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4. Die St. Galler Mönche erbeten Wein

       In der stattlichen Abtei St. Gallen war große Sorge

       um den lieben Wein. Es war eben ein durstiges Jahr

       gewesen und lange Jahre nichts Erkleckliches nachgewachsen;

       nur noch zween Ohmfässer lagerten voll in

       dem großen Abteikeller, die reichten voraussichtlich

       nicht mehr weit, und dann wäre den frommen Vätern

       eine weinlose, schier schreckliche Zeit gekommen. Da

       wendete Gott das Herz eines frommen und heiligen

       Mannes, des Bischof Adalrich in der alten Stadt

       Augsburg, daß er den nicht weniger frommen Vätern

       zu St. Gallen ein ganzes Stückfaß voll Wein in ihre

       Abtei verehrte. Da kam aber die Nachricht nach St.

       Gallen, das Faß sei unterwegs im Rhein ertrunken,

       der Fuhrmann habe auf der steilen Brücke über den

       Fluß in der Nähe des Bodensees die Pferde allzuhart

       angetrieben, da sei die Achse gebrochen und das Faß

       hinab in den Strudel gestürzt. Das war ein Schrecken!

       Ohne Säumen berief der Abt den Konvent, und bald

       wallte eine lange Prozession mit Kreuz und Kirchenfahnen

       und Heiligenbildern von St. Gallen herab,

       sang und betete und kniete am Strudel, und die Küper

       des Klosters suchten mit Stricken das Faß zu fahen,

       das glücklicherweise noch unversehrt war und im

       Strudel tanzte. Wäre der Strudel nicht gewesen, so

       wäre das Stückfaß längst in den Bodensee geflossen,

       und ward allda ersichtlich, wozu manchmal ein Strudel

       gut ist. Nach mancher Mühe gelang es unter

       Gebet und Fürbitte der lieben Gottesheiligen, das

       Stückfaß an den Strand zu ziehen, und nun wurde es

       bekränzt und im Triumphe nach der Abtei geführt,

       allwo ein Dankfest mit einem Te Deum laudamus

       und vielen Trankopfern gefeiert ward.

       Solches ist wahr und wahrhaftig geschehen, aber

       »das Märlein gar schnurrig« vom Abt von St. Gallen

       und dem Kaiser mit den drei Fragen hat sich mitnichten

       alldort begeben, sondern mit einem Abt von Kentelbury

       in Altengland, und ward nur durch Dichtermund

       auf deutschen Boden verpflanzt.

       5. Dagoberts Zeichen

       Es war ein König im Frankenreiche, Dagobert, ein

       Sohn Chlotars und Herr über Austrasien. Von dessen

       Taten leben noch in Sagen viele Kunden. Er führte

       große Kriege gegen die Sachsen und war dabei fromm

       und kostfrei. Selbst gegen Tiere übte er Milde, und es

       ging von ihm das Sprüchwort im Volke um: Wann

       König Dagobert gegessen hat, so läßt er auch seine

       Hunde essen, und eine andere Rede ward ihm nachgesagt,

       daß er auf seinem Sterbelager zu seinen Hunden

       gesprochen habe: Ihr guten Hunde, es ist doch keine

       Gesellschaft im Leben also gut, daß man sie nicht

       verlassen und von ihr abscheiden müsse. – Auf seinen

       Zügen drang König Dagobert auch bis in das Schweizer

       Alpenland und bis dahin, wo man die Landschaft

       vorzugsweise das Rheintal nennt, und ließ dort in die

       Talfelsen einen großen halben Mond einhauen, als

       Grenzzeichen seines Reiches.

       Da es mit dem guten Könige Dagobert zum Sterben

       gekommen war, erfaßten die Teufel seine Seele

       und brachten sie auf ein Schiff, mit ihr von dannen zu

       fahren. Solches ließ Gott der Herr geschehen, weil der

       König noch nicht gereinigt und gelöset war von aller

       Schuld. König Dagobert hatte aber einen Freund am

       heiligen Dionysius, dessen Gebeine er dereinst aufge-

       funden mit Hülfe seiner so sehr geliebten Hunde, und

       welchen Heiligen der König stets in stärksten Ehren

       hielt, dafür dieser ihn auch stetiglich schirmte und

       schützte. Da nun, als Dagobert verstorben war, erbat

       der Heilige die Erlaubnis von Gott dem Herrn, des

       Königs Seele zu retten, und als er die erhalten, fuhr er

       im Geleite anderer Gottesheiligen und vieler Engel

       zur See und dem Schiffe nach, darauf die Teufel mit

       Dagoberts Seele waren. Darauf entspann sich ein harter

       Kampf zwischen Engeln, Heiligen und Teufeln um

       des Königs Seele, in welchem die ersteren Sieger blieben,

       und trugen alsbald die Engel die Seele Dagoberts

       in den Schoß der ewigen Gnade, die Heiligen aber

       kehrten in das himmlische Paradies zurück.

       6. Die Tellensage

       Lieder und Chroniken des Schweizerlandes preisen

       den Tell als den Befreier von hartem und lastendem

       Druck, als den Schöpfer der Schweizerfreiheit, und in

       alle Lande ist sein Ruhm erklungen, und ist ewig fortlebend

       und unaustilgbar.

       Es war zu den Zeiten, da Kaiser Albrecht von

       Österreich regierte, der war ein strenger und heftiger

       Herr und suchte, daß er sein Land mehre; so kaufte er

       viele Städte, Flecken und Burgen in dem Schweizerland,

       setzte auch in dieselben Landvögte ein, die in

       seinem Namen regierten. Drei Schweizerstädte und

       Landschaften aber wollten nichts von dem Österreicher

       wissen noch haben; da sandte ihnen der Kaiser

       zwei edle Boten, den Herrn von Liechtenstein und den

       Herrn von Ochsenstein, die mußten den Orten vortragen,

       daß sie sich doch sollten in Österreichs Schutz

       und Schirm begeben, da könnten sie es mit der ganzen

       Welt aufnehmen und ihr trutzen, wollten sie das aber

       nicht, so wolle der Österreicher ihr Feind sein, und

       sollten sie sich nichts Gutes von ihm zu versehen

       haben. Aber da sprachen die Männer von Schwyz:

       Liebe Herren, wir wollen dem Hause Österreich gern

       in allen Ehren zu Lieb und zu Dienst sein, aber wir

       wollen doch bei unsrer alten Freiheit bleiben, die

       noch niemalen ein Fürst oder Herzog angetastet hat. –

       Auf diese Rede brachen die Abgesandten rasch auf

       und ritten stracks nach Uri und Unterwalden, dort,

       dachten sie, würden

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