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von uns aus und auf andere über, Gedanken beeinflussen aber auch den eigenen Körper aufs Stärkste. Damit wäre in der Tat der Gegensatz zwischen Materialismus und Idealismus aufgehoben.

      Wem der ganze Gedankengang dieser Bücher zu phantastisch erscheint, wer die Macht des Gedankens hier weit überschätzt findet, dem mögen folgende Worte Mut machen, das hier Gesagte doch zu beherzigen, Worte, deren Sprecher gewiss im wohlgegründeten Ruf eines nüchternen Denkers steht. Kein geringerer als Kant hat einen Aufsatz geschrieben, der in dem „Streit der Fakultäten“ (1798) versteckt, aber z. B. in Reclams Universalbibliothek allgemein zugänglich ist und den Titel führt: „Von der Macht des Gemüts, durch den bloßen Vorsatz seiner krankhaften Gefühle Meister zu sein.“ Dort heißt es: „Ein vernünftiger Mensch statuiert keine Hypochondrie; sondern wenn ihn Beängstigungen anwandeln, die in Grillen, d. h. selbst ausgedachte Übel ausschlagen wollen, so fragt er sich, ob ein Objekt derselben da sei. Findet er keines, welche begründete Ursache zu dieser Beängstigung abgeben kann, oder sieht er ein, dass wenn auch gleich ein solches wirklich wäre, doch dabei nichts zu tun möglich sei, um seine Wirkung abzuwenden, so geht er mit diesem Anspruch seines inneren Gefühls zur Tagesordnung, d. i. er lässt seine Beklommenheit an ihrer Stelle liegen (als ob sie ihn nichts anginge) und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Geschäfte, mit denen er zu tun hat.“

      Auch hier sind, wie in den früheren Übersetzungen, an einigen Stellen deutsche Dichterworte eingefügt, wo diese das vom Verfasser Gesagte in klassischer Form aussprechen, diesmal nur solche von Goethe.

      Fremdwörter sind auch in dieser Übersetzung nicht anzutreffen, außer so unbedingt nötige wie etwa Natur, Charakter u. a. Die wenigen Kunstausdrücke, die sonst vorkommen, sind alle im Zusammenhang selbst erklärt.

      Für die Leser, die etwas Näheres von dem Verfasser des Buches wissen wollen, wird ein kurzer Abriss seines Lebens- und Bildungsganges hier angefügt.

      Dr. Orison Swett Marden ist geboren in Thornton, New Hampshire, 1858 und studierte in Boston Rechtswissenschaft und Heilkunde. Er gibt jetzt die Zeitschrift „Success Magazine“ (Magazin des Erfolges) heraus, und hat eine Menge größerer und kleinerer Schriften geschrieben. Die erste davon, Pushing to the Front (Wie man an die Spitze kommt) 1894, hat über hundert Auflagen und viele Übersetzungen erlebt. Die Titel einiger anderer Schriften sind: „Rising in the world or architects of fate“ (Wie man in der Welt voran kommt oder Schmied seines Glückes) 1895; The secret of achievement (Das Geheimnis des Vollbringens) 1898; Character, the grandet thing in the world (Der Charakter, das Größte in der Welt) 1899; Cheerfulness as a life-power (Heiterkeit – eine Lebenskraft) 1899; An iron will (Ein eiserner Wille) 1901; The young man entering business (Der junge Mann beim Eintritt ins Geschäft) 1903; The power of personality (Die Macht der Persönlichkeit) 1906; The optimistic life (Das Leben des Optimisten) 1907. Das vorliegende Buch „Every man a king, or might in mind-mastery“ erschien 1906.

      Was Verleger und Übersetzer von diesem Buche hoffen, das ist, dass als echt amerikanische Gegengabe für das Geschenk unsres deutschen Idealismus das männliche, kraftvolle, furchtlose und hoffnungsfreudige Selbstvertrauen, das aus ihm spricht, seine Wirkung auf den deutschen Leser nicht verfehlen möge.

      Marburg i. H., Oktober 1908.

      Dr. Max Christlieb

      1. Das Steuer des Gedankens bewahrt das Lebensschiff vor dem Untergang.

      Durch Gedanken schaffen wir uns unsere Zukunft, gut oder übel, wir wissen es nur nicht. So ist auch das ganze All durch Gedanken gemacht. Gedanke ist nur ein anderer Name für Schicksal, also wähle dir dein Schicksal selbst! Liebe bringt Liebe und Hass bringt Hass.

       Ella Wheeler Wilcox.

