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einer Österreich umfassenden

       Sammlung hervorzutreten, sobald der Erfolg der vorliegenden

       dazu ermutigt.

       Es sei vergönnt, über das Sagensammeln hier ein

       Wort zu sagen; leider gibt sich an dieses gar manche

       unberufene Hand, die jener Hand von Ährenlesern

       gleicht, welche aus den Garben rauft, die zu Mandeln

       gehäuft noch auf dem Acker stehen, und da erntet, wo

       sie nicht gesäet hat. – Wir alle, die wir dieses Gebiet

       anbauen, können nicht der Schriftquellen, nicht der

       Bücher entraten, aber die Quellenangabe beschönigt

       und rechtfertigt noch keineswegs den offenbaren

       Nachdruck, der von vielen literarischen Langfingerern

       behufs sogenannter Auswahlen und Mustersammlungen

       ausgeübt wird, die sorglos und mühelos anderer

       Fleiß und Talent und ihrer Verleger Kosten ausbeuten.

       Der Sagensammler muß sich neben seinen

       Schriftquellen doch auch durch Gebirg und Wald und

       Flachland selbst in etwas bemüht, irgend einige Sagenblüten

       gefunden, einige schöne Steine zum großen

       deutschen Sagentempelbau selbst herbeigetragen

       haben, irgend etwas von ihm Neugefundenes vorzeigen,

       sonst ist er ein Tropf und nicht ebenbürtig, mitzuringen

       auf dieser olympischen Arena. –

       Auf mein eignes Leben warf schon frühzeitig der

       Sage süßer wunderbarer Reiz seine Morgenstrahlen.

       Als Jüngling wanderte ich in einem sagenreichen Gau

       Thüringens umher und freute mich am Duft der schönen

       Wunderblume Poesie. Ilm und Gera, die Fluren

       von Arnstadt und Erfurt, der Drei Gleichen nachbarliche

       Burgen und sagendurchklungene Haine boten in

       Fülle ihren Stoff, doch lange nachher lernte ich der

       Sagen Geheimnis, ihren ganzen Zauber, erst recht erkennen,

       und lernte daran niemals aus. Ich sammelte

       anfangs mehr ins Gemüt als in Bücher, versuchte nur

       schüchtern, die Sage in poetisches Gewand zu kleiden,

       und stand später davon ab, als ich durchfühlen

       lernte, daß der Dichter ihr nur selten wohl tut, wenn er

       bemüht ist, sie zu schmücken, obschon er dies letztere

       zu tun vollberechtigt ist. In den Sagensammlungen

       der Länder Thüringen und Franken, welche zwar Beifall,

       aber bis jetzt noch nicht die längst vorbereiteten

       Fortsetzungen fanden, betrat ich den von den Brüdern

       Grimm vorgezeichneten Weg schlichter einfacher

       Darstellung und Wiedergabe, sowohl des Chronikenstoffes

       als jenes dem Volksmund selbst entnommenen.

       Ich bin den Sagen viel und lange nachgegangen

       und nachgezogen; im Thüringerwalde kenne ich so

       ziemlich jeden Weg und Steg; ich überwanderte Harz

       und Riesengebirge, Rhön und Spessart; ich stand auf

       dem Aachener, auf dem Kölner Dom und auf dem

       Straßburger Münster; des Neckars, des Lech, des

       Rhein- und Mainstromes wie der Donau Wellen hab'

       ich fließen sehen. Ich hörte den Bach der Reismühle

       rauschen, der von Karl des Großen Geburt erzählt,

       und umwandelte des Untersbergs und des Watzmann

       sagenreiche Hochgipfel. Vielleicht sieht mancher diesem

       Buche die Quelle eigner Wahrnehmung an, die

       am Ende noch mehr wert ist als die Quelle trockner

       Schriftüberlieferung. Letztere nun bei jeder Sage anzuführen,

       erschien mir für meinen Zweck dieses Mal

       nicht nötig; wer die Quellen für den wissenschaftlichen

       Zweck braucht und sucht, findet sie bereits in

       Grimms und vielen andern Sammlungen, und da, wo

       ich Selbstgefundenes mitgeteilt, jedesmal durch ein

       »mündlich« den Leser mit der Nase darauf zu stoßen,

       daß er meinem Findeglück diese Sage verdanke, dürf-

       te wohl allzu eitel erscheinen. –

       Bei dem Umfange, der dieser Sammlung zugedacht

       wurde, und der sich noch während des Drucks über

       das anfangs gesetzte Ziel erweiterte, galt es zunächst,

       sich klar zu werden über Anlage und Gliederung, und

       nach reiflichem Überlegen, ob chronologisch nach

       Mythe und Geschichte, ob nach Ländern oder Stromgebieten,

       nach Gebirgszügen usw. die Sammlung anzulegen

       sei – wurde sich für die Form einer idealen

       Sagen-Wanderung entschieden, die keinen Schlagbaum

       und keine politische Grenze kennt, keine Paßkarte

       braucht, nötigenfalls gleich Eppela von Gailing

       einen tüchtigen Sprung nicht scheut und von einem

       Völkergebiet in das andere schreitet, das jedem dieser

       Gebiete hauptsächlichst Eigene vor Augen bringt.

       Enge Landesgrenzen beachtete ich, wie der Leser

       sieht, auf dieser Wanderung keinesweges. Die Sage

       ist patriotischer wie die Politik; sie gibt nichts her von

       Deutschland, sie läßt von ihrem heimischen Gebiet

       nicht rupfen und zupfen im Süden, Westen, Norden

       und Osten; sie behauptet und verteidigt, was einmal

       deutsch ist, und hält es eisern fest.

       Die Wanderung beginnt am Ursprung des Rheins,

       folgt des letzteren Strömung durch das Schweizerland,

       streift in das Elsaß, berührt die Pfalz, die Wetterau,

       das Moselland, Lothringen und Luxemburg;

       steigt zum Niederrhein und Niederland hinab bis

       Friesland, grüßt Helgoland und das alte Dithmarschen,

       durchgeht Schleswig und Holstein, Mecklenburg

       und Pommern, West- und Ostpreußen mit ihren

       Ostsee- und Bernsteinküsten, und dann läßt sich der

       Wanderer auf den Flügeln der Kobolde von der russischen

       Grenze schnell hinweg in das Lüneburger Land

       tragen.

       Auf Westfalens roter Erde durchschreitet und

       durchkreuzt er ein sagenreiches Gebiet, bis er abermals

       den Schritt ostwärts lenkt, um die Marken zu

       durchirren. Von da zieht es ihn wieder zurück nach

       dem westfälisch-hessischen Boden, nach des Harzwalds

       Bergen und Burgen, nach des Kyffhäusers

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