich die Früh­stücks­vor­be­rei­tun­gen ab­ge­schlos­sen hat­te, woll­te ich mich im Gar­ten in die Son­ne set­zen und auf dich war­ten. Doch ich hat­te das Ge­fühl, dass et­was fehlt zum Start in den Tag, und ohne dar­über nach­zu­den­ken, be­gann ich mit den Übun­gen. Ich konn­te mich fal­len las­sen, und al­les ging wie von al­lein. Bis du kamst und mir be­wusst wur­de, was ich tat.«

      Nach­denk­lich nahm Gün­ter einen großen Schluck aus der Tas­se.

      »Konn­test du eben mei­ne Ge­dan­ken le­sen?«, frag­te er mit ei­nem Stirn­run­zeln.

      »Nein, je­den­falls nicht be­wusst. Ich hat­te nur ir­gend­wie den Ein­druck, dass du ge­nau das dach­test.«

      Sie horch­te in sich hi­n­ein und sag­te zö­gernd:

      »Aber viel­leicht könn­te ich es, wenn ich woll­te ... Doch will ich das wirk­lich?«

      Sin­nend sa­hen sie sich an, und Gün­ter woll­te eben eine wei­te­re Fra­ge stel­len, als das Te­le­fon sich mel­de­te. Un­wil­lig wen­de­te er den Kopf, doch erst beim drit­ten Klin­geln er­hob er sich.

      »Ent­schul­di­ge bit­te. Ich wer­de seit ei­ni­ger Zeit sehr sel­ten an­ge­ru­fen und wenn doch, ist es meist wich­tig.«

      Nach­dem er sich mit knap­pen Wor­ten ge­mel­det hat­te, lausch­te er ge­spannt sei­nem Ge­sprächs­part­ner. Sa­rah konn­te des­sen auf­ge­reg­te Stim­me hö­ren, ver­stand aber kein Wort. Gün­ters Züge ver­än­der­ten sich. Er wirk­te be­trof­fen, fast be­stürzt und ant­wor­te in Ara­bisch. Sa­rah konn­te den Blick nicht von ihm wen­den. Die­ser Mann of­fen­bar­te im­mer mehr Ge­heim­nis­se, und die woll­te sie auf je­den Fall er­grün­den. Ver­schwom­me­ne Bil­der nah­men in ih­rem Geist Ge­stalt an. Be­ruh­ten sie auf ei­nem un­er­klär­li­chen Wis­sen, oder wa­ren es Pro­duk­te ih­rer Fan­ta­sie?

      Nach ei­ni­ger Zeit be­en­de­te Gün­ter das Ge­spräch und sin­nend starr­te er an die Wand. Doch das währ­te nur kurz. Er wähl­te aus dem Kopf eine end­los er­schei­nen­de Num­mer und be­gann un­ge­dul­dig hin und her zu lau­fen. Nach dem Zu­stan­de­kom­men der Ver­bin­dung blieb er mit dem Ge­sicht zur Ter­ras­se ste­hen. Eine hit­zi­ge, in Ara­bisch ge­führ­te De­bat­te, folg­te. Als er et­was ru­hi­ger wur­de und sich um­dreh­te, fiel sein Blick auf Sa­rah. Gün­ter stock­te kurz, dreh­te sich wie­der um und schloss das Ge­spräch mit we­ni­gen Sät­zen ab.

      Nach­dem er den Hö­rer auf die Ba­sis­sta­ti­on ge­legt hat­te, strich er sich mit der Hand übers Ge­sicht und wand­te sich an Sa­rah:

      »Es tut mir leid, ich hat­te dich für einen Mo­ment völ­lig ver­ges­sen.«

      Weil Sa­rah be­merk­te, dass sie ihn im­mer noch wie ein Wun­der­tier an­starr­te, senk­te sie be­schämt den Blick. »Schon in Ord­nung. Das Ge­spräch schi­en ja wirk­lich wich­tig ge­we­sen zu sein.«

      »Ja, für mich war die In­for­ma­ti­on sehr wich­tig und des­halb muss ich auch so schnell wie mög­lich nach Ägyp­ten.«

      Sa­rah riss die Au­gen auf.

      »Du willst fort? Jetzt, aber warum? Ich muss doch noch so vie­les wis­sen, ich …«

      Gün­ter konn­te die Be­stür­zung in ih­ren Au­gen er­ken­nen, auch er fühl­te sich bei dem Ge­dan­ken nicht wohl, den Kon­takt für un­be­stimm­te Zeit ab­zu­bre­chen. Doch schnell hat­te er eine Lö­sung ge­fun­den.

      »Hast du für die nächs­ten Wo­chen ir­gend­wel­che Ver­pflich­tun­gen?«

      »Nein, mei­ne«, sie such­te nach dem rich­ti­gen Wort, »Ar­beit er­folg­te auf Ho­no­r­ar­ba­sis, und ich habe seit

Скачать книгу