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Traum oder wahres Leben. Joachim R. Steudel
Читать онлайн.Название Traum oder wahres Leben
Год выпуска 0
isbn 9783738079319
Автор произведения Joachim R. Steudel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Joachim R. Steudel
TRAUM ODER WAHRES LEBEN
Kismetbahr - Der Schicksalsfluss
Inhaltsverzeichnis
Vorbereitungen und Bestattung
Seelenqualen und Seelenfrieden
Überstürzter Aufbruch
Die Sonne war schon so weit über die Wipfel des angrenzenden Waldes gestiegen, dass ihre Strahlen ins Schlafzimmer von Günter Kaufmanns Haus fielen. Nichts trübte ihre Kraft am wolkenlosen Himmel, und die Wärme auf Günters Gesicht veranlasste ihn dazu, die Augen zu öffnen. Er saß noch genauso am Fußende vor dem Bett, wie er sich am Abend zuvor in Meditationshaltung niedergelassen hatte. Die Hände im Schoss bildeten das mida-no-jouin Mudra, und sein aufgewühlter Geist war zur Ruhe gekommen. Es war für ihn immer wieder der beste Weg, um sein inneres Gleichgewicht zu erlangen.
Er schaute auf seine Hände, und ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. Wie oft war es auf Unverständnis gestoßen, wenn er meditierte oder andere asiatische Praktiken ausführte. Fast immer gingen die anderen dann davon aus, dass er Buddhist sei, und wenn er ihnen erklärte, dass er dem christlichen Glauben anhing, wollten sie es kaum glauben. Für die meisten war es ein Widerspruch, für ihn nicht. Er konnte dadurch seine innere Kraft stärken, seinen Geist von äußeren Einflüssen befreien und seinen Glauben viel stärker leben als manch anderer.
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee stieg ihm in die Nase, und seine Gedanken kehrten zu den letzten Ereignissen zurück. Er hatte mit Sarah Liebherr eine seiner prägenden Erinnerungen geteilt. Sie war danach fast genauso aufgewühlt gewesen wie er und hatte Bedenken wegen der nächtlichen Heimfahrt geäußert. Sein Angebot, sie möge das Gästezimmer nutzen, nahm sie dankbar an und nun war sie anscheinend schon dabei, das Frühstück vorzubereiten.
Günter erhob sich und ging ins Bad. Bei der Morgentoilette kehrten seine Gedanken zu Sarah zurück. Anscheinend hatte er ihr helfen können. Die Lebenseinstellung der jungen Frau hatte sich wieder geändert, und als sie vor dem Schlafengehen noch ein Glas Wein tranken, sah er in ihren Augen eine innere Stärke, die vorher nicht wahrnehmbar war.
Wie würde es jetzt weitergehen? Sollte er ihr noch mehr von seinem Leben erzählen? Könnte sie es überhaupt akzeptieren, wenn er es bei dem Bisherigen belassen würde? Vermutlich nicht. Eine innere Stimme sagte ihm, dass ihn mehr mit dieser Frau verband. Nicht nur diese zwei Tage, an denen er ihr von seinem Leben erzählt hatte. Da war noch etwas, was er nicht definieren konnte. Eine Verbindung, die tiefer ging, anders als alles bisher Erlebte.
Als Günter das Wohnzimmer betrat, durchströmte ihn ein Gefühl der Wärme. Der Tisch war liebevoll für zwei Personen gedeckt. Frische Brötchen, Marmelade, Honig, Wurst und Käse, ja sogar frisch gekochte Eier standen bereit. Eine noch nicht entzündete Kerze zierte die Mitte, und aus der Küche wehte der Geruch von frischem Kaffee herein. Vieles davon hatte er gar nicht im Haus gehabt. Sarah musste schon vor einiger Zeit aufgestanden sein und all das besorgt haben.
Günter warf einen Blick in die Küche, konnte sie aber nicht entdecken. Die leichte Morgenbrise bewegte die Gardine vor der Terrassentür. Er ging hin und schob sie zur Seite. Dann erstarrte er, und mit ungläubigem Staunen ruhte sein Blick auf Sarah.
Hoch konzentriert führte die junge Frau Tai-Chi-Übungen aus. Das Gesicht der aufsteigenden Sonne zugewandt, die Augen fast geschlossen, schien sie nichts von ihrer Umgebung wahrzunehmen. Die Bewegungen wirkten ein wenig ungelenk, und sie steckte mehr Kraft hinein als nötig. Doch die Abläufe waren wie seine eigenen. Mit leisen Schritten ging er schräg hinter sie und fiel in ihre Bewegungen ein. Sie bemerkte es und wollte abbrechen.
»Nein, bitte nicht. Mach weiter, es ist die schönste Art, den Morgen zu beginnen.«
Sarah folgte seiner Aufforderung, aber ihre Bewegungen wurden unsicher, und ihre Atmung war nicht mehr synchron dazu. Günter ging zwei Schritte nach vorn, damit sie ihn sehen konnte. Sarah orientierte sich an seinen Abläufen, und schon bald bewegten sich die beiden im Gleichklang.
Nach etwa zehn Minuten brach er ab, da er bemerkte, dass ihre Kraft nachließ. Günter drehte sich zu ihr um, verbeugte sich mit dem Shaolin-Gruß vor ihr und sagte lächelnd:
»Danke für diesen wunderschönen