      Ein Mann, der nicht sehr viel gelernt hatte, erbte ein Schiff. Er verstand nichts von allem, was zum Seewesen gehört, nichts vom Segeln und nichts von Maschinen, aber der Gedanke, als Befehlshaber seines eigenen Schiffes eine Reise zu machen, reizte ihn. Das Schiff wurde flott gemacht und der selbsternannte Kapitän ließ die Mannschaft zunächst ihre verschiedenen Arbeiten allein machen, da das Vielerlei der Aufgaben ihn verwirrte. Auf hoher See wurde die Sache einfacher und er hatte nun Zeit, alles genau zu beobachten. Als er an Deck hin und her ging, sah er einen Mann an einem großen Rad drehen, mal nach der einen, mal nach der andern Richtung. „Was zum Henker macht der Kerl da?“ fragte er. „Das ist der Steuermann“, hieß es, „er steuert das Schiff.“ „Ich sehe keinen vernünftigen Sinn in diesem Hin- und Herdrehen. Wir haben nichts als Wasser vor uns und ich meine, die Segel genügen zur Fahrt. Wenn Land in Sicht kommt oder ein Schiff uns begegnet, dann ist’s noch Zeit genug zum Steuern. Setzt alle Segel und lasst das Schiff laufen!“ Der Befehl wurde ausgeführt. Die paar Menschen, die den Untergang des Schiffes überlebten, vergaßen ihr Leben lang den törichten Kapitän nicht, der geglaubt hatte, ein Schiff steuere sich selbst.

      Du sagst, es habe nie einen solchen Mann gegeben. Ich gebe zu, du hast recht. Aber was ich nicht zugebe, das ist die Meinung, dass es keine solche Torheit gibt. Du wärst nicht so töricht?

      Überleg dir’s einen Augenblick. Ist dir nicht etwas zur Leitung anvertraut, zarter und kostbarer als irgendein Schiff – dein Leben, dein Geist? Wie viel Sorgfalt verwendest du darauf, diesen Geist zu steuern? Lässt du ihn nicht so ziemlich gehen, wie er will? Lässt du ihn nicht von den Stürmen des Zorns und der Leidenschaft dahin und dorthin treiben? Lässt du dich nicht durch zufällige Freundschaften, durch zufällig gelesene Bücher, durch zufällige Unterhaltungen in Lagen bringen, die du niemals mit Absicht ausgesucht hättest? Bist du wirklich der Kapitän deines Schiffes, der es zu dem sicheren Hafen des Glückes, des Friedens und des Erfolgs steuert? Und wenn du es nicht bist, möchtest du es nicht werden? Es ist leichter als du denkst, wenn du nur bestimmte Grundwahrheiten einsiehst und deine bessere Natur wirken lässt. Dir zu sagen, wie du das machen sollst und deine Tätigkeit zu leiten, ist der Zweck dieser Reihe von kleinen Aufsätzen über den Wert des Gedankens für die Gestaltung des Lebens.

      Wenn man bedenkt, dass der Geist die ganze Welt beherrscht, so muss man sagen, dass diese Kraft bisher merkwürdig vernachlässigt und falsch verstanden wurde. Auch wo man seine Macht anerkannte, hat man ihn als etwas Unveränderliches aufgefasst, als ein Werkzeug, das nur der recht gebrauchen könne, der mit der Fähigkeit dazu geboren sei. Erst in den letzten Jahren hat die Forschung begonnen, sich um das Verständnis zu bemühen, wie man die Gedanken beherrschen und dazu gebrauchen kann, einen schon gebildeten Charakter noch zu beeinflussen, äußere Umstände oder doch zum mindesten ihre Wirkung auf uns abzuändern und Gesundheit, Glück und Erfolg herbeizuziehen. Die Möglichkeiten der Bildung und Erziehung des Gedankens sind unbegrenzt, ihre Folgen reichen bis in die Ewigkeit hinein, und doch bemühen sich noch immer so wenig Menschen, ihre Gedanken in Bahnen zu lenken, die für sie selbst heilsam wären, und überlassen lieber alles dem Zufall oder den tausend Umständen, die unseren Geist bedrängen und bezwingen, wenn wir ihnen nicht richtig entgegenarbeiten.

      Es kann kein wichtigeres Wissensgebiet und keine höhere Pflicht gegen uns und andre geben, als diese Beherrschung des Gedankens, diese Herrschaft über uns selbst, die auf Selbstvervollkommnung hinarbeitet. Vielleicht ist die Tatsache, dass man den Gedanken selbst nicht greifen kann und dass die meisten von uns so wenig Herrschaft über ihn besitzen, der Grund für die weitverbreitete Überzeugung, dass die Leitung der Geistestätigkeit eine schwierige und verwickelte Sache sei und viel Mühe, viel Zeit und viel Büchergelehrsamkeit erfordere. Aber nichts ist unrichtiger als diese Meinung. Jeder Mensch, so unwissend, so ungebildet und so vielbeschäftigt er sein mag, hat in sich selbst alles, was er braucht, und hat die Zeit, die er braucht, um eine völlige Neuschaffung seines denkenden Wesens, seines Charakters, ja tatsächlich seines Leibes und seines Lebens zustande zu bringen. Aufgabe und Ziel sind dabei für jeden Menschen verschieden, aber der Vorgang selbst ist überall der gleiche und die Umbildung ist für alle gleich möglich.

      Der Meißel eines Bildhauers in der Hand eines Pfuschers kann das schönste Bild verderben; in der Hand eines Verbrechers kann er ein Einbruchswerkzeug oder eine Mordwaffe werden. Wenn wir die Macht in Händen haben, unser Wesen zu schaffen oder zu verderben, was für Toren sind wir da, wenn wir nicht versuchen, Schönheit und Einklang, Glück und Erfolg zu

